Agit 883 - Lesebuch
Die unterschiedlichen Logiken von Dokumentation, Politik und Distanzierungen

Antwort an die Redaktion von TREND Onlinezeitung

01/07

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1. Wir bedanken uns für die bislang großzügig gewährte Unterstützung des Agit 883-Lesebuchprojektes durch die Redaktion von TREND Onlinezeitung.

2. Der politische Vorwurf im TREND Onlinezeitung editorial 11/06, mit Aufnahme der letzten drei Agit 883-Nummern (Nr. 89 – 91 von 1981, 1983 und 1998) auf der CD würden wir unter der ahnungslosen Bevölkerung der Bundesrepublik in umfänglicher Weise "braun-anarchistische Propaganda" verbreiten, schmerzt uns zutiefst. Das gleiche gilt natürlich auch für den sinngemäßen Anwurf im editiorial 12/06. Hier wird allerdings in wenig filigraner Begriffsbildung von der durch uns betriebenen Verbreitung der "Anarcho-Fascho-Kacke im Verein mit Bernd Rabehl via CD" gesprochen.

3. Wir weisen diese Vorwürfe schlicht zurück. Dieser Vorwurf mag höchstens dann zutreffen, wenn uns im Kontaktschuldverfahren die Bekanntschaft mit ehemaligen Machern der Agit 883 vorgeworfen werden würde. So etwas steht aber immer für sich, dagegen ist keine Verteidigung möglich, kein Argument kann solche Anschuldigungen durchbrechen.

4. Die im Editorial 12/06 erhobene politische Forderung, die letzten drei Agit Nummern bei einer "2. Auflage" zu entfernen ist in der Form völlig legitim. Diese Forderung geht aber aus zwei Gründen an der Sache vorbei:

  • Auch wenn einzelne Autoren in dem Buch eine hochpolitische Absicht getrieben hat und sie viel Zeit für die Erstellung des Lesebuchs geopfert haben, so ist dieses Projekt primär eine publizistische und nicht explizit politische Organisierung: Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch und keine angemeldete Demonstration, kein Anschlag, kein Partei- oder Guerillaaufbau.
  • Klar erkennbar liegt für die CD eine schlichte Dokumentationsabsicht vor mit Anspruch auf möglichst große Vollständigkeit – und nicht mehr.

5. Auch wenn für jeden halbwegs neugierig denkenden Lesekonsumenten sofort erkennbar ist, dass die letzten drei Nummern der Agit der von uns im Buch präsentierten linksradikalen Bewegung in den Jahren 69-72 nicht zuzurechnen ist, so stehen sie in ihrer Weise in einem personellen, formalen wie inhaltlichen Sinne genauso für eine Nachfolge der 88-Westberliner Agit 883 Ausgaben, wie die von uns aufgenommenen Lokalausgaben Hannover und Bremen aus den Jahren 1972/73.

6. Eine explizite Distanzierung unsererseits von den letzten drei Agit 883-Ausgaben hat selbstredend seine eigene Logik, die sich nicht eben auf diesen Akt beschränkt. Wir würden damit völlig zurecht die Frage an unsere Adresse provozieren, warum wir uns nicht von den Kunzelmanschen "Judenknax" -Theorien in zwei Agit-Ausgaben in den Jahren 1969/70 distanzieren. Man sehe es uns einfach nach, dass wir einer derartigen Debatte gar nicht erst den Boden bereiten wollen. Andererseits geben wir die dieser Distanzierungslogik entspringende Frage gerne an die Redaktion von TREND Onlinezeitung zurück. Wieso denkt ihr, dass es richtig, möglicherweise sogar politisch klug und notwendig ist, die Kunzelmannschen Judenknax-Lehren auf der CD heute unter der Bevölkerung dieses Landes zu verbreiten?

7. Bei den letzten drei Agit Nummern auf der CD handelt es sich klar erkennbar nicht um die Hauptsache, sondern um einen Nebenaspekt des gesamten Projektes. Warum dieser nun von TREND Onlinezeitung zu einem Zentrum der Kritik an dem gesamten Agit- 883-Projekt erhoben wird, können wir uns nicht recht erklären. Vielleicht handelt es sich hier um eine Art von symbolischer Machtfrage gegen uns, das mag sein. Wenn dem so ist, so erklären wir die Redaktion TREND Onlinezeitung darin natürlich sofort zum Sieger. Und sie soll danach wirklich, wie es nun mal allen Siegern in diesen unfreien Verhältnissen gebührt, von allen guten Geistern verlassen sein.

rotaprint 25 (Hartmut Rübner, Markus Mohr, Knud Andresen)

 

rotaprint 25 (Hrsg.)
Agit 883
Bewegung, Revolte, Underground in Westberlin 1969–1972 

Assoziation A
ISBN 3-935936-53-2
ca. 288 Seiten

Editorische Anmerkungen

Am 25.12.2006 schrieb K. Andresen:

Hallo Redaktion trend-partisan,
anbei eine offene Erklärung der drei Herausgeber zu den Vorwürfen gegen das
Agit-883-Buch in in den Editorials 11 und 12/06 von trend partisan. Wir bitten euch um eine ungekürzte Veröffentlichung in der Januar-Ausgabe von trend-partisan.

Beste Grüße
Knud Andresen

Dem kommen wir hiermit gerne nach und verweisen in diesem Zusammenhang auf das Editorial 1-07 und die Stellungnahme von Karl-Heinz Schubert