Editorial
Spaltpilze


von Karl Mueller

01-2013

trend
onlinezeitung

Es war mehr als befremdlich auf der TREND-Veranstaltung zum Thema Untersuchungsarbeit im Stadtteil und politische Organisierung am 17.12.12 zu hören, dass die Stadteilini Schillerkiez seit Monaten lahm liegt und keine nennenswerten Aktivitäten - außer sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen - mehr zustande bringt. Angefangen hatte das Desaster, als eine  Gruppe, die zum Stadtteiladen LUNTE gehört, Ende April 2012 Flugblätter gegen eine antideutsch-affine Demo in Nordneukölln verteilte, die in ihrer Argumentation ein wenig holzschnittartig abgefasst waren. (siehe dazu TREND  5/6-2012). Ein Teil der Stadtteilini verlangte daraufhin auf dem Plenum der LUNTE den Ausschluß der Flugblattschreiber aus dem Stadtteilladen. Dieses politisch absurde Ansinnen fand im LUNTE-Plenum jedoch keine Mehrheit. Zum Verdruss der Antragsteller gab es sogar Kritik in ihrer Ini, weil sie unabgesprochen auf dem LUNTE-Plenum im Namen der gesamten Ini aufgetreten waren.

Was seitdem - teilweise mit komödiantischen Einlagen der Marke eingeschnappt bis wütend - über Monate an politischem Autismus praktiziert wurde und wird, erweist sich im Resultat als Spaltung der Schillerkiezinitiative - ein Ergebnis, worüber nicht nur dass Immobilienkapital selber, sondern auch ihre staatlichen Hilfsorgane vom Quartiersmanagement bis zum Staatsschutz dankbar sein dürften. Es bleibt nur zu hoffen, dass die beschlossenen Senatspläne, das Tempelhofer Feld entlang der Oderstr. mit 500 Wohnungen zuzubauen, die Schillerkiez-GenossInnen 2013 zur Besinnung bringen. Nämlich:  das Trennende zurückzustellen, um sich gemeinsam darauf vorzubereiten, mit den AnwohnerInnen den Kampf gegen die fortschreitende Verdrängung und Zerstörung des Kiezes aufzunehmen. Könnte nicht die begonnene Unterschriftenkampagne für ein freies und unbebautes Tempelhofer Feld Anlass genug sein, das selbstverschuldete Sektierertum zu überwinden?

Von ganz anderer Spaltpilz-Qualität ist dagegen der Versuch der Spaltung der LL(L)-Demo durch das so genannte Rosa&Karl-Bündnis mithilfe der Anmeldung einer zeitgleichen Demo am anderen Ort.

Doch Achtung! Mit "Qualität" sind hier nicht die Begründungen gemeint, die zur Spaltung ins Feld geführt werden und aus den unteren ideologischen Kajüten des Antikommunismus hervorgeholt wurden,  sondern die politischen Auswirkungen dieses Schachzugs.

Die LL(L)-Demo war bisher das einzige Ereignis, dass bundesweit  - wenn auch nur für wenige Stunden im Jahr - Linke aus allen Strömungen und Richtungen vereinte. Dieser punktuelle Zusammenschluss barg seitdem immer die Möglichkeit in sich, Motivation für einen dauerhaften Zusammenschluss zu einer wirkungsmächtigen (sozial-) revolutionären antikapitalistischen Organisation zu befördern. Und die objektiven Bedingungen - nämlich die anhaltende ökonomische Krise - begünstigten seitdem das Entstehen der subjektiven Voraussetzungen für  einem solchen Organisationsprozess (siehe dazu unsere Rubrik: Organisations- und Programmdebatte). Mithin liegt es im Interesse der herrschenden Klasse solche Entwicklungen zu desavouieren. Zwei Demos kommen ihr daher gerade Recht.

Freilich daraus den Schluss zu ziehen, das "Rosa&Karl"-Bündnis wäre ein Ensemble von Aftergängern des Systems und den ProtagonistInnen des Bündnisses Noske als vermeidlichen Ziehvater vorzuhalten, muss dagegen als geistiges Armutszeugnis zurückgewiesen werden. Und wenn das Bündnis den Begriff der "Emanzipation" gegen die LL(L)-Demo-TraditionalistInnen in Anschlag bringt, reicht es eben nicht aus, wenn Susann Witt-Stahl nur dagegen hält, dass "der Emanzipationsbegriff mittlerweile völlig ausgehöhlt und entleert" sei. Der Angriff gilt zwar oft als die beste Form der Verteidigung - aber nur dann, wenn es was zu verteidigen gibt.

Das, was die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung in den verschiedenen Perioden an sozialemanzipatorischen Konzepten, Projekten und sozialistischen Staaten hervorgebracht hat, kann heute nicht mehr Vorbild sein. D.h. aber im Umkehrschluß nicht, dass es mehrere historische Möglichkeiten für den Aufbau sozialistischer Projekte gegeben hätte, wo sozusagen nach persönlichem Gutdünken die Revolutionäre die für alle attraktivste Lösung hätten aussuchen können.

Deshalb heißt es auch heute in erster Linie nicht: Blick zurück nach vorn, sondern Blick von hier und heute nach vorn. Schließlich gilt nach wie vor der Gegensatz der Klassen, wovon beim "Rosa&Karl-Bündnis" bezeichnenderweise keine Rede ist, sondern nur vom im Kapitalismus verhinderter "Selbstverwirklichung" geschwafelt wird. Dagegen muss klargestellt werden, dass weiterhin gilt: Die bürgerliche Klassenherrschaft kann nicht auf ihrer eigenen kapitalistischen Grundlage aufgehoben werden. Dies schlüssig für die lohnabhängigen Massen rüberzubringen und zu entwickeln,  dass die Abschafffung des Kapitalismus heute (in den Metropolen) nur Sinn macht, wenn das Proletariat die Aufhebungsformen selbstorganisiert bestimmt, ist den LL(L)-Demo-TraditionalistInnen - uns MarxistInnen eingeschlossen - bisher nicht wirkungsmächtig gelungen.

Sollte es dem "Rosa&Karl-Bündnis" nun wider Erwarten gelingen, am 13.1.2013 eine nennenswerte Zahl von Leuten zu mobilisieren, dann nicht wegen ihrer Stärke, sondern wegen unserer Schwäche.

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Wie wir bereits vor einem Jahr schrieben, dass es in politischen Projekten zum Jahreswechsel üblich sei, einen Jahresrückblick zu erstellen, so möchten wir diesen Brauch nun wiederholen:

Zunächst einige zusammenfassende Zahlen, die auf den Monatsstatistiken beruhen, wie sie im monatlichen Editorial übers Jahr 2012 ausgewiesen wurden: 2012 lasen 1.067.583 Leute unsere Onlinezeitung TREND. Das waren 74.651 BesucherInnen mehr als im Jahr zuvor. Gelesen wurden von ihnen 2012 rund 2 Millionen Seiten.

Diese Zahlen sind fast ganz allein das Verdienst unserer AutorInnnen. Ihnen gebührt unser Dank. Sie haben mit ihren anspruchsvollen Texten dafür gesorgt, wirkliche Hintergründe und Gegenstandpunkte - wie das Motto unserer Onlinezeitung lautet, zu publizieren und Ausgabe für Ausgabe unter Beweis zu stellen.

"Fast" in diesem Zusammenhang meint, dass wir auch 2012 bemüht waren, durch Aktivitäten außerhalb des Netzes Menschen zu erreichen und sie als LeserInnen zu gewinnen. Dazu im einzelnen:

  • Es fanden vier Trend-Gespräche statt, die sich auf den "Nao-Prozess" bezogen ("Bochumer Programm", Revolutionärer Feminismus, Strategien des Mietkampfes, Männer & Emanzipation). 

  • Wir nahmen an zwei mit dem NaO-Prozess zusammenhängenden öffentlichen  Veranstaltungen teil (Dr. Seltsams Wochenschau,  Erörterungsrunde auf der NaO-Sommerdebatte)

  • Drei Veranstaltungen zum Buch von Heinz Buschkowsky "Neukölln ist überall"

  • Ein LUNTE-Trend-Gespräch zum Thema "Kämpfen - Untersuchen - Organisieren"

Im Zusammenhang der Mitarbeit im NaO-Prozesses und dem Ausscheiden des "Arbeitskreises Kapitalismus Aufheben" (AKKA) aus diesem Projekt modifizierten sich die Strukturen und Arbeitsweisen der Onlinezeitung. Dieser Umbauprozess wurde in der 2. Jahreshälfte 2012 abgeschlossen. Die Redaktion veränderte und erweiterte sich personell. Der  Arbeitskreis Kapitalismus aufheben (AKKA) fungiert weiterhin als Herausgeber und die Redaktion arbeitet unabhängig vom Herausgeber strömungsübergreifend politisch und organisatorisch autonom.

TREND(s) im Netz - hier die jüngsten Zahlen:

Die BesucherInnenzahlen vom Dezember 2012, in Klammern 2011, 20010

  • Infopartisan gesamt:  125.989 (119.879, 127.409)
  • davon TREND: 89.596 (88.459, 80.405)

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  •  2.169 BesucherInnen verbuchte die Agit 883 Seite.
  •  Es wurden 1.361 Ausgaben der Agit 883 aufgerufen
  •  5.444 BesucherInnen besuchten das Rockarchiv
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