Editorial
End- und Wendepunkte

Von
Karl Mueller

12/07

trend
onlinezeitung

Wir waren entsetzt, als wir von der reaktionären ver.di-Broschüre zum Thema Finanzkapital hörten. Da kam die Kritik der "Finanzkapital AG beim ver.di-Bezirk Stuttgart" gerade rechtzeitig Ende November bei uns rein, und so konnten wir auf eine eigene Kritik verzichten, denn wie heißt es im AG-Text über die ver.di-Broschüre:

"Denn dieses äußerst stammtischkompatible Bild bedient die verbreitete Stimmung, wonach „wir alle“ von einigen wenigen Gierigen, die „uns“ belügen und betrügen, übers Ohr gehauen werden. Es ist unübersehbar, wie sich diese einfältige und hochgefährliche „Welterklärung“ in immer mehr Köpfen einnistet. Sie gebiert heute schon (wieder!) den Ruf nach dem starken Mann, der endlich „damit aufräumt“. Das Heuschreckenbild bedient dieses plumpe Weltbild geradezu ideal."

Richtig, überall da, wo mit Angst Politik gemacht wird, d.h. an das Gefühl und nicht an den Verstand appelliert wird, werden die Schnittstellen für Verschwörungstheorien eingerichtet. Es ist bitter, wenn vermeintliche Linke, wie etwa die Herausgeber der Zeitschrift Sozialismus, meinen diese ver.di-Broschüre empfehlen zu müssen.

Dass die Elsässer - oder wie sie heißen mögen - relativ erfolgreich  ihre einfältige und hochgefährliche „Welterklärung“  im linken Spektrum loswerden können, selbst wenn sie ihren Mist auch für Geld bei Reaktionären erzählen (Jürgen Elsässer & die Preußische Gesellschaft), ist zuvorderst nicht ihr Verdienst, sondern beruht leider auf der Tatsache, dass das Alltagsdenken kompatibel zu ihren Wirklichkeitsverdrehungen ist. Deshalb fordert Gramsci zu Recht vom Marxismus:

"Eine Philosophie der Praxis kann zunächst nur polemisch und kritisch auftreten, als Überwindung früherer Denkweisen und des bestehenden konkreten Denkens (oder der bestehenden kulturellen Welt)."

Schauen wir uns unter diesem Gesichtspunkt Sascha Stanicic "Lehren des Roten Oktober" an, so vermissen wir genau diesen kritischen Impetus. Mit seiner Vergleichung "Die Politik der Menschewiki und des rechten Flügels der Bolschewiki findet heute ihre Entsprechung in der Politik der Koalitionsregierungen mit bürgerlich-kapitalistischen Parteien, wie sie von "linken" und "sozialistischen" Parteien in vielen Ländern verfolgt werden erscheint er zwar ausgesprochen polemisch, doch es werden bei ihm - um mit Engels zu sprechen - nur deshalb Schuhbürsten mit Igeln verglichen, weil beide Stacheln haben. Hier ist mechanistisches Denken an Stelle von materialistisch-dialektischer Analyse heutiger Reformpolitik unter Berücksichtung völlig anderer Klassen- und Interessensverhältnisse sowie herrschender Weltanschauungen am Werke.  So jedenfalls wird bestehendes konkretes Denken durch linke Agitation und Propaganda nicht überwunden, sondern findet sein mutmaßliches Ende im Gedächtnisspeicher Internet.

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Wenn sich Silke Studzinsky als Rechtsanwältin mit dem gegenwärtigen strukturellen Wandel in der Verbrechensbekämpfung befasst, dann haben wir es genau mit dem Teil des Staatsapparates zu tun, den Revolutionäre, die in der Denktradition der russischen Revolution zurückgeblieben sind, zu gern im Visier haben, wenn es um die Aufhebung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft geht. Diese Kommandohöhe muss wie weiland Winterpalais und Fernmeldeamt genommen werden, um die Diktatur des Proletariats zu errichten, denn nur ihre Inbesitznahme garantiert einen erfolgreichen Weg zum Kommunismus. Doch was soll das für eine Klassenherrschaft der Mehrheit über die Minderheit sein, die für die Aufhebung ihrer und aller Herrschaft, solche Apparate braucht? Auch wenn sie dann KGB oder Stasi heißen.

Das Scheitern dieses Weges - gern als Wende bezeichnet - ist seit 1989 eine unwiderlegbar Tatsache. Und aktuelle Berichte aus verbliebenen so genannten sozialistischen Staaten sind nur noch gruselig. Aber ebenso unwiderlegbar ist die Tatsache, dass diese historische Entwicklung ein Vakuum im linken Denken hinterlassen hat, wenn es um die Beantwortung der strategischen Frage nach der Errichtung der klassenlosen Gesellschaft geht. Daher soll es auf dem  Um’s Ganze Kongress auch darum gehen, "eine Diskussion darüber ermöglichen, wie die vorgefundenen Verhältnisse bestimmt werden können und wo sich konkrete Möglichkeiten der Intervention ergeben". Zu diesem Anspruch gibt es eine relevante Kritik, die wir in vorliegenden Ausgabe noch rechtzeitig vor Kongressbeginn veröffentlichen können.

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Vor 20 Jahren kämpften die ArbeiterInnen von Duisburg-Rheinhausen um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Sie mussten dabei nicht nur erfahren, wie eng Ökonomie und Politik gegen ihre verzahnt  waren, sondern auch dass der Kampf gegen solche Strukturen in den inhaltlichen und organisatorischen Latschen des ausgetretenen politischen Marxismus nicht erfolgreich geführt werden kann. Das von uns vorgelegte Material, widerspiegelt genau diese Zusammenhang, wenn darin  heißt:

"Die Stahlarbeiter von Rheinhausen haben mit ihrem Kampf Geschichte gemacht, auf den sich auch spätere Belegschaften bezogen haben, bei Zechenschließung im Aachener Revier , beim Kampf um den Erhalt der Kaligrube im thüringischen Bischofferode und zuletzt beim Streik der Opel-Belegschaft. Straßenblockaden gehören seit Rheinhausen zum Arsenal der Kampfmittel in Arbeitskämpfen. Aber nirgends wurde seither ein vergleichbares Niveau eines Kampfes erreicht. Historisch betrachtet war Rheinhausen nicht nur Höhepunkt, sondern auch End- und Wendepunkt der aufsteigenden Linie von betrieblichen Kämpfen der 70er und 80er Jahre."

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