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20 Jahre TREND Onlinezeitung

 Ein Veranstaltungswochenende über Programm und Politik


Sonntag, der 31.1.2016 um 14 – 16 Uhr

Guenther Sandleben
 

Aktuelle Konjunktur- und Krisentheorien – ein kritischer Überblick
 

Berlin 2016

[Basispapier zum Vortrag]

Der kritische Überblick thematisiert zunächst das neoklassische und das keynesianische Krisenverständnis. Danach werden Aspekte der Marxschen Krisentheorie erwähnt, um anzudeuten, in welchem Umfang heutige Analysen hinter Erkenntnissen zurückfallen, die längst gemacht worden sind. Statt das Wissen über Krisen vermehrt zu haben, ist in der Geschichte der Krisentheorie ein Niedergang festzustellen. Das gilt auch für linke Krisentheorien. Dazu zählen die linkskeynesianische Unterkonsumtionstheorie und die Theorie vom finanzmarktgetriebenen Kapitalismus. Im Anschluss an die Theorie der Memorandum-Gruppe werden die Krisenerklärung des staatsmonopolistischen Kapitalismus von Lucas Zeise und die Beiträge von Michael Heinrich und von der Krisis-Gruppe analysiert. Zum Schluss sollen die gängigen linken Krisentheorien mit den Krisenauffassungen des bürgerlichen Mainstreams verglichen werden.

Eine der Thesen lautet: Die Finanzmarktkapitalismus-Theorie (FMK-Theorie) steckt in einer tiefen Krise. Einerseits handelt es sich um eine Krise der Theorie selbst, die durch ihren Eklektizismus, durch ihre Oberflächlichkeit und durch das Ausblenden kapitalistischer Kernprozesse nicht in der Lage ist, die zyklischen Wirtschaftskrisen zu erklären. Andererseits offenbart die jüngste Wirtschaftsentwicklung alles andere nur keine Hegemonie des Finanzsektors über die “Realökonomie”.

Die große Wirtschaftskrise von 2008/09 hat nur für kurze Zeit das Interesse an einem tieferen Verständnis der zyklischen Krisen geweckt. Professoren der Ökonomie reagierten zunächst mit dem Eingeständnis, die Grundlagen der Wirtschaftstheorie seien fragwürdig und müssten überprüft werden, um auf diese Weise Krisen endlich erklären zu können. Andere wiederum meinten, in der keynesianischen Theorie schon eine zufriedenstellende Grundlage zur Erklärung der Krisensituation gefunden zu haben.

Mit der Stabilisierung des Weltmarktes seit Mitte 2009 sind die guten Absichten rasch verflogen. Alles geht weiter wie bisher. Die Lehre von der Harmonie und dem Gleichgewicht der Märkte dient nach wie vor dazu, Krisen als externe Schocks, als extern auftretende, zufällige Ereignisse zu verharmlosen.

Die linksorientierte Krisendiskussion fällt kaum weniger enttäuschend aus. Schon lange vor der großen Krise geriet sie in eine theoretische Sackgasse, als sie die Erkenntnisse der 1970er Jahre über Bord warf und mehr und mehr die Ursachen für das Krisengeschehen jenseits der kapitalistischen Warenproduktion suchte, vor allem in den angeblich neuen Entwicklungstendenzen auf den Finanzmärkten. Die Theorie vom „finanzmarktgetriebenen Kapitalismus“ lief auf die Vorstellung hinaus, dass eine weitgehend intakte Produktionswirtschaft durch die Macht und den Verwertungszwang der Finanzmärkte in eine Krise gestürzt werde.

Inzwischen ist es um diese Theorie auffällig still geworden, ohne dass erkennbar wäre, dass die Verfechter der Finanzmarktkapitalismus-Theorie (FMK-Theorie) ihre theoretischen Grundlagen überprüfen würden. Anläufe zur Aufarbeitung der gemachten Fehler sind nicht auszumachen.

Die FMK-Theorie steckt in einer tiefen Krise. Einerseits handelt es sich um eine Krise der Theorie selbst, die durch ihren Eklektizismus, durch ihre Oberflächlichkeit und durch das Ausblenden kapitalistischer Kernprozesse nicht in der Lage ist, die zyklischen Wirtschaftskrisen zu erklären. Andererseits hat die jüngste Wirtschaftsentwicklung der FMK-Theorie einen üblen Streich gespielt: Die Zinsen sind gesunken, teilweise gibt es Strafzinsen, so dass sich die These von der beherrschenden Rolle des Zinses und der Kapitaleigentümer von selbst erledigt hat. Auch von einer besonderen Macht der Banken kann keine Rede sein, wenn hohe Geldstrafen für Zinsmanipulationen und für andere Vergehen zu schweren Verlusten führen und zudem schlecht laufende Geschäfte die Bilanzen belasten. Vorstellungen, Banken würden die Industrie durch Kreditverweigerung erpressen, sind angesichts der Kreditschwemme geradezu widersinnig.

Den vollständigen Aufsatz als PdF-Datei lesen.

Erstveröffentlicht auf der Homepage des Autors