trend spezial: Die Debatte über die LL(L)-Demos am 13.1.2013 in Berlin
Weder Stalin noch Noske
Aufruf zur Luxemburg-Liebknecht-Demonstration

von "NaO"

01-2013

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onlinezeitung

Wir unterstützen das Anliegen der LL-Demo, das Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg aufrecht zu erhalten und ein deutlich sichtbares Zeichen zu setzen, dass die kommunistische Idee und Bewegung nicht tot sind! Jedes Jahr versammeln sich hier tausende Menschen, die sich als „revolutionär“ verstehen. Doch was bedeutet dieser Anspruch, was eint uns über das fast schon religiös anmutende Ritual des Gedenkens an tote RevolutionärInnen?

Was ist hier revolutionär, wenn in Südeuropa heute Millionen bei Streiks, Besetzungen oder ähnlichen Aktionen aktiv sind, während hier kaum eine Aktion über einen kleinen Kreis von AktivistInnen und jeweils Betroffenen hinaus reicht? Rosa Luxemburg hatte dazu eine ziemlich lebendig-aktuelle Antwort: Als die deutschen SozialdemokratInnenen die russische Revolution 1905 mit ihren neuen Formen der Massenaktionen für etwas ganz Fernes, nicht für Deutschland Heranzuziehendes bezeichneten, antwortete Rosa Luxemburg in ihrem „Massenstreik“-Artikel:

In der Nr. 12/2012 erschienene Stellungnahmen und Kommentare:

„... wenn wir den Blick von der Tabelle der gewerkschaftlich organisierten Industriebranchen auf jene großen Gruppen des Proletariats richten, die ganz außerhalb des gewerkschaftlichen Kampfes stehen oder deren besondere, wirtschaftliche Lage sich nicht in den engen Rahmen des alltäglichen gewerkschaftlichen Kleinkriegs hineinzwängen lässt (...), sehen wir ein Gebiet nach dem anderen, wo die Zuspitzung der Gegensätze die äußerste Grenze erreicht hat, wo Zündstoff in Hülle und Fülle aufgehäuft ist (...) und wo die allerelementarsten Abrechnungen mit dem Kapital erst nachzuholen sind“.

Rosa Luxemburg macht in dem Artikel klar, dass die Spaltung des Proletariats vom Prekariat bis zu den gewerkschaftlich gut abgesicherten Schichten nichts neues ist – und dass gerade die politische Massenaktion das wichtigste Mittel ist, um die „Pulverisierung und Zerbröckelung in den Einzelwerkstätten zu überwinden, zu der uns das tägliche Joch des Kapitals verurteilt“.

Die Produktivkräfte haben heute einen Stand erreicht, der eine bewusste, kollektive und demokratische Planung des gesellschaftlichen Produktions- und Verteilungsprozesses so möglich macht, wie noch nie. Andererseits sind die Kräfte für eine Umwälzung in diese Richtung schwach, zersplittert, stehen enormen ökonomischen, politischen, militärischen und ideologischen Macht- und Staatsapparaten gegenüber. Die Spaltung der Lohnabhängigen ist weiter fortgeschritten, wie auch die Versteinerung des standort-nationalen Reformismus, der sich in den organisierten Teilen der Klasse weiterhin hält – fast wie ein geschwisterlicher Reflex zur neo-liberalen Globalisierung. Der (Post-) Stalinismus samt seinem Zusammenbruch haben zu dieser Krise der Linken ebenso deutlich beigetragen.

Trotzdem bleibt auch unter diesen Voraussetzungen die Aufgabenstellung von Rosa Luxemburg dieselbe: wie können wir den bestehenden Widerstand (hierzulande wie international) gegen die verschiedenen Macht- und Kapitalapparate zusammenführen, wie können wir die Isolation und Vereinzelung überwinden, wie prekäre und gewerkschaftlich Organisierte in Aktionen vereinen, wie von den alltäglichen Auseinandersetzungen zum revolutionären Bruch mit dem System kommen,...? Zeigen nicht radikale Ansätze in Streikbewegungen nach Ausbruch der gegenwärtigen Krise, wie in Wisconsin oder bei den asturischen Bergarbeitern, dass Luxemburgs Fragen zur Massenstreikdebatte hoch aktuell sind? Die Antwort auf diese Fragen erfordert mehr als das Festhalten an Traditionen und das Ehren der alten RevolutionärInnen. Es erfordert einen Diskussions- und Organisierungsprozess, der die alten Aufgabenstellungen in den aktuellen, schwierigen Widersprüchen neu bearbeitet, der bereit ist, sich auf die Diskussion unterschiedlicher Ansätze aus verschiedenen linken Traditionen einzulassen, um zu einer revolutionären Organisation auf der Höhe der Zeit zu gelangen.

Diesen Diskussions- und Organisierungsprozess versuchen wir im NaOProzess – mit dem Ziel der Herausbildung einer „Neuen antikapitalistischen Organisation“ (NaO). An diesem Prozess sind unterschiedliche Gruppen aus sehr verschiedenen Traditionen beteiligt.

Editorische Hinweise

Den Text spiegelten wir von der NaO-Website, wo er auch diskutiert werden kann.