„Man setzt der
Finsternis ein Ende und durchforscht
bis zur äußersten Grenze das Gestein der Dunkelheit
und Finsternis.“
Hiob, 28,3
Als der
Bürgermeister des Stadtbezirks Steglitz-Zehlendorf von Berlin
Norbert Kopp (CDU) im Sommer 2008 auf einer Anti-NPD-Kundgebung
unter dem Motto „Kein Platz für Nazis in Steglitz-Zehlendorf“
eine ebenso klarsichtige wie leidenschaftliche Rede gegen den
Aufbau eines nazistischen Schulungszentrum in einer Zehlendorfer
Villa hielt und sodann sein ganzes Amt in die Waagschale warf,
diesem gemeingefährlichen Spuk ein Ende zu bereiten, ahnte er
noch nicht, dass er im Herbst ebenso engagiert wird vorgehen
müssen, dieses Mal jedoch nicht gegen einen Täter, sondern für
ein Opfer. Es ging um meine versorgungsbedürftige Mutter Dora
Dick, verfolgte Jüdin und aktive Widerstandskämpferin, Trägerin
der „Medaille der Kämpfer gegen den Faschismus 1933 – 1945“,
wohnhaft in dem von ihm geleiteten Stadtbezirk, die einzig und
allein auf Grund ihres hohen Alters massiv in Bedrängnis geraten
war. In einem „Offenen Brief an die Träger der
Anti-NPD-Demonstration vom 19. Juli 2008 in Steglitz-Zehlendorf“
ersuchte ich die Organisatoren dieser Manifestation für
Antifaschismus und Demokratie um einen wirksamen Schutz für
meine Mutter vor jahrelangen Diskriminierungen und Repressionen
seitens einer Gruppe von Mitarbeiterinnen des Bezirksamtes
Steglitz-Zehlendorf von Berlin.
Und der
Bezirksbürgermeister ging engagiert vor, instruierte seine
Mitarbeiter, initiierte kurzerhand ein ordentliches
Petitionsverfahren unter dem Titel „Sicherstellung der Pflege
von Frau Dora Dick“. Das traumatisch erlebte Geschehen der
Jahre 2002 bis 2008, dokumentiert in einer Petitionsschrift
unter dem Titel „Die zweite Verfolgung“, wurde Gegenstand dieses
Verfahrens. Die Besonderheit dieses gesetzlichen Verfahrens: In
seinem Nachgang kam es ganz offenbar zu heftigen politischen
Auseinandersetzungen innerhalb der Administration, eine Folge,
die wir, meine Mutter und ich, mit unserer Initiative ganz
bewusst angestrebt hatten. Der persönliche Beauftragte des
OSZE-Vorsitzenden für die Bekämpfung des Antisemitismus in
Europa Prof. Gert Weisskirchen (SPD) schaltete sich ein,
solidarisierte sich mit uns, unterstützte den längst überfällig
gewordenen politischen Klärungsprozess im System der Verwaltung.
Im Ergebnis all dessen wurde als erste Maßnahme dekretiert, die
für die Versorgung meiner Mutter zuständige Referentin der
Abteilung Soziales, Angehörige jener Gruppe, gegen einen
professionell arbeitenden, offenen, feinfühligen und auf der
Höhe der politischen Aufgaben stehenden Mitarbeiter
auszuwechseln. Der Bann war gebrochen. Eine Ära gelingender
Kooperation auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen und
strikter Anwendung des Gesetzes über die Anerkennung und
Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des
Nationalsozialismus setzte ein. Im Juli 2009 schließlich wurden
seitens dieser staatlichen Dienststelle unbürokratisch,
fachgerecht und großzügig alle beantragten
Versorgungsleistungen gemäß ermittelter Bedarfsplanung gewährt.
Gegenwärtig ist die Bewilligung weiterer Leistungen, die sich
nach Prüfung inzwischen als erforderlich erwiesen haben, in
Vorbereitung. Seit September 2009 erweiterte sich diese
Kooperation nach und nach zu einer ständigen Beratung meiner
Mutter in allen die Versorgung und Pflege berührenden Fragen
seitens dieses verantwortungsbewusst arbeitenden
Sozialreferenten des Bezirksamtes.
Das Bezirksamt
Steglitz-Zehlendorf von Berlin ergriff couragiert die ihm
zukommende Rolle als Schutzmacht für eine Überlebende des
Holocaust.
Wir, meine
Mutter und ich, bringen diesem vereinten Einsatz aller
gesellschaftlichen Kräfte des Bezirkes unsere ganze Hochachtung
und Bewunderung entgegen. Wir möchten uns auf diesem Wege bei
allen Beteiligten dieser einzigartigen Rettung bedanken – beim
Bezirksbürgermeister des Stadtbezirks Steglitz-Zehlendorf von
Berlin Norbert Kopp, beim verantwortlichen Sozialstadtrat
Norbert Schmidt, bei allen beteiligten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Bezirksamtes, beim persönlichen Beauftragten
des OSZE-Vorsitzenden für die Bekämpfung des Antisemitismus
Prof. Gert Weisskirchen. Wir bedanken uns außerdem bei allen
demokratischen Parteien und Organisationen des Bezirks, bei den
zahlreichen antifaschistischen Gruppen und Initiativen sowie
beim Vorstand der Berliner VVN-BdA – sie alle haben
interveniert, haben sich für die Sicherstellung der materiellen
Voraussetzungen des Überlebens einer Überlebenden stark gemacht.
Unser Dank gilt nicht zuletzt auch der Redaktion von „trend
Onlinezeitung“, die über einen Zeitraum von über einem Jahr den
Auseinandersetzungsprozess für den Schutz einer Verfolgten des
Naziregimes beharrlich begleitete und in die Öffentlichkeit
trug. Wir danken auch der Redaktion von „scharf-links“, einer
weiteren Onlinezeitung, sowie dem Publizisten und Journalisten
Peter Nowak für jahrelanges individuelles Engagement voller
Hilfsbereitschaft.
Editorische
Anmerkungen
Wir
erhielten den Artikel und das
Titelbild von den AutorInnen
zur Veröffentlichung.
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