| Die "Stile" und Lebensweisen sind 
                prinzipiell aus dem Kontext ihrer ursprünglichen Entstehung und 
                Bedeutungsinhalte herausgelöst und können als "Habitus" wieder 
                neu zusammengestellt werden. Dabei steht der hedonistische 
                Mensch nicht alleine, sondern er erhält Beratung und Hilfe von 
                diversen Mode-, Einrichtungs- und Hobbyzeitschriften, die ihm 
                die Orientierung ermöglichen und ihm etwa erklären, daß 
                Blumentöpfe aus Chrom eher zu einer "jungen Wohnung" passen als 
                zu Stilmöbeln. Zwar gehen in die konkrete Komposition des je 
                individuellen "Habitus" auch wesentlich per "Familie", "Viertel" 
                und Bildungsniveau vermittelte Momente der 
                Klassenstrukturiertheit der Gesellschaft ein, aber bei der 
                oberflächlichen Betrachtung des Gesamtbildes lassen sich diese 
                Einflüße oft nur sehr schwer nachweisen: Der Mercedes
                fahrende 
                Arbeiter parkt am Supermarkt neben dem (Zweit-) Golf der Frau 
                des Chefs. Diese schöne Welt des 
                hedonistischen Individuums begegnet uns am massivsten in der 
                Werbung. Viele Firmen und Institutionen bemühen sich um die 
                Aufmerksamkeit der klassenneutralen Figur des Konsumenten. Alle 
                wollen etwas von ihm. Geworben wird für ("Güter") des täglichen 
                Lebens wie z.B. für Waschmittel, kochfesten Reis oder einen 
                Mantel mit interessanter Kragenauflösung. Gleichzeitig wird in 
                den Publikumszeitschriften für Investitionsgüter geworben, 
                gerade so, als kaufe "der Konsument" sich genausogut Lastwagen, 
                Verpackungsmaschinen usw. wie Möbel oder Autos. Ebenfalls 
                gleichzeitig wird auch für politische Programme geworben, sei 
                es, daß der Konsument eine Partei wählen soll, oder sei es, daß 
                er als Spaziergänger den Wald schützen soll. Ob er sich gegen 
                Unfälle versichern oder öffentliche Nahverkehrsmittel dem Auto 
                vorziehen soll (für das eine Seite vorher noch geworben wurde), 
                - in jedem Fall wird ihm auf diese Weise bestätigt, daß er in 
                seinen Entscheidungen frei ist, und daß er einen wichtige und 
                mächtige Person ist. Daß man den Konsumenten (die 
                Konsumentin ist hier immer mitgemeint) gleichzeitig als 
                "Schlemmer" bzw. "Genießer" und als gewitzten Energiesparer, 
                Geldsparer usw. anspricht, macht ihn nicht irre, weil dies 
                seiner wirklichen Lage entspricht: "Man kauft ein Bücherregal, 
                stellt es auf und hat dann keine Bücher?! Bei unserem 
                Bücherregal für DM 98.- bleibt natürlich noch Geld für einige 
                Bücher" (Werbetext). Die quantitative Schranke, von der Marx 
                spricht, wird hier durch eine private opportunity-costs-Strategie 
                "überlistet". Das Sicheinrichten-müssen 
                in seinen Möglichkeiten wird zum Geschäft eines Teils der 
                Kapitalisten. Die "platzsparende Sofagarnitur" mit eingebautem 
                Doppelbett und in modernem Design für die "nette kleine 
                Wohnung", - auf diese widersprüchliche 
                Weise vollzieht sich die Ästhetisierung des Alltags, der 
                Einbezug der Lohnabhängigen in die bürgerliche Zivilisation 
                (98). Wichtig und daher kurz zu 
                erwähnen ist auch der Kauf von Dienstleistungen und von billiger 
                Handarbeit aus der Peripherie der kapitalistischen Kernländer. 
                Die zunehmende Fähigkeit auch des "kleinen Mannnes", fremde 
                Arbeit direkt zu kommandieren, macht aus dem "König Kunde" einen 
                wirklich kleinen Herrscher. Sich bedienen zu lassen und dabei 
                den "liebenswürdigen Schein" (Marx) des und vor allem der 
                Bedienenden erwarten zu können, das ist längst kein Privileg der 
                "Reichen" mehr. Selbst die Pizzeria bringt das Essen notfalls 
                bis ans Bett, - auch dem Langzeitarbeitslosen, der selbst 
                morgens Brötchen austrägt. Wenn dieses Kommando-Verhältnis dann 
                noch über die Kaufkraft der nationalen Währung gegenüber Leuten 
                in anderen Ländern - im Urlaub wirksam wird, dann erscheint der 
                "kleine Mann" mitunter sogar als "imperialistisches Individuum" 
                (99). Das hohe Ansehen von erworbener "echter Handarbeit" 
                entspringt einem ähnlichen Zusammenhang. Wie auch immer: Dieses 
                hedonistische Individuum ist eine reale Figur. Andererseits haben wir aber 
                gesehen, daß diese Gesellschaft ebenso real klassenstrukturiert 
                ist. Bei der Analyse des Individuums als Klassenindividuum 
                handelt es sich ja nicht nur um eine theoretische Kategorie, 
                sondern das Klassenindividuum ist reales Moment bzw. realer 
                "Schnittpunkt" des schillernden und "eskapistischen" 
                Individuums. Der französische (strukturalistische) 
                Kultursoziologe Bourdieu hat versucht, diese 
                Klas-senstrukturiertheit auch am in der Massenkultur aufgelösten 
                Individuum nachzuweisen. Er nähert sich dem Thema jedoch nicht 
                auf die gleiche Weise wie Marx, sondern bezieht von vorneherein 
                die Sinnproduktion, die Wertungen, Traditionen usw. in die 
                Betrachtung ein. Bourdieu hat die Lebesstile und Habitusformen 
                untersucht und meint herausgefunden zu haben, daß diese Formen 
                sich nicht vollkommener Willkür verdanken, sondern eine - sehr 
                vermittelte "Klassenstruktur" aufweisen. Was sich als beliebige 
                individualistische Vielfalt darstellt, ist bei genauerer 
                Betrachtung durchaus strukturiert. Bourdieu spricht von 
                "Habitusklassen", wobei - wie gesagt - sein Klassenbegriff 
                bereits mehr umfaßt als etwa die Marx'sehen Repräsentanten 
                personifizierter Dinge: "Eine Klasse definiert sich durch ihr 
                Wahrgenommen-Sein ebenso wie durch ihr Sein" (100). Nach 
                Bourdieu bilden sich die Lebensstile auf der Grundlage eines 
                strukturierten und strukturierenden Habitus. Im Verlauf ihrer 
                kollektiven Geschichte, insbesondere im Prozeß ihrer 
                Lebensgewinnung, bilden die Menschen (durch Wiederholung) 
                Bedeutungsmuster (101), Sinngebung etc. heraus, die Bourdieu als 
                "Systeme dauerhafter Dispositionen, strukturierte Strukturen" 
                bezeichnet und die seiner Meinung nach geeignet sind, als 
                "strukturierende Strukturen" zu wirken. Zum Teil ganz ähnlich wie bei 
                einigen Lebenswelt-Theoretikern erzeugen diese als "Habitus" 
                bezeichneten Prozesse selbst wieder Praxisformen (102). "In der 
                Terminologie der generativen Grammatik Noam 2Chomskys ließe sich 
                der Habitus als ein System verinnerlichter Muster definieren, 
                die es erlauben, alle typischen Gedanken, Wahrnehmungen und 
                Handlungen einer Kultur zu erzeugen" (103). Der Habitus ist 
                daher eine "Erzeugungsformel", mit der sich sozial 
                unterschiedliche Praxisformen - insbesondere im Bereich des 
                Konsums und daher der Lebensstile - erklären lassen. 
                Praxisformen und die Konsumprodukte selbst werden dabei zu einem 
                System "distinktiver" Symbole. Das einzelne Individuum erwirbt 
                seine eigenen Habitusformen in seiner eigenen Geschichte.Diese eigene Lebenspraxis ist geprägt von seinem "sozialen 
                Raum", d.h. von Familie/Beziehung, Wohnviertel, Größe der Stadt 
                oder des Dorfes, religiöser und sexueller Orientierung, 
                überhaupt von spezifischen Wertesystemen und natürlich von der 
                Berufsarbeit, der Hausarbeit usw.. Es sei bemerkt, daß Bourdieus 
                Theorie an dieser Stelle deutlich offen ist für eine 
                "Unterlegung" der Marxschen Analyse der Verkehrungen.
 Warum der private Haushalt der 
                Lebensmittelpunkt ist, während die (Lohn-) Arbeit als bloßes 
                Mittel zum "eigentlichen" Leben erscheint, das wissen wir von 
                Marx. Ebenso entspricht es der Marx'sehen Analyse, daß die 
                Deutungsmuster der Menschen selbst soziale Praxis konstituieren. 
                Bourdieu hebt als wesentliches Muster der Umwandlung 
                sozial-historischer Erfahrungen in spezifischen Habitusformen 
                hervor, daß die Menschen "aus der Not eine Tugend .. machen" 
                (104), was sich vollkommen mit Marxens "Sie stellen sich 
                theoretisch auf den Standpunkt, zu dem sie praktisch gezwungen 
                sind", bzw. "Sie wollen was sie müssen und halten dann ihren 
                bereits domestizierten Willen für frei" deckt. Bourdieu gewinnt 
                aus diesen Mustern die Kategorie des "Klassenethos", d.h. er 
                unterscheidet danach, aus welcher Not die Leute ihre Tugenden, 
                ihre Moral, ihren "Charakter" und auch ihren "Geschmack" 
                verfertigen. Eine herausragende Stellung hat bei Bourdieu gerade 
                der Geschmack. Darunter versteht er die Fähigkeit zur 
                materiellen und symbolischen Aneignung von Gegenständen, 
                sozialen Praktiken etc. Diese Aneignungsweisen im 
                sozialen Raum, aber insbesondere im Raum des 
                Nichtarbeitsbereiches klassifiziert er zu unterschiedlichen 
                Lebensstilen: "Der Geschmack bildet.. den praktischen Opera-tor 
                für die Umwandlung der Dinge in di-stinkte und distinktive 
                Zeichen ... durch ihn geraten die Unterschiede aus der 
                physischen Ordnung der Dinge in die symbolische Ordnung 
                signifikanter Unterscheidungen" (105). Der Geschmack ist die 
                praxisbewertende Seite des Habitus. Eine soziale Klasse läßt 
                sich niemals allein aus ihrer Lage und Stellung innerhalb einer 
                gesellschaftlichen Struktur, d.h. aus den Beziehungen bestimmen, 
                die sie objektiv zu anderen Klassen unterhält; eine Reihe ihrer 
                Eigenschaften verdankt sie nämlich dem Umstand, daß die 
                Individuen, die diese Klasse bilden, absichtlich oder ohne es zu 
                merken, in symbolischen Beziehungen zueinander treten, die die 
                Differenzen von Stellung und Lage in logischer Systematik 
                ausdrücken und diese Unterschiede somit in signifikante 
                Unterscheidungsmerkmale verwandeln trachten" (105). Bourdieu betont ausdrücklich die 
                "relative Unabhängigkeit dieses Systems" von der Stellung in der 
                Sozial Struktur. Es sei bemerkt, daß er seine Theorie 
                ausdrücklich in die Nähe des Weber sehen Begriffs des "Standes" 
                rückt, sich aber auch auf Textstellen von Marx und Engels 
                beruft, wo diese von der Abstumpfung der Klassengegensätze auf 
                der Oberfläche sprechen. Nach Weber gliedern sich 
                "Klassen" nach den Beziehungen zur Produktion und zum Erwerb von 
                Gütern, während sich "Stände" nach den Prinzipien des 
                Güterkonsums und der spezifischen Art der Lebensführung 
                gliedern. "Neben die spezifisch ökonomischen Unterschiede treten 
                also symbolische Unterscheidungen nach der Art der Verwendung", 
                wodurch sich alle Waren verdoppeln. Sie werden in Zeichen 
                verwandelt, d.h. die faktischen Unterschiede verwandeln sich in 
                symbolische Unterscheidungen, wodurch "eine Manier, die Form 
                einer Handlung oder eines Gegenstandes auf Kosten ihrer Funktion 
                in den Vordergrund tritt. Daher besitzen von allen 
                Unterscheidungen diejenigen das größte Prestige, die am 
                deutlichsten die Stellung in der Sozialstruktur symbolisieren, 
                wie etwa Kleidung, Sprache oder Akzent und vor allem die 
                "Manieren", Geschmack und Bildung. Denn sie geben sich den 
                Anschein, als handele es sich um Wesenseigenschaften einer 
                Person, ein aus dem Handeln nicht ableitbares Sein, eine Natur, 
                die paradoxerweise zu Bildung, eine Bildung, die zur Natur, zu 
                einer Begnadung und einer Gabe geworden seien." (107) Bourdieu betont, daß die 
                bürgerlichen Individuen nach subtilen Unterscheidungen (den 
                "feinen Unterschieden") ständig suchen. Die Unterscheidung liegt 
                im Prinzip der Sozialstruktur! Wo jedoch die 
                Klassenstrukturiertheit auf der Oberfläche per Geld verwischt 
                wird, müssen Unterscheidungen auf andere Weise dort 
                herbeigeführt werden, wo sie sich nicht oder nicht deutlich 
                genug von selbst einstellen. Sprache, Bildung, Kleidung, Schmuck 
                etc. erfüllen wegen ihres hohen Symbolwerts die Funktion von 
                Trennung (bzw. Verbindung innerhalb sozialer Gruppen) An ihnen 
                erkennen sich die Individuen als irgendwo zugehörig oder 
                nichtzugehörig. Das einzelne Individuum nutzt 
                also diese Symbole sowohl zur Abgrenzung von allen anderen 
                Individuen - hier ist es das ganz persönliche und einzigartige 
                Subjekt, "Individualist" - als auch um Zugehörigkeit zur Gruppe 
                seiner Wahl zu demonstrieren. Diese Wahl existiert innerhalb 
                eines bestimmten Spielraums durchaus, weil es z.B. kulturelle 
                Gruppen gibt, die quer zu allen oder vielen sozialen Gruppen 
                liegen. Es bilden sich also Lebensstile heraus, die mit sozialen 
                Verhältnissen zu tun haben, aber nicht auf diese zu reduzieren 
                sind. Die Abgrenzung wird immer wieder zum Problem. Ein Stil 
                verbreitet sich, z.B. über die Massenproduktion, und verliert 
                damit seine Eigenschaft als Unterscheidungszeichen. Bourdieu 
                zeigt, daß die Notwendigkeit zu "feinen Unterschieden" nicht 
                zuletzt darauf beruht, daß die Gegenstände alleine kein 
                ausreichendes Abgrenzungsmerkmal mehr sind. Dadurch wird die 
                Bedeutung bestimmter Sprachstile, Gesten etc. und sodann des 
                Rahmens, innerhalb dessen diese Gegenstände konsumiert werden, 
                zunehmend wichtiger. Andererseits führt die pure 
                Wiederholung eines Lebensstils, einer Geste, einer Sprechtechnik 
                etc. dazu, daß sich diese Abgrenzungen verfestigen, außerhalb 
                bewußter Kontrolle stattfinden und so als der Natur eines 
                Individuums zugehörig erscheinen. Das einzelne Subjekt sieht 
                sich dann umso weniger als "ensemble" der Verhältnisse, es "ist" 
                einfach so wie es ist, es denkt sich als einzigartig. Bourdieu 
                geht es darum, zu zeigen, daß alles an diesem Individuum seinen 
                sozialen Sinn und Zusammenhang hat. Das ist auch vom Standpunkt 
                der Marxschen Theorie ein akzeptables Forschungsprogramm. 
                Bourdieu s Konstruktionen sind jedoch prinzipiell 
                strukturalistisch und daher erscheint m.E. bei ihm das 
                Individuum als Gefangener eben dieser Struktur. Als Forschungsprogramm verstanden 
                lassen sich seiner Theorie m.E. aber durchaus wichtige Hinweise 
                entnehmen. Er selbst sagt: "Es bliebe daher zu untersuchen, 
                inwiefern die Struktur der ökonomischen Beziehungen, indem sie 
                zugleich die Lage und Stellung der sozialen Subjekte 
                determiniert, die Struktur der symbolischen Beziehungen zu 
                bestimmen vermag, deren Gliederung und Organisation einer Logik 
                gehorcht, die nicht die der ökonomischen Verhältnisse ist." 
                (106) Dies ist genau die Frage, auf die es ankommt, denn 
                offensichtlich ist die schöne bunte Welt der hedonistischen 
                Konsumenten doch nicht das Resultat völliger Willkür 
                entfesselter Individualität. Obgleich diese Welt eigenen 
                Gesetzen gehorcht und obgleich dort und von dort auf die 
                Existenz von Klassen nicht unmittelbar geschlossen werden kann, 
                bricht die objektive Klassenstrukturiertheit der bürgerlichen 
                Gesellschaft in sehr eigenartiger Weise 
                in das scheinbar willkürliche Getriebe herein (107). Alltag: 
                individueller Sinn und Lebensstrategien Wenn man mit Hilfe der Marx'sehen 
                Theorie das (ideale) bürgerliche Individuum derart "eingekreist" 
                hat, wie es im bisherigen Text versucht wurde, wenn man also 
                dieses Individuum als "Schnittpunkt" ganz verschiedener Momente 
                seines sozialen Daseins bestimmt und zudem die Grundstrukturen 
                seiner Bewußtseinsformen und -Inhalte herausgearbeitet hat, dann 
                stößt man - wie zuletzt mit Bourdieu gezeigt - auf das Problem, 
                wie und über welche Wege sich das bürgerliche Individuum diese 
                (verkehrte) Welt praktisch (sinnlich und denkend) aneignet. 
                Bourdieu hat zu zeigen versucht, wie sich in diesen 
                Aneignungsformen auf ganz eigenartige und verdrehte Weise 
                Klassenstrukturen verbergen. Ihm ging es darum, die 
                Herausbildung von strukturierten und strukturierenden "feinen 
                Unterschieden" zu untersuchen. Unklar ist jedoch noch, auf 
                welche genaue Weise sich das einzelne Individuum diese Welt 
                erschließt, wie es sich aus den umlaufenden Deutungen seinen 
                "persönlichen Sinn" heraussucht, woher es zu wissen glaubt, 
                welches Wissen es zur Lebensbewältigung benötigt und auf welches 
                es glaubt, verzichten zu können und wie es schließlich dazu 
                kommt, eine "Lebensstrategie" zu entwerfen, die ihm dann als 
                Leitfaden und Maßstab im alltäglichen Leben dient. Einige allgemeine Bestimmungen 
                sind uns über diese Zusammenhänge bereits bekannt: Das 
                Individuum (Individuum heißt eigentlich "das Unteilbare", aber 
                hier scheint es nicht anders zu sein als beim Atom) wurde in 
                eine bereits fertige Welt und auch in fertige Weltdeutungen 
                hineingeboren und kann darin nur leben, wenn es lernt, mit dem 
                Fertigen umzugehen, es als Material seiner Zwecke zu verstehen. Eine genauere Bestimmung dieser 
                Vorgänge macht es jedoch notwendig, den Marxschen Anspruch zu 
                erfüllen, nämlich die Institutionen, materielle Werte und 
                Deutungssysteme in ihrem Entstandensein aus der menschlichen 
                Tätigkeit konkret zu entwickeln. Marx hat darauf hingewiesen, 
                daß es relativ einfach ist, den irdischen Kern verschiedener 
                Mystifikationen herauszufinden, daß es jedoch weitaus 
                schwieriger ist, die konkreten Alltagsvorstellungen aus den 
                wirklichen Lebensverhältnissen zu entwickeln (108). Es war immer 
                ein Problem für viele Marxisten, wenn sie feststellen mußten, 
                daß z.B. zwei sich in der (scheinbar oder wirklich) gleichen 
                "objektiven Lage" befindenden Menschen - etwa im Falle einer 
                Entlassung - diese Lage unterschiedlich oder gar gegensätzlich 
                interpretierten und entsprechend handelten. Die Methode der nachträglichen 
                Zuordnung solcher Handlungen zur "objektiven Lage" mußte in 
                diesem Fall sichtbar scheitern und es mußte zu 
                Hilfskonstruktionen gegriffen werden ("unterschiedliches 
                Klassenbewußtsein", "Manipulation" etc.), die ihrerseits 
                unerklärt bleiben mußten. Solche Versuche einer 
                "Parallelisierung" von "Basis und Überbau" umgehen immer das 
                wirkliche Problem: die eigenständige Entwicklung der Kategorien 
                des Alltagslebens im Rahmen einer materialistischen 
                Lebensweise-Forschung (109). Die marxistischen Versuche in diese 
                Richtung sind nicht gerade zahlreich. Bekannt geworden sind Anfang der 
                80er Jahre vor allem die Arbeiten von Agnes Heller, Henri 
                Lefebvre und Lucien Seve. Agnes Hellers Texte leiden unter der 
                Verselbständigung der Philosophie gegenüber der empirischen 
                Sozialforschung. Ihr Ausgangspunkt ist ein m.E. 
                anthropologischer Gattungsbegriff, d.h. sie beginnt mit der 
                natürlichen Allgemeinheit des Menschen und hat dann 
                Schwierigkeiten, solche Kategorien wie etwa "Moral" überzeugend 
                an eine differenzierte kapitalistische Realität anzubinden (110). Henri Lefebvre's Schriften sind 
                eher als "kulturkritisch" einzustufen. Er begrenzt das 
                Alltagsleben auf den Bereich "Vermittlung von Natur und 
                Gesellschaft", d.h. er grenzt die rein gesellschaftlichen 
                alltäglichen Tätigkeiten aus. Wie das Gegensatzpaar "NaturGesellschaft" 
                schon vermuten läßt, geht es bei ihm insbesondere um den 
                Tatbestand der "Entfremdung", was uns aber nicht weiterhilft, 
                wenn wir wissen wollen, wie das bürgerliche Individuum aus 
                diesen Verhältnissen seine ganz persönliche Biographie 
                verfertigt (111). Lucien Seve versteht sich als 
                marxistischer Philosoph und bemüht sich als solcher um eine 
                "Theorie der Persönlichkeit". Er geht davon aus, daß im 
                Marxschen "Kapital" handelnde Menschen nicht vorkommen, weil er 
                den Begriff der Charaktermaske lediglich als 
                theoretische Kategorie versteht, als eine bloß theoretische 
                Konstruktion. Damit ist ihm m.E. der Weg verbaut, das 
                bürgerliche Individuum als Schnittpunkt verschiedener realer 
                Abstraktionen auf der Grundlage von Marx einzugrenzen. Seine 
                prinzipiell richtige Forderung nach einer materialistischen 
                Psychologie tritt bei ihm an die Stelle einer Ableitung der 
                verschiedenen Bestimmungen, aus denen das bürgerliche Individuum 
                "zusammengesetzt" ist (l 12). Trotz dieser Kritik sind diese 
                Schriften mit Gewinn zu lesen. Insbesondere Agnes Heller kommt 
                das Verdienst zu, alle relevanten Aussagen von Marx über 
                Bedürfnisse, Gefühle, Charakter, Alltag etc. zusammengetragen zu 
                haben. Zudem stammen von ihr überzeugende Kritiken an den 
                Äußerungen bürgerlicher Autoren zu diesen Gegenständen. Eine 
                genauere Auseinandersetzung mit diesen Autorinnen würde jedoch 
                die hier lediglich geplante Skizze der Problematik einer 
                materialistischen Theorie des bürgerlichen Individuums sprengen. 
                Zu dieser Skizze gehört allerdings die Erwähnung derjenigen 
                sozialwissenschaftlichen Theorien, die beanspruchen, den 
                Problemen von Alltagsleben und Alltagswissen weitaus näher 
                gekommen zu sein als die Marxisten. Neben Bourdieus 
                Habitus-Theorie sind dies die Theorien der "Lebenswelten" und 
                die "Ethnomethodologie". Die zwei 
                Welten des Individuums Bei Marx heißt 
                es: "Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen 
                sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, 
                sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und 
                überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter 
                lastet wie ein Alp auf dem Gehirn der Lebenden". "Auf den 
                verschiedenen Formen des Eigentums, auf den sozialen 
                Existenzbedingungen erhebt sich ein ganzer Überbau verschiedener 
                und eigentümlicher Empfindungen, Illusionen, Denkweisen und 
                Lebensanschauungen. (...) Das einzelne Individuum, dem sie durch 
                Tradition und Erziehung zufließen, kann sich einbilden, daß sie 
                die eigentlichen Bestimmungsgründe und der Ausgangspunkt seines 
                Handelns bilden." (113) Marx benennt also 
                zwei Welten, die den Individuen vorgegeben sind, in die sie 
                hineingeboren werden: 1. Die sozialen Existenzbedingungen und 2. 
                Die bereitsvorhandenen Deutungsmuster. Wie eignet sich die Einzelnen diese 
                beiden Welten an? Betrachtet man die "sichtbare" Tätigkeit der 
                Menschen, ihre Lebenstätigkeit als Ganzes (Arbeitswelt, 
                Privatwelt etc.), so lassen sich bestimmte Regelmäßigkeiten 
                hinsichtlich des alltäglichen Lebensablaufes feststellen und 
                außerdem lassen sich hinsichtlich der Interpretation der 
                Verhältnisse überindividuelle Muster nachweisen.
 Es muß gleich 
                etwas hinzugefügt werden: diese Regelmäßigkeiten und 
                überindividuellen Muster haben in jeder Epoche und sogar 
                innerhalb der Epochen jeweils verschiedene Inhalte und 
                wenigstens ein Teil der Inhalte ist auch an bestimmte 
                "Schichtzugehörigkeiten" gebunden. Die Menschen werden also in 
                eine fertige Welt hineingeboren, und diese Welt besteht nicht 
                nur aus Sachen, sondern auch aus bereits fertigen Deutungen, 
                Bedeutungen, Weltbildern usw. Der Einzelne muß sich beides 
                aneignen, wenn er überleben will und er eignet sich die Welt der 
                Sachen zunächst mittels der fertig vorgefundenen Deutungsmuster 
                an. Die Welt der Sachen und der zwischenmenschlichen 
                Kommunikation ist seine praktische Welt, Gegenstand seiner 
                praktischen Handlungen, zu denen er zwecks eigener Reproduktion 
                gezwungen ist. Die Welt der Deutungen erschließt er sich im 
                praktischen Umgang aber als denkendes Wesen. Damit ist gesagt, 
                daß der Einzelne (bzw. die Einzelne) den umlaufenden Deutungen 
                seinen (ihren) Sinn unterlegen und sie daher modifizieren kann. 
                Es fragt sich nun, wie aus dem kollektiven (Durchschnitts-) Sinn 
                ein persönlicher Sinn wird? Dem einzelnen Individuum fließt der 
                kollektive Sinn auf verschiedenen Wegen zu. Zunächst ist hier 
                seine unmittelbare Umgebung zu nennen. Das sind normalerweise 
                der familiäre Haushalt und sodann die jeweils etwas entfernteren 
                Personen oder Personengrup-pen in seiner Umgebung: das "Milieu", 
                das Dorf, die Siedlung etc. Agnes Heller bezeichnet diesen 
                Bereich als einen der face-to-face-Beziehungen. Jede dieser 
                Gruppen der untersten Ebene pflegt innerhalb der kollektiven 
                Deutungsmuster bestimmte Sonderinterpretationen, z.B. bestimmte 
                Auffassung der Familie über Sexualität. Die empirische 
                Betrachtung zeigt, daß der Einfluß dieser face-to-face-Gruppen 
                tendenziell abnimmt. Eine wachsende Bedeutung haben hingegen die 
                entfernteren "Institutionen" der Vermittlung der kollektiven 
                Deutungen, z.B. Schule, Betrieb oder - noch entfernter -die 
                Massenkommunikationsmittel. Auf die genannte Weise erfolgt bei 
                den Einzelnen eine spezifische psychische Strukturbildung (z.B. 
                Erlebnisfähigkeit), sodann die Vermittlung dessen, was man mtf 
                Bourdieu "Klassenethos" (Klassen im Sinn von "Schicht" oder 
                "Milieu") nennen könnte und schließlich die Vermittlung dessen, 
                was in der Gesellschaft "Konsens" ist, d.h. was sich mittels 
                gesellschaftlicher Auseinandersetzungen als durchschnittlich 
                "üblich" herausgebildet hat und auch als Macht interpretiert 
                werden kann (114). Gerade der 
                letztgenannte Aspekt fallt beiden phänomenologisehen Ansätzen 
                heraus. Alle diese Werte, Normen, Wertungen, Traditionen etc. 
                werden vom Individuum also zu seinem ganz persönlichen Sinn 
                "synthetisiert" und machen zusammen mit seiner praktischen 
                Stellung in der Gesellschaft seine einmalige, einzigartige und 
                unwiederholbare Biographie aus. Genauer gesagt: Das Individuum 
                setzt sich unter Berücksichtigung seiner Stellung in der 
                gesellschaftlichen und betrieblichen Arbeitsteilung, in der 
                "Familie", im "Viertel" etc. und unter Hinzuziehung seiner 
                persönlichen Interpretationen ein Lebensziel. Sich ein 
                Lebensziel setzen, heißt aber etwas denkend antizipieren, etwas 
                in der Zukunft erst Eintretendes am Maßstab der gegenwärtigen 
                Deutungen beurteilen. Etwas erkennen, bedeutet die Fähigkeit, 
                intra- und intersubjektiv die Wirkungen von Ursachen als Zwecke 
                vorwegzunehmen, somit selbst Zwecke zu setzen und die Ursachen 
                als Mittel zur Verwirklichung dieser Zwecke einzusetzen. 
                Zwischen den Individuen ermöglicht die Sprache eine 
                Verständigung über Zwecksetzungen und daher z.B. Arbeitsteilung 
                und Kooperation. Die Fähigkeit, 
                erst in Zukunft Eintretendes oder in der Vergangenheit schon 
                Zurückliegendes in der Gegenwart präsent zu haben, ist 
                wesentlicher Ausweis des Vorhandenseins von Bewußtsein. Der 
                absichtsvolle Vorgriff auf die Zukunft bzw. der Rückgriff auf 
                die Vergangenheit ist die Voraussetzung für eine einsichtige 
                Zwecksetzung. Entgegen allen ethologi-schen und psychologischen 
                Lerntheorien, entgegen allen dort so beliebten 
                Mensch-Tier-Gleichsetzungen, bleibt daher richtig, was Marx im 
                Zusammenhang mit dem Arbeitsprozeß schrieb: "Eine Spinne 
                verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine 
                Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen 
                menschlichen Baumeister. Was aber von vorneherein den 
                schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, 
                daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in 
                Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat 
                heraus, das bei Beginn desselben schon in der Vorstellung des 
                Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht, daß er nur 
                eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt, er verwirklicht im 
                Natürlichen zugleich seinen Zweck ..." (115)  Individuelle 
                Strategien beinhalten daher die Absicht im Falle eines 
                Ereignisses, dieses in einer ganz bestimmten Weise mit dem 
                persönlichen Lebenskonzept zu verbinden. Diese vorweggenommene 
                Ordnung in den eigenen Handlungsmotiven, die Existenz also einer 
                Hierarchie von "Wichtig" und "Unwichtig", führt notwendig dazu, 
                daß zwei Personen in einer (für einen externen Beobachter) exakt 
                gleichen Situation völlig unterschiedlich "reagieren". Handele 
                es sich nun um eine Kündigung, eine private Angelegenheit, ein 
                politisches Ereignis oder um was auch immer, - das jeweils 
                gefällte Urteil relativiert sich nicht nur an einer eventuell "meßbaren" 
                persönlichen Betroffenheit, sondern vor allem an dem 
                Stellenwert, den der Einzelne diesem Ereignis im Kontext seiner 
                persönlichen Strategie beimißt. Das menschliche 
                Individuum ist also in der Lage, in der Zukunft erst eintretende 
                oder in der Vergangenheit schon eingetretene Diskrepanzen 
                zwischen seinen Wünschen und den Normen der Gesellschaft sich zu 
                vergegenwärtiqen und kann deshalb die Verwirklichung seiner 
                Bedürfnisse bewußt verfolgen, sei es in Rücksicht auf 
                übergeordnete Normen, sei es im Vergleich oder gemeinsam mit 
                anderen Subjekten. Handeln ist daher erstens an einen 
                subjektiven Zweck und - als soziales Handeln - an 
                Handlungspartner bzw. Normen, Diskurse etc. gebunden. Da wir 
                unterstellen, daß die Menschen ihre Geschichte zwar nicht aus 
                freien Stücken, aber doch selbst machen, kann man dies nun 
                dahingehend konkretisieren, daß auch Einzelne in ihrem Handeln 
                als Mitglied der Gesellschaft dieser gegenüber relativ autonom 
                sind, mittels persönlichen Deutungsweisen ihre eigene Tätigkeit 
                selbst strukturieren und dadurch auf die Gesellschaft einwirken. 
                Ihre Sinndeutungen und Strategien sind Moment der 
                gesellschaftlichen Alltagspraxis und bestimmen (im Gegensatz zu 
                den strukturalistischen Theorien) auch den herrschenden Diskurs. 
                Die "Lebenswelt" der Einzelnen konstituiert Realität. 
                Andererseits muß gegen die Lebenswelttheoretiker betont werden, 
                daß die Lebensentwürfe, wie auch die "Kommunikation" (das 
                Konkurrenzhandeln!) weder alleine noch beliebig Realität 
                schaffen. Die Aneignung der kollektiven Deutungsmuster zu 
                persönlichen Bedeutungen ist immer Aneignung von 
                Verdinglichungen. "Das Alltagsleben ist die Gesamtheit der 
                Tätigkeit der Individuen zu ihrer Reproduktion, welche jeweils 
                die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Reproduktion schaffen. 
                (...) Die Reproduktion des Einzelnen ist die Reproduktion des 
                konkret Einzelnen: eines Einzelnen, der in einer bestimmten 
                Gesellschaft einen bestimmten Platz innerhalb der 
                gesellschaftlichen Arbeitsteilung einnimmt." (116) Im pragmatischen 
                Alltagsleben und im praktischen Alltagsverkehr kann das 
                bürgerliche Individuum sich immer nur so reproduzieren, daß ihm 
                seine gesellschaftlichen Kräfte als fremde und sachliche Kräfte 
                wieder gegenüberstehen. Der Mystifikation der eigenen 
                Partikularität entspricht die Mystifikation der Gesellschaft als 
                eine dem Indidivuum äußere Macht. Das auf allen Stufen (privater 
                Haushalt, Gemeinde, Nation) dennoch anzutreffende "Wir-Bewußtsein" 
                (117) ist nicht weniger mystisch, denn dieses "Wir" ist 
                ideologischer Natur. Obgleich sich in ihm das Bewußtsein 
                ausdrückt, daß sich der Einzelne nur als Mitglied der 
                Gesellschaft reproduzieren kann ist dieses "Wir" aufgesetzt, 
                denn es handelt sich gerade nicht um eine vernünftige gemeinsame 
                Aktion. Die Gemeinsamkeit 
                stellt sich vielmehr als Konkurrenzkampf, als Kampf gegen andere 
                dar. Die Analyse des Alltagslebens kann deswegen nur dessen 
                Kritik sein. Zu Recht hat daher Bernd Waldenfels darauf 
                hingewiesen, daß die ungeschichtliche Methodik der 
                Phänomenologie den unentfremdeten Menschen weder denkt noch 
                denken kann. Hans-Georg Brose bezeichnet die Einzigartigkeit der 
                Biographie als "Erfahrungszusammenhang" und zugleich als "Grenze 
                der Erfahrung" (118). Diese Grenzen ergeben sich aus der 
                spezifischen Art der Verknüpfung der im eigenen 
                Lebenszusammenhang gemachten begrenzten Erfahrungen und der 
                biographischen Prägung des Relevanzsystems. In diesem 
                Lebenszusammenhang werden jedoch, gesellschaftlich gesehen, 
                falsche Erfahrungen gemacht, z.B. die, daß es das Kapital ist, 
                das die Produktivkräfte steigert. Die Verknüpfung dieser 
                Erfahrungen mit dem eigenen Relevanzsystem führt spontan zu 
                einer Relativierung der eigenen Relevanzen an historisch und 
                sozial vorgegebenen Verhältnissen, an Typisierungen und 
                institutionalisierten Handlungsabläufen, die fertig vorgefunden 
                werden und undurchschaut sind Anmerkungen (98) Der 
                beschränkten Genußfähigkeit stellt eine auf Ausdehnung der 
                Genüsse /ielende Technik gegenüber So kommt es. daß auf 
                SuperStereoanlagen die ab-scheulichöte Musik gehört wird! Auf 
                die Gemütsverfassung bürgerlicher Individuen läßt sidi auch aus 
                dem Design der Waren schließen. z. H. aus dem 
                "Bürgerkriegs-Design" der modischen Jeeps mit Namen wie 
                "Samurai". "Trooper" oder "Pctrol". aus dem "Survival-Design" 
                der HipHop-Mode, aus dem "RisikoDesign" von High-Tech-FahrrSdem. 
                Fest verankerte Glücksvorstellungen, verbunden mit 
                Distink-tionsgewinn. drückt das Design mancher Küchen ebenso 
                aus, wie die Kreation neuer Parfüms, deren Duft "Echtheit" 
                und/oder "Exotik" verströmen lassen soll. Bei der Vermittlung 
                solcher Ssthetischen Sinnstit-tungsmuster ins alltägliche Leben 
                hat die Werbung heute eine Funktion übernommen, die früher der 
                Kunst vorbehalten war. Statt auf Produktbeschreibung, wie in den 
                Anfängen, konzentriert sich die Werbung längst auf den 
                psychologischen Zusatznutzen, den "Sinn" der Ware, den sie an 
                die Zeichen der Ware bindet Diese Konstruktion neuer 
                Wirklichkeiten durch Reklame vergleichen Adomo/Horkheimer mit 
                der totalitären Parole. Das Bedürfnis nach dieser Parole 
                resultiert jedoch aus den I,ebensbedingungen der Individuen 
                selbst. Die Werbung spricht nur aus. strukturiert es und bezieht 
                es auf Produkte bestimmter Firmen(99) Es wäre auch wichtig, die Anziehungskraft des 
                Individualitätsmodells der westlichen Metropolen auf den Osten 
                (vgl. hierzu: Jacob. G :"Der Trabi - Eine Fallstudie", in: 
                Unterhaltung. Heft 1) und die "Dritte Welt" zu untersuchen 
                (regen das IVinzip der abstrakten Subjektivität der Moderne und 
                dessen imperialistische Globalisierung setzoi z. B. islamische 
                Fundamentalisten auf einen religiös-reaktionären, 
                antiindividualistischen Kollektivismus und auf die Verkopplung 
                von Wissens-Sphäre und Glaubens-Sphäre.
 (100) s. Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Frankfurt 1982. S. 
                754.
 (101) s. Bourdieu, Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt 
                1983, S. 128.
 (102) ebd.. S. 134.
 (103) ebd., S. 143.
 (104) ebd. S. 53.
 (105) Bourdieu. Unterschiede. S.248
 (106) Boudieu, Soziologie. S.60 .
 (107) ebd.. S. 70.
 (108) ebd., S. 74.
 (109) vgl. Bourdieu , Sozialer Kaum und Klassen. Frankfurt 1985, 
                S. 42ff und 125ff und Heller. Theorie der Gefühle, Hamburg 1980, 
                S. 36ff und 327ff.
 (110) s. Heller , Das Alltagsleben. Frankfurt 1978 , S. 19 und 
                S. 118ff.
 (111) s. Lefebvre, Das Alltagsleben in der modernen Weh, 
                Frankfurt 1972 und die Kritik bei Hartmann. D., Leben als 
                Sabotage, Tübingen 1981, S.77
 (112) vgl. Seve, Marxismus und Theorie der Persönlichkeit, 
                Frankfurt 1972.
 (113) s. MEW 8, S. 115 und 139.
 (114) vgl. Giddens, Die Klassenstruktur fortgeschrittener 
                Gesellschaften, Frankfurt 1979, S. 38.
 (115) vgl. Marx, Kapital I, S. 193
 (116) s. Heller. Das Alltagsleben, Frankfurt 1978, S.25
 (l 17) ebenda, S.34
 (118) vgl. Brose, Zum berufsbiographischen Erwerb von 
                Handlungsmustem bei Industriearbeitern, Opladen 1983, S. 13
 
                
                Editorische Anmerkungen Der vorliegende Text erschien 
    in der Hannoveranischen Zeitschrift SPEZIAL links & radikal, Nr. 95, 
    1993, S. 29ff, OCR-Scan by red. trendDie SPEZIAL-Säzzer schreiben in dieser Ausgabe als Anmerkung:
 Wir setzen an dieser Stelle den (in diesem Abschnitt 
                ungekürzten) Abdruck der längeren Arbeit von Günther Jacob aus 
                Hamburg „ Zur Theorie des bürgerlichen Individuums bei Marx" 
                fort. In diesem 8. Teil - es werden noch andere folgen - befasst 
                sich G. Jacob zunächst weiterhin mit den Auswirkungen der 
                Verdinglichung auf die 'Gefühlswelt' des bürgerlichen 
                Individuums. Daran anschließend wendet er sich 
                der Frage zu, wie sich das einzelne 
                Individuum aus den umlaufenden Deutungen seinen 'persönlichen 
                Sinn' heraussucht und dazu kommt, eine 'Lebensstrategie' zu 
                entwerfen. Am Ende dieser Folge untersucht G. Jacob als zentrale 
                Determinanten die zwei Welten des Individuums: Seine sozialen 
                Existenzbedingungen sowie die bereits vorhandenen 
                Deutungsmuster. Wir danken der Zeitschrift 17°C für 
                die Genehmigung zum Abdruck. |