Editorial
2018 - Das Jahr der Jahrestage


von Karl-Heinz Schubert

01/2018

trend
onlinezeitung

Die Planung der TREND-Schwerpunkte für den Bereich Geschichte im Jahr 2018 fiel der Redaktion angesichts der anstehenden Jahrestage nicht schwer. Wir wählten nur runde Jahrestage.

Bei der Auswahl des historischen Materials, das zur Veröffentlichung gelangen wird, werden wir wir uns vom historischen und dialektischen Materialismus leiten lassen, wie er von unseren verdienten Altvorderen Marx & Engels entwickelt und angewendet wurde. Dazu zur Einstimmung, was das methodisch bedeutet, zwei Schlüsseltexte: Karl Marx "Die Methode der politischen Ökonomie" und Friedrich Engels über "Über Ideologie und historische Ideologen"

In dieser Ausgabe starten wir mit dem  Dreißigjährigen Krieg, der vor 500 Jahren als lokaler Glaubenskonflikt mit einem "Fenstersturz" in Prag 1618 harmlos begann und sich rasch mit äußerster Brutalität geführt zu einem 30 Jahre währenden gesamteuropäischen Krieg ausweitete. Ein Krieg, der von handfesten materiellen Interessen bestimmt war und wurde, bis schließlich das mitteleuropäische Terrain im Westfälischen Frieden 1648 dauerhaft durch die damaligen europäischen Großmächte (Deutschland, Frankreich und Schweden) vertraglich dauerhaft gegliedert und arondiert werden konnte. Unsere vorgelegten Texte haben kursorisch einführenden Charakter und sollen im Lauf des Jahres durch weitere Texte vertiefend ergänzt werden.

Ebenfalls in dieser Ausgabe beginnt der komplette virtuelle Reprint des "Berliner Extra Dienst" dem politischen Zentralorgan der außerparlamentarischen Opposition des Jahres 1968. Die Veröffentlichung wird sich am Wochentakt der damaligen Erscheinungsweise orientieren. Damit fungiert der Reprint gleichsam als Kalender für zeitgeschichtlich Interessierte und Forschende, die nun nicht mehr umständlich non-virtuelle Archive zu diesem Zwecke aufsuchen müssen.

1967 gegründet - war der "Extradienst" eine Veröffentlichungsplattform für alle linken oppositionellen Strömungen. Die politischen Ereignisse des Jahres 1968 - als Eckpunkte wären hier zu nennen: der 1. Mai in Frankreich und die Rolle der revisionistischen KPF, sowie die Niederschlagung des "Prager Frühlings" durch die Warschauer Pakttruppen im August 1968,  applaudierend begleitet von SEW und KPD(DKP) - führten zu politischen Brüchen in der außerparlamentarischen Opposition. Diese Brüche waren ideologisch vielschichtig und hatten zur Folge, dass ab 1969 in Westberlin zwei weitere Nachrichtenorgane herausgegeben wurden: Rote Presse Korrespondenz und  Agit 888.

In der zweiten Jahreshälfte 2018 steht die Novemberrevolution von 1918 bei uns auf der Agenda. Insbesondere wird es darum gehen aufzuzeigen, wie der erfolgreiche Sturz der Feudalherrschaft - also die Vollendung der bürgerlichen Revolution von 1848 - nicht in eine proletarische Revolution transformiert werden konnte, obgleich die objektiven Voraussetzungen (Entwicklungsstand des Kapitalismus) und eine für kurze Zeit wirkmächtige Arbeiter*innenklasse vorhanden waren. Lag es am Fehlen einer revolutionären Führung mit wegweisenden programmatischen Grundlagen? Wurde die Konterrevolution unterschätzt? Welches waren die ideologischen Grundlagen des Opportunismus der Sozialdemokratie, die das Scheitern der Transformation begünstigte? Übrigens erschien zur Geschichte der Rätebewegung 1918/19 bereits in der letzten TREND-Ausgabe ein entsprechender Artikel.

Am 30. Dezember 1918 wurde in Berlin die Kommunistische Partei Deutschlands gegründet. Eine zeitgemäße sozialemanzipatorische Politik, die sich das Ziel setzt, den heutigen Kapitalismus mit seinen imperialistischen Auswüchsen dauerhaft aufzuheben, wird an der Frage, wie sollte sich für dieses Ziel die proletarische Klasse mit welchem Programm organisieren, nicht vorbeikommen. Vom Resultat her betrachtet erwies sich der sowjetische Weg als Weg zurück zum Kapitalismus. Die Untersuchung seines Scheiterns schließt die Untersuchung der Rolle der kommunistischen Partei und ihrer programmatischen Grundlagen mit ein. Hier wäre von besonderem Interesse herauszuarbeiten, inwieweit das Scheitern der KPD (früher hieß das kurzgefasst "Revisionismus") bereits in ihrer Gründung angelegt war. Aufsetzend auf dem Protokoll des Gründungsparteitages der KPD, das wir schon 1998(!) ins Netz gestellt haben, und den diversen TREND-Veröffentlichungen, die in den zurückliegenden Jahren zur Geschichte der KPD erfolgten, werden wir durch weitere Veröffentlichungen - insbesondere zur Gründungsgeschichte - versuchen, tiefer in den Gegenstand einzudringen.

Zwei weitere Jubiläen werden uns noch in diesem Jahr beschäftigen: die Gründung der DKP im September 1968  gemäß der Empfehlung der Bundesregierung, um aus der ideologisch erodierenden Jugend- und Studentenbewegung möglichst viele Kader in den eigenen Reihen zu organisieren. Eine handvoll KPD-Mitglieder wollte diesen revisionistischen Weg nicht mitgehen, der darauf hinauslief, das KPD-Verbot zu akzeptieren und sich mit einer Reformpolitik zufrieden zu geben. Sie beschlossen in einem Hamburger Ecklokal am 31.12.1968 die Gründung der KPD/ML als revolutionäre Nachfolgerin der KPD.

Während sich die KPD/ML in den 1980er Jahren durch die Fusion mit der trotzkistischen GIM  selbst aufgab, jedoch aber Teile ihres 1968er Gründungskerns ideologisch in der MLPD weiterleben, scheint nun das ungewollte Ende der DKP vor Erreichen ihres 50. Jahrestages nahe. Das zeigen die jüngsten Austritte vieler Genoss*innen vom "rechten" und "linken" Flügel der Partei,  während die "zentristische" Parteiführung ums Überleben der Partei auf dem kommenden 22. Parteitag kämpft.

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Auf Empfehlung eines Genossen aus der Lunte diskutierte der AKKA im letzten Dezember eine von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebene Broschüre mit dem Titel: Die smarte Stadt neu denken. Geplant ist, in der Februarnummer 2018 dazu eine Stellungnahme abzugeben. Wir veröffentlichen in der vorliegenden Ausgabe schon mal zum Einlesen das politische Fazit der Autor*innen dieser Broschüre.

Auffällig ist, dass mit dieser Broschüre die Verkürzung linker Stadtpolitik ideologisch befördert wird, indem die Parole "Recht auf Stadt" umgetextet wird in: "Recht auf die digitale Stadt". Damit steht für die in Berlin regierende Linkspartei nicht mehr der Kampf für einen ausreichend bezahlbaren Wohnraum  im Vordergrund sondern der Kampf gegen die "Datensilos" in den Klauen des "Raubtierkapitalismus".  Jene propagandistische Focusverlagerung hilft nicht nur bei der Larvierung des gerade vom Berliner Senat auf den Weg gebrachten Privatisierungscoups im Hinblick auf die dringenden benötigten Schul- und Unterrichtsräume sondern vor allem auch beim Vertuschen des Scheiterns der sozialen stadtpolitischen Wahlversprechen der Linkspartei des Jahres 2016.

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Trotz des durch die Jahreszeit bedingten Rückgangs der Besucher*innen- und Seitenaufrufzahlen konnte TREND-Infopartisan seinen Platz sechs in der Gruppe deutschsprachige Alternative Medien  halten, weil die Mitkonkurrenten des ALEXA-Rankings ebenfalls von diesen Zahlenrückgängen betroffen waren.