Editorial
Aus den Niederlagen lernen


von Karl Mueller

02-2015

trend
onlinezeitung

Auf der Luxemburg-Liebknecht-Demo am 11. Januar kam ich mit einem Genossen ins Gespräch, der mir erzählte, wie er vor mehr als 10 Jahren mit seiner Gruppe in Kassel auf unsere Onlinezeitung gestoßen sei. Besonders gefiel ihnen unser strömungsübergreifendes Konzept und die damit zusammenhängende publizistische Praxis, bei aktuellen politischen Ereignissen verschiedene linke Positionen gleichberechtigt nebeneinander zu dokumentieren. So auch in dieser Ausgabe im Hinblick auf die aktuellen Wahlergebnisse in Griechenland und da vor allem bezüglich  Syrizas Regierungskoalition mit reaktionären Kräften von der ANEL.

Im Spiegel der Linken zeigt sich, dass hier das Bewertungsspektrum recht weit ausfällt. Es reicht von offener Ablehnung bis zur Befürwortung. Augenfällig ist allerdings, dass der Frage, warum denn durch Syriza der Reaktion das Verteidigungsministerium übertragen wurde, selbst bei den Kritikern wenig bis gar nicht nachgegangen wird. Ist das Wissen über das Zustandekommen der Militärdiktatur der griechischen Obristen zwischen 1967 und 1974 untergegangen? Das war schon damals kein historischer Sonderfall.

Wie eine Blutspur zieht sich nämlich durch die internationale Geschichte der Arbeiter*innenbewegung die Erfahrung, dass immer dann, wenn reformistische Kräfte eine Balancepolitik zwischen antikapitalistischen Ansprüchen der Klasse und kapitalistischer Besitzstandswahrung praktizierten, bei Zuspitzung der Klassenwidersprüche die Konterrevolution, mit der man zuvor im Waffenstillstand kooperierte, während man die revolutionären Ansprüche der Klasse nicht unterstützte, zuschlug.

Gemeint ist hier nicht nur das Zusammenwirken von Ebert und Noske mit der Reaktion und ihren Mörderbanden, den Freikorps, zur Zerschlagung der revolutionären Arbeiter*innenbewegung, sondern vor allem auch die chilenische Erfahrung:

Bis 1970 setzte die Unidad Popular unter Allende die entschädigungslose Verstaatlichung der Bodenschätze, die Enteignung von ausländischen Großunternehmen,  Banken und eine Agrarreform durch.

Ab 1972 reagierte die Konterrevolution auf die Politik der sozialistischen Umgestaltung durch insgesamt sechshundert Terroranschläge auf Eisenbahnen, Brücken, Hochspannungsleitungen und Pipelines, begleitet von politisch motivierten Streiks.  Mit der Einbindung des Militärs in die Regierung im November 1972 hoffte Allende, die angespannte Lage beruhigen zu können. Als im Sommer 1973 durch große Streiks von Rechts die Situation wieder eskalierte und ein konterrevolutionärer Militärputsch knapp niedergeschlagen werden konnte, berief Allende weitere hochrangige Offiziere und den vom CIA geschulten General Augusto Pinochet in sein Kabinett, dem er bereits 1971 das Kommando über die Heeresgarnison in Santiago de Chile übertragen hatte.

Pinochet nutzte seine Stellung als Innenminister, um von dort aus den vom CIA gesteuerten blutigen Militärputsch am 11. September 1973 maßgeblich mitzuorganisieren, der zur Errichtung der faschistischen Diktatur führte.

Aus der Geschichte lernen, heißt vor allem, aus den Niederlagen lernen. Und da gibt es speziell bei der deutschen Linken etliche Baustellen. Wir dokumentierten dies in den letzten beiden Ausgaben am Beispiel der programmatischen Diskussion innerhalb der DKP.

Nun wurden wir von Leser*innen gefragt, warum wir dies als "Kampf zweier Linien" bezeichnen. Das sei doch "erstmal verwegen, weil sich die 'andere' Linie um Mayer &  Co. eigentlich gar nicht so recht zu Worte meldet und es bei bloßen Erwägungen belässt".

Nach maoistischer Lesart, bedeutet der Kampf zweier Linien, dass in der kommunistischen Partei immer "die proletarisch-revolutionäre Linie"  in einer Auseinandersetzung "gegen alle Arten von falschen bürgerlich-reaktionären Linien" steht und sich so weiter entwickelt. Das trifft natürlich für die DKP nicht zu, müsste doch trotz ständigen Berufens auf den Marxismus-Lenismus, erstmal von ihr der Nachweis erbracht werden, was unter den heutigen klassenpolitischen Bedingungen national und international eine "proletarisch-revolutionäre" Position klassenanalytisch und programmatisch ausmacht. Da sind Stamokap und antimonopolistische Bündnispolitik theoriegeschichtlich betrachtet nicht nur Schnee von gestern, sondern  - bereits im Augenschein heutiger gesellschaftlicher Realität sichtbar - untaugliche Begrifflichkeiten.

Im Hinblick auf diese  Lieblingskategorien aus dem Hause "DKP-Parteivorstand" gibt es bei den vorstandsoppositionellen Kräften, die sich mithilfe der Website www.kommunisten.de organisieren und debattieren, eine nicht zu übersehende Enthaltsamkeit. Dass dies in Richtung Abkehr vom bisherigen Parteimainstream weist, zeigt sich auch an davon abgeleiteten und offen formulierten Widersprüchen zum Demokratischen Zentralismus, zur Avantgarderolle der Partei, zu strategisch-taktischen Fragen wie z.B. im Hinblick auf die Linkspartei, sowie speziell zu den weltanschaulichen Grundlagen, wenn die DKP nur noch als "marxistische Partei" bezeichnet wird. Der Parteivorsitzende Patrik Köbele hat diese Liniendifferenz klar im Auge, wenn er hinsichtlich des Positionspapiers der anderen Seite formuliert:

"Genosse Uwe Fritsch hat nun dem Parteivorstand ein Papier mit dem Titel Position zu den Inhalten eines Leitantrags zum 21. Parteitag übergeben. Dieses Papier arbeitet sich nicht am Entwurf des Sekretariats ab..... Im Grundsatz ist es aber aus meiner Sicht tatsächlich ein nicht-kompatibles Alternativpapier."

Eine weitere historische Baustelle ist - wie eben erwähnt - die in diesem Linienkampf mitschwingende Grundsatzfrage nach den weltanschaulichen Grundlagen revolutionär-antikapitalistischer Politik. Doch die sakrosankte Bejahung des Marxismus-Leninismus à la DKP verhindert stattdessen ein angemessenes Verständnis der Niederlage der "sozialistischen" Staaten, denn damit wird ausgeblendet, dass die Niederlage nicht nur eine politische und ökonomische, sondern besonders auch eine ideologische gewesen ist. In der heutigen Ausgabe gibt es dazu Lesetexte, die motivieren sollen, in diese Thematik einzusteigen. Rosental, der in Teilen fortlaufend veröffenlicht wird, fungiert für uns als Repräsentant der ML-Orthodoxie, während Korsch für den "westlichen" Marxismus steht. In diesen thematischen Kontext gehört in dieser Ausgabe auch Werner Blanckenburgs Verteidigung des Louis Althusser gegen die Angriffe des Wolfgang F. Haug.

Wer sich in diesen Themenbereich tiefer einarbeiten will, dem empfehlen wir zum Einstieg aus unserem Archiv das Handbuch der Bochumer Dialektik-AG.: Von Marx bis Althusser - Modelle der materialistischen Dialektik.

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