Ein Präsident zu viel

von
Bernard Schmid

01/11

trend
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Die innenpolitische Situation in dem westafrikanischen Staat Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) bleibt derzeit vom Machtkampf zwischen dem „abgewählten, aber sich im Amt haltenden“ Präsidenten Laurent Gbagbo und „Gegenpräsident“ Alassane Ouattara geprägt. Dabei steht keiner der beiden Protagonisten - der Vertreter einer populistischen Agitation auf der einen Seite, der frühere Afrika-Direktor des IWF auf der anderen Seite - für Vernunft & soziale Emanzipation. Die westlichen Großmächte unterstützen dabei überwiegend Ouattara. Ob es ihm in naher Zukunft gelingen wird, den faktischen Amtsinhaber Gbagbo abzulösen, bleibt zur Stunden dennoch fraglich.

„Kann er durchhalten?“ fragt diese Woche das französisch-afrikanische Wochenmagazin Jeune Afrique von seiner Titelseite. „Er“, das ist der ivorische Präsident Laurent Gbagbo, der mutmablich die Stichwahl um die Präsidentschaftswahl seines Landes – die von massiven Manipulationen auf beiden Seiten überschattet wurde – von Ende November verloren hat, aber sich seitdem im Amt hält.

Sein Herausforderer und Gegenpräsident Alassana Ouattara, dem die Nationale Wahlkommission - die mehrheitlich mit seinen Verbündeten besetzt war - einen Wahlsieg mit 54 Prozent der Stimmen zusprach, bleibt derzeit im ,Hôtel du Golf’ in der ivorischen Wirtschaftsmetropole Abidjan verschanzt. (Vgl. hier eine Reportage zu dem Ort mitsamt Photo.) Bei Zusammenstößen seiner, teilweise bewaffneten, Anhänger mit Polizei und Armee starben laut einem UN-Bericht vom vergangenen Donnerstag bis dahin 210 Menschen. Bislang flohen rund 23.000 Menschen aus der Côte d’Ivoire in die Nachbarländer, vor allem Liberia. 16.000 Personen flohen innerhalb des Landes. Dabei werden sowohl Ouattara-Anhänger von „präsidententreuen“ Milizen im Süden des Landes, als auch Gbagbo-Anhänger von bewaffneten Ouattara-treuen Gruppen im Norden zur Flucht gezwungen.

Laurent Gbagbo vertraut darauf, dass die Zeit für ihn arbeitet, sofern er an der Macht bleibt. Tatsächlich spricht die internationale Erfahrung dafür, dass der gesellschaftliche Protest gegen einen umstrittenen Wahlausgang in der Regel einige Wochen lang anhält, aber irgendwann in sich zusammenbricht, da sein Anlass sich zeitlich entfernt. Jedenfalls, sofern nicht neue Ereignisse – wie besonders empörende Unterdrückungsmabnahmen oder soziale Verteilungskonflikte – dem Protest neue Nahrung geben. Ferner scheint die Armeespitze bislang nicht gespalten, während viele Beobachter nach möglichen Fraktionierungen innerhalb des Militärs Ausschau hielten. Bislang jedenfalls scheint Gbagbo von dieser Seite her keine ernsthafte Gefahr zu drohen.

Auf der anderen Seite baut sein Herausforderer, Alassane Dramane Ouattara, längerfristig auf die Gewehrläufe auberhalb der ivorischen Armee. Das bedeutet einerseits: auf die realen Gewehrläufe der ,Forces Nouvelles’ (FN, „Neuen Kräfte“), die den Norden der Côte d’Ivoire seit acht Jahren faktisch beherrschen.  

Ouattara: gestützt auf Ex-Rebellen und „internationale Staatengemeinschaft“ 

Bei ihnen handelt es sich um die frühere Rebellenarmee, die aus dem gescheiterten Umsturzversuch vom September 2002 hervorging - und seit dem Abkommen von Marcoussis im Winter 2002/03 nördlich einer Waffenstillstandslinie ungefähr auf der Höhe des zentralivorischen Bouaké herrscht. Ihre Warlords schöpfen „Revolutionssteuern“ von der örtlichen Bevölkerung und vor allem an Strabensperren auf den Transportwegen ab – wobei sie noch erheblich weniger für öffentliche Infrastruktur wie etwa Schulen und Gesundheitsversorgung tun, als die korrupte  Staatsmacht im Süden - und investieren sie oft im Nachbarland Burkina-Faso. Letzteres, das seit 1987 durch den pro-französischen Autokraten Blaise Compaoré regiert wird, unterstützt mutmablich die FN massiv mit Waffen und Ausrüstung. Am 27. Oktober 2009 wurde Burkina-Faso deswegen in einem UN-Report gerügt, da theoretisch ein Waffenembargo über die Côte d’Ivoire verhängt wurde. Die FN, die als bewaffnete Ex-Rebellenarmee nicht zu den Wahlen antraten, unterstützen unter der Hand jedoch massiv Alassane Ouattara.

Auf der anderen Seite setzt Ouattara auch auf die bislang noch virtuellen Gewehrläufe der so genannten „internationalen Gemeinschaft“. Letztere zögert bislang noch, eine mögliche militärische Intervention in dem westafrikanischen Staat anzuordnen, da sie ein enormes Eskalationspotenzial in sich bergen würde. An ihre Adresse appellierte Alassane Ouattara in den ersten Januartagen, er könne sich eine „gewaltlos Kommandoaktion“ – ausgeführt von westafrikanischen Armeen – vorstellen, die darauf hinauslaufe, „Laurent Gbagbo zu entführen“. Dass eine solche derart strikt „gewaltlos“ bleiben könnte, darf freilich ernsthaft bezweifelt werden.

Frankreich hat bislang offiziell versichert, nicht militärisch einzugreifen. Allerdings meldete Alain Juppé, seit November 2010 neuer Verteidigungsminister in Paris (und früher Außen- und dann Premierminister in den Jahren 1993/95 respektive 1995/97), dabei einen wichtigen Vorbehalt an: „Falls unsere eigenen Staatsbürger in Gefahr wären“, könnte dennoch an ein Eingreifen der französischen Armee zu denken sein. In den vergangenen Jahrzehnten war der „Schutz französischer Staatsbürger“ jedoch sehr oft der Vorwand für Truppenentsendungen in afrikanische Länder. Begonnen beim Absprung der Fallschirmjäger über Kolwezi, im damaligen Zaire, 1978 bis zum militärischen Eingreifen in der ivorischen Metropole Abidjan im Herbst 2004.

Einstweilen hält Frankreich sich in dieser Richtung dennoch bedeckt, obwohl es das mit Abstand stärkste Kontingent innerhalb der UN-Truppe für die Côte d’Ivoire – MONUCI – stellt und dessen Strategie nicht unerheblich beeinflusst. Die UN-Truppe soll nach jüngsten Erklärungen der Zentrale der Vereinten Nationen in New York nun schnell um 1.000 bis 2.000 weitere Soldaten aufgestockt werden. Dennoch sähe Frankreich es lieber, falls etwa die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS eingriffe. Viele Nachbarstaaten der Côte d’Ivoire halten sich jedoch sehr bedeckt. In Frage kämen vor allem Nigeria – das etwa 2003 das führende Kontingent der westafrikanischen Truppe ECOMOG in Liberia stellte – und Burkina-Faso. Dabei ist jedoch, anders als in Liberia, keineswegs ausgemacht, dass eine solche Truppe die Gbagbo-treuen Teile der ivorischen Armee einfach besiegen könnte. Denn im reicheren Süden des Landes fände eine Eingreiftruppe kein von marodierenden Milizen geprägtes Chaos vor wie in Liberia oder Sierra Leone, sondern einen nach wie vor strukturierten Staat.

„Ethnizität“ als Spaltungsfaktor

Darüber hinaus weist de facto amtierende Präsident im christlich-animistischen Süden und Westen der Côte d’Ivoire noch einen beträchtlichen Rückhalt innerhalb der dort lebenden Bevölkerungsgruppen auf, obwohl es in diesen natürlich auch politische Opponenten gegen ihn gibt. Hingegen votieren das Zentrum, wo die Hochburg des Ex-Präsidenten Henri Konan Bédié – Staatschef von 1993 bis 1999 – liegt, und der muslimische Norden mehrheitlich für Alassane Ouattara.

Bédié und Ouattara hatten sich nach dem ersten Wahlgang um die ivorische Präsidentschaft, er am 31. Oktober 10 stattgefunden hatte und vier Wochen vor der Stichwahl lag, verbündet. Beide führten ihre jeweiligen Anhängergruppen zusammen, die jeweils zum Grobteil auf „ethnischer“ Basis rekrutiert werden. Denn Ethnizität als politischer Faktor spielt in dem westafrikanischen Land seit etwa 15 Jahren eine zentrale Rolle. Damals wurde, in Reaktion auf den Zusammenbruch des bisherigen Wirtschaftssystems – für den unter anderem eine teilweise Privatisierung des Hauptexportsektors der Côte d’Ivoire, des Kakaoanbaus, und sein Aufkauf durch multinationale Konzerne verantwortlich waren – das politische Konzept der Ivoirité scharf gemacht. Es soll erlauben, die „wahren“ Ivorer von Zuwanderern aus den nördlichen Nachbarländern zu unterscheiden, vor allem aus Burkina-Faso. Beide Staaten hatten bis 1947 ein einheitliches Gebiet gebildet, waren dann jedoch durch die Kolonialmacht Frankreich aufgetrennt worden. Und dies auf Betreiben des „starken Mannes“ der Côte d’Ivoire, Félix Houphouët-Boigny, der später von der Unabhängigkeit 1960 bis zu seinem Tod im Jahr 1993 der paternalistisch-autoritäre Präsident des Landes sein würde. Im Gegensatz zu anderen Politiker der Region wollte Houphouët-Boigny für die Zeit nach der Unabhängigkeit keine westafrikanische Union, die von Senegal und Guinea bis an die ivorische Atlantikküste gereicht hätte: Er wollte eine Zone, die sowohl reicher als die Nachbarländer wäre als auch von ihm politisch dominiert würde.

Urheber des Ivoirité-Konzepts waren Mitte der neunziger Jahre Intellektuelle in der Umgebung von Präsident Bédié, der durch Houphouët-Boigny selbst zu seinem Nachfolger bestimmt worden war. Umso erstaunlicher ist, dass heute Bédié und sein politisches Lager zu den engsten Verbündeten Alassane Ouattaras zählen. Zu seinen aktivsten Unterstützern zählt heute Venance Konan, der in den neunziger Jahren als Rassenideologe des Bédié-Regimes wirkte. Ende Dezember erklärte Konan der französischen Internetzeitung: „Ich sehe keine andere Lösung als Gewalt“ - um Gbagbo zu vertreiben und Ouattara im Präsidentenamt zu installieren.

Dies relativiert ziemlich stark die Argumente derjenigen, die behaupten, dass Ouattara letztendlich das Opfer des Rassismus der Pro-Gbagbo-Nationalisten sei. So einfach liegen die Dinge nun wirklich sind, sondern den Vorgängen in der Côte d’Ivoire liegt ein wesentlich komplexeres Machtspiel zugrunde. Beide Seiten, aber vor allem die Ouattara-Anhänger, appellieren derzeit an die „internationale Gemeinschaft“ mit dem Argument, es drohe eine ethnisierte Auseinandersetzung, die zu einem Völkermord vergleichbar mit dem (realen) in Rwanda im Frühjahr 1994 führen könne. So warnte der ivorische Botschafter der Pro-Ouattara-Seite – nur ihre Diplomaten werden seit dem 23. Dezember durch die „internationale Staatengemeinschaft“ anerkannt – bei den UN, Youssouf Bamba, am 29. Dezember vor dem „Risiko eines Genozids“. Zwar dürfen die Risiken, die einem zugespitzten bürgerkriegsähnlichen Konflikt mit stark ethnisierten Komponenten innewohnen würden, nicht unterschätzt werden. Doch je stärker die angebliche Parallele zu Rwanda (wo Frankreich 1994 die rassistische „Hutu Power“ politisch, diplomatisch und militärisch unterstützte) strapaziert und überstrapaziert wird, desto unglaubwürdiger und desto stärker politisch instrumentalisiert erscheint diese Warnung. Am 30. Dezember 2010 behauptete eine Zeitung in Burkina-Faso, ,L’Evénement’: „Laurent Gbagbo kauft Waffen für die Endlösung.“ Nun kauft Präsident Gbagbo zwar sicherlich Waffen, ebenso wie Burkina-Fasos Präsident Blaise Compaoré und seine Schützlinge bei den FN. Doch die „Endlösungs“-Parallele ist Propaganda für Dumme.

Ouattara & Bédié, gemeinsam für die Wiederherstellung der alten Regimekräfte aus der Ära Houphouët-Boigny

Nachdem Bédié im ersten Wahlgang vom 31. Oktober vorigen Jahres nur als dritter Kandidat abschnitt, fusionierten die politischen Lager der beiden Männer. Ouattara – der in Gestalt der „Sammlung der Republikaner“ (RDR) über eine eigene Partei verfügt – trat daraufhin als Kandidat der „Sammlung der Houphouët-Anhänger für Demokratie und Frieden“ (RPDH) an, und sammelte die Überreste der früheren Staats- und Einheitspartei unter Houphouët-Boigny um sich.

Auch der (Ex-)Rassenideologe Venance Konan unterstützt ihn, der in diesen Tagen zugleich Gbagbos Anklagen gegen die Ex-Kolonialmacht Frankreich kritisiert. Die Kritik an einer neokolonialen Françafrique – welche Laurent Gbagbo derzeit gegen seine Gegner, und ihre faktische Unterstützung durch Frankreich, einsetzt – sei „das Abreagieren an einem angeblichen Zauberer, dem in afrikanischer Tradition alles Übel in die Schuhe geschoben wird“, schrieb Venance vor wenigen Tagen. Hintergrund ist, dass Laurent Gbagbo seit Ende Dezember den Abzug aller französischer Truppen aus der Côte d’Ivoire fordert. Die Anhänger Ouattaras haben ihm rasch widersprochen. Allen voran Guillaume Soro, früherer Rebellenchef der FN und von 2007 bis 2010 – im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens von Ouagadougou – Premierminister unter Gbagbo, jetzt designierter Premier von „Gegenpräsident“ Ouattara. Guillaume Soro erklärte Gbagbos Forderung nach Abgang der französischen Soldaten für „lächerlich“. Da sie von einem illegitimen Präsidenten komme, habe sie keinerlei Gültigkeit.

Es trifft zu, dass Ouattara historisch zu den Verlierern der Ivoirité-Kampagne zählte: Er wurde von den Präsidentschaftswahlen 2000 ausgeschlossen, da seine Mutter aus Burkina-Faso stammte. Zudem soll er zeitweilig bei den internationalen Institutionen – Ouattara war von 1984 bis 88 Leiter der Afrika-Abteilung und ab 1994 Vizedirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF) – mit einem Pass dieses Landes gearbeitet haben. Objektiv profitieren von diesem Ausschluss des aussichtsreichen, aber verhinderten Kandidaten Ouattara konnte damals Laurent Gbabgo. Er hatte mit seiner Partei, der „Ivoirischen Volksfront“ (FPCI), zuvor lange Zeit als „Sozialist“ gegen die Diktatur Houphouët-Boigny opponiert - während Ouattara bis 1993 dessen Premierminister war und Bédié sein Nachfolger wurde.

Gbagbo: Profit aus der anti-neokolonialen Mobilisierung ziehen

Seitdem profitierte Gbagbo zwar als opportunistischer Trittbrettfahrer von einem ivoirischen Nationalismus, der seit den neunziger Jahren mit einem Ethno-Diskurs gegen „die Leute im Norden“ vermengt ist. Allerdings tritt Laurent Gbagbo nicht überwiegend als Prediger einer rassistischen ,Ivoirité’ auf, sondern propagiert vielmehr vor allem einen populistischen Nationalismus, dessen politisches Profil irgendwo zwischen denen von Hugo Chavez und Slobodan Milosevic angesiedelt ist. Schon im vergangenen Jahrzehnt hatte Ggagbo im Süden der Côte d’Ivoire Teile der Bevölkerung gegen die militärische und wirtschaftliche Präsenz des französischen Neokolonialismus mobilisiert. Der Höhepunkt dieser Kampagne lag im Jahr 2004, als die französische Truppe ‚Licorne’ – zusätzlich zur französischen Präsenz in der UN-Mission – mit über 5.000 Mann in der Côte d’Ivoire stand. Damals kam es zu bewaffneten Konflikten zwischen Teilnehmern an den Massendemonstrationen gegen ihre Anwesenheit und französischen Soldaten, die im Oktober jenes Jahres am ,Hôtel Ivoire’ in Abidjan in die Menge feuerten.

Aus diesen Gründen unterstützen auch einige afrikanische linke Kräfte – vor Ort wie in der französischen Diaspora – tendenziell Laurent Gbagbo, den sie unter reichlichem Missbrauch historischer Parallelen in eine Reihe mit Thomas Sankara stellen. Dieser ebenso populäre wie antikoloniale, aber auch antiautoritäre Präsident Burkina-Faso war bei einem Rechtsputsch mit französischer Unterstützung 1987 ermordet worden. Gbagbo lässt sich mit dieser historischen Figur nicht vergleichen.

Dennoch trägt ihm seine Pose als neuer „Held der afrikanischen Selbstbehauptung“ manche Sympathien ein, etwa bei den kamerunischen Linksnationalisten der UPC. Bei einer Pro-Gbagbo-Demonstration in Kamerun wurden drei Menschen durch die Polizei verletzt. Dortige Regimegegner halten ihrem eigenen Regime, das noch wesentlich autoritärer ist als das ivorische und dabei eng von Frankreich abhängt, die Postur Laurent Gbagbos als positive Alternative entgegen.

Antiimperialistisch klingender Populismus

Laurent Gbagbo konnte sich in der Côte d’Ivoire seit 2004 den Schwung der damals durchaus realen Massenbewegung, die teilweise anti-neokoloniale Züge trug, zunutze machen. Negativ ist anzumerken, dass der von ihm angefachte Nationalismus - neben der politischen Ausrichtung gegen die französische Hegemonie – immer auch eine Stobrichtung gegen die „Ethnien“ im Norden mitschwingen lieb. Hinzu kommt ferner der religiöse, leicht apokalyptische Zug, den ihm vor allem die Reden seiner Ehefrau Simone Gbagbo verliehen. Simone Gbagbo zählt zu den evangelikalen Christen in Westafrika, die starken nordamerikanischen religiösen Einflüssen unterliegen.

Aus verschiedenen Gründen erhielt ihr Mann Laurent Gbagbo damals Unterstützung aus der US-amerikanischen Rechten, aus Israel – weil seine Regierung ein wichtiger Kunde für dessen Waffenindustrie ist – und aus China, das gerne seinen eigenen wirtschaftlichen Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent ausdehnen möchte. Unter Barack Obama hat die US-Administration sich nun seit kurzem explizit gegen Gbagbo gewendet und unterstützt Ouattara. Die israelische Regierung gibt derzeit keinerlei Kommentar ab und hält sich bedeckt. Die chinesische Führung zögert hingegen nicht, auf Seiten Gbagbos Einfluss zu nehmen, sofern man sie lässt.

Politische Frontverläufe in der französischen Debatte

Die etablierte Politik in Frankreich war lange Zeit über „den Fall Laurent Gbagbo“ gespalten. Weil dieser in seinen Exiljahren, als Oppositioneller gegen Houphoët-Boigny, in Frankreich gelebt hatte und dort in der Sozialistischen Partei aktiv gewesen war, unterstützen Teile der französischen Sozialdemokratie ihn nach wie vor. Derzeit sind sie allerdings in der eigenen Partei in die Defensive geraten. Viele ihrer Protagonisten wollen von früheren Freundschaften nichts mehr wissen, wie etwa der frühere Kulturminister Jack Lang – er besuchte Gbagbo zwar noch vor wenigen Monaten, fordert ihn aber inzwischen zum Abtreten auf. Anders der wegen schwerer Korruptionsdelikte in der französischen „ELF-Affäre“ verurteile, politisch total abgehalfterte Ex-Aubenminister unter François Mitterrand, Roland Dumas. Er macht sich weiterhin für Gbagbo stark.

Das Schwergewicht in der französischen Politik liegt unterdessen auf einer Unterstützung für Alassane Ouattara. Das bürgerliche, wirtschaftsliberale und konservative Lager steht dabei fast geschlossen hinter der Position von Präsident Nicolas Sarkozy, die jetzt auch vom Mehrheitsflügel der Sozialdemokratie unterstützt wird. Ursächlich dafür ist keineswegs nur, dass Sarkozy den ivorischen „Gegenpräsidenten“ einstmals, als er Bürgermeister im Pariser Millionärsvorort Neuilly-sur-Seine war, im dortigen Rathaus mit der Französin Dominique Novion-Folloroux traute. Vielmehr können viele Akteure der französischen Politik Laurent Gbagbo unmöglich verzeihen, dass er im Herbst 2004 „französische Soldaten bombardieren lieb“. Damals kam es zu einem bis heute unaufgeklärten Zwischenfall, als ex-sowjetische Piloten der ivorischen Luftwaffen eine Fliegerbombe über einem französischen Militärcamp in Bouaké fallen lieben. Gbagbo distanzierte sich davon, doch die französische Armee legte daraufhin die gesamte – kleine -  ivorische Luftwaffe in Schutte und Asche. Es waren die dadurch ausgelösten Massendemonstrationen, die zu den Schüssen vor dem Hôtel Ivoire führten.

Zwar hat auch Präsident Gbagbo in seinen zehn Amtsjahren stets französische Konzerne wie die Transportfirma von Vincent Bolloré – diesem Duzfreund Sarkozys und Multimilliardär gehört ein Grobteil der Häfen und Infrastruktur in Westafrika – bedient. Dennoch zweifeln viele französische Politiker und Ideologen an seiner Loyalität, halten ihn mindestens für unzuverlässig, wenn nicht für einen verkappten oder offenen Feind. Die meisten französischen Politiker betrachten Gbagbo daher als Feind oder „unzuverlässig“. Dies ist der wahre Grund für die Fronstellung Frankreichs gegen einen Verbleib Gbagbos im Amt, während die Pariser Politik sich ansonsten bisher noch an keinem Wahlbetrug durch Präsidenten in Afrika störte.

Französische Neofaschisten: mehrheitlich pro-Gbagbo

Aus der Reihe tanzt dabei ausgerechnet die nationalistische extreme Rechte. Jean-Marie Le Pen vom Front National (FN) erklärte etwa offen seine Unterstützung für Laurent Gbagbo. Dabei spielt einerseits eine Rolle, dass der rechtsextreme Oppositionspolitiker es liebt, mit „starken Männern“ in einer internationalen „Aubenseiterposition“ zu kokettieren – er verteidigte auch Saddam Hussein und Slobodan Milosevic, „im Namen der serbischen Nation und trotz seiner sozialistischen Ideologie“, wie er damals hinzufügte.

Andererseits erklärt sich die Position der extremen Rechten daraus, dass in ihren Augen die offiziell durch Sarkozy und Obama benutzten Demokratie-Argumente – mit denen sie Ouattara unterstützen, obwohl dessen Wahlsieg gleichfalls unsicher ist und in der Nordhälfte der Côte d’Ivoire unter FN-Kontrolle massiv zu seinen Gunsten manipuliert wurde (FUSSNOTE 1[1]) – ohnehin als solche illegitim sind. Das propagierte Demokratie-Modell sei mit der afrikanischen Kultur nicht vereinbar, die vielmehr auf „traditionellen Chefs und Häuptlinge“ beruhe, schreibt etwa der Schriftsteller François Celier auf der rassistischen Webseite ,La valise ou le cercueil’. Deswegen sei der originäre afrikanische Chef Laurent Gbagbo aus seiner Sicht dem – angeblichen - verwestlichten Demokraten Ouattara vorzuziehen. Zum Dritten führt François Celier an, dass Gbagbo Christ sei, Ouattara hingegen moslemisch und schon deswegen im feindlichen Lager stehend. Und zum Vierten befinden sich manche rechtsextremer Söldner aus Frankreich im Dienste Laurent Gbagbos und seines „Sicherheits“-Apparats; dazu wohl demnächst noch Ausführlicheres.

Seltsame Allianzen, die hinter denen innerhalb der Côte d’Ivoire nicht zurückstehen.

Deutsche Presse: primitiv & propagandistisch

Noch ein Wort zur deutschen Presse: Diese ergreift in aller Regel ebenso unverkennbar Partei für den „Gegenpräsidenten“ Alassane Ouattara wie die französische, ist dabei jedoch noch wesentlich schlechter informiert und deswegen primitiver in der Gut-Böse-Propaganda.

Wundern darf man sich dabei über die taz, welche in einen wahrhaft geifernden Propagandaton verfallen ist, obwohl deren Afrika-Journalist Dominic Johnson noch zu den relativ bestinformierten in Deutschland zählt. Am 27. Dezember 2010 fordert er in einem Kommentar allen Ernstes : „Es muss wohl erst ein richtiger inner-ivorischer Krieg ausbrechen, damit ein militärisches Eingreifen von außen denkbar wird (....). Von außen schnell und entschlossen militärisch einzugreifen, um eine Demokratie, die die Ivorer wollen und die ihnen eine Diktatur verwehrt, wäre besser gewesen. Schade, es feststellen zu müssen, aber es handelt sich dabei um ebenso billige wie – in allen Konsequenzen – unverantwortliche Propaganda.

Ausblick

Alassane Ouattara schlug an diesem Montag dem Gbagbo-Lager eine „Regierung der nationalen Einheit“ vor, aber unter der Bedingung, dass Laurent Gbagbo auf das Präsidentenamt verzichte.

Nicht auszuschlieben ist bei alledem, dass es letztendlich dazu führt, dass – Alles bleibt, wie es ist: in Gestalt einer dauerhaft in eine Nord- und Südhälfte aufgespalteten Côte d’Ivoire. Deren nördlicher Teil wäre in diesem Falle eng an Burkina-Faso angelehnt und durch Alassane Ouattara und seine Leute beherrscht. Die Südhälfte ist freilich unvergleichbar viel wohlhabender, aus welchem Grunde die Ouattara-Anhänger sie wohl nur äuberst ungern dem Lager Laurent Gbagbos überlassen dürften.

Anmerkungen

[1] Am Tag nach der Stichwahl vom 28. November 2010 gaben sowohl die Nationale Wahlkommission der Côte d’Ivoire als auch die UN-Wahlbeobachter an, die Wahlbeteiligung in den drei Nordprovinzen des Landes habe rund 70 Prozent betragen. Abgegeben worden seien 4,047 Millionen Stimmen. Doch in der Abschlusserklärung der Wahlkommission – die mehrheitlich zugunsten Ouattaras zusammengesetzt war, und deren Chef sich unmittelbar zum Flughafen begab und ins westliche Ausland ausgeflogen wurde, nachdem er Ouattara zum Wahlsieger erklärt hatte – war olötzlich die Rede davon, die Wahlbeteiligung im Norden habe 81 Prozent betragen (und sei damit wesentlich höher als imersten Wahlgang gewesen). Die Zahl der abgegebenen Stimmen wurde nun olötzlich, und auf unerklärte Weise, mit 4,689 Millionen Stimmen angegeben und lag damit um 625.000 Stimmen höher, als ursprünglich beziffert. In den drei Nordprovinzen erhielt Alassane Ouattara, laut den offiziellen Zahlen der (mehrheitlich, auf der Basis der Abkommen von Pretoria von 2005 sowie von Ouagadougou von 2007, zu seinen Gunsten zusammengesetzten) jeweils zwischen 80 und 100 Prozent. Bislang konnte die Frage nicht auf zufriedenstellende Weise beantwortet werden, woher die wundersame Vermehrung der Anzahl der abgegebenen Stimmen zwischen den ersten Erklärungen der Wahlkommission – sowie der internationalen Beobachter – und dem Endergebnis der Wahlkommission rührt. Aller Wahrscheinlichkeit nach lässt sich hier eine unzweideutige Manipulation der Stimmergebnisse in den Nordprovinzen zugunsten Alassane Ouattaras ablesen. Umgekehrt ist es selbstverständlich in den Süd- und Westprovinzen zu Wahlmanipulationen für Laurent Gbagbo gekommen.

 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel von Autor.

Der vorliegende Text ist die überarbeitete Langfassung eines Artikels, der in einer kürzeren Version für die aktuelle Ausgabe der Berliner Wochenzeitung ,Jungle World’ von diesem Donnerstag - 13. Januar 11 - erstellt wurde. Die aktuelle Ausgabe enthält ein Titelthema zur Côte d’Ivoire mit insgesamt vier Beiträgen.

Zur Situation in der Côte d’Ivoire, besonders aber zum Konflikt mit Frankreich im vergangenen Jahrzehnt, einige Artikel aus früheren Ausgaben des trend:

Dazu ergänzend ein Hinweis auf einen Artikel zu Positionen innerhalb der französischen Linken, aus dem Jahr 2004: