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UND JEDER WEISS WIE"S RICHTIG IST UND WIE MAN"S MACHEN SOLL! 

Das "Bündnis für Arbeit"
Eine auf dem Kopf stehende Pyramide

von DIETMAR KESTEN, Gelsenkirchen, Teil V

01/99
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Ein historischer Rückblick (Teil I)
Auf der Suche nach dem verlorenenen Bündnis (Teil II)
Trugbilder (Teil lII)
Der Neubeginn (Teil IV)

5. Geschichten im Wahljahr

Mit der Bundestagswahl 1998 war der "politische Auftrag" des "Bündnis für Arbeit" perfekt, Bereits am 9. 1. 1998 meinte REBECCA HARMS von den Grünen in Niedersachsen, daß ein "Bündnis für Arbeit unverzichtbar für eine Koalition mit der SPD sei" . (66) Die SPD ließ durch SCHRÖDER auf Einladung der IG Metall in Salzgitter über die Initiative "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für GERHARD SCHRÖDER" erklären, daß das "Bündnis für Arbeit" Hauptwahlkampfforderung" (67) sei, daß es jetzt wirklich um eine "neue Partnerschaft" (68) gehe. Diesen Gedanken griffen DITH und STUMPFE auf; die die Möglichkeit eines "neuen Anlaufs" nicht ausschließen wollten. (69) Das war alles nicht mehr sensationell, aber die Wirkung dieser Offenbarung gipfelte in der erdrückenden These von der Gleichheit und Abhängigkeit in dieser "zentralen Arbeitsgemeinschaft".

Nirgendwo findet man diesen Mischmasch der Wortfechtereien, der Behauptungen, des polemischen Apologetentums so deutlich, wie in den Verlautbarungen der Systemrettungsprojekte vor der Bundestagswahl 1998. Wieder ist der Dualismus relativ einfach, bequem, ganz willkürlich gesetzt, das EntwederOder der Entwicklung stellt sich wie selbstverständlich als Dichotomie dar: Regierungswechsel mit dem "Bündnis", ganz gleich, was da kommen mag. Dieses ist in vielerlei Hinsicht einer der beachtlichsten Versuche der jüngeren Geschichte in Deutschland, die kompletten Reiche der Unwahrheit als "politische Fehler" einer vergangenen Epoche zu brandmarken, während zu gleicher Zeit die "Errungenschaften" des Zeitalters der Moderne bis auf"s Blut verteidigt werden. Tiefbesorgt über die raffinierte Einvernahme zeigte sich Noch-Bundeskanzler KOHL, der im März 1998 davon sprach, daß es wohl "kein neues Bündnis für Arbeit geben würde" .(70 Zumindest war klar, daß derselbe Zug nur ver schiedene Gleiskörper benutzte. Hatten die einen ihn wegen seiner Umtriebe gegeißelt, daß seine Politik "gegen den Sozialstaat" gerichtet sei, waren die anderen für den Enthusiasmus anfällig, und erst nach einem gewaltigen Reinigungsprozeß würde der Weg in die Erneuerung des "Bündnis" führen. So gerieten beide Seiten in die Defensive. Am Schluß des Eingangsprologs standen nur die Spitzfindigkeiten, die vorauslaufenden Konzessionen an den kapitalistischen Staat, die großen Fehlprognosen. Auch hieran bestätigte sich, daß die Zeit der Lohnarbeitsgesellschaft aus läuft, daß sie nur im Kraftfeld der Politik durch konzeptionslose Strategien aufrechterhalten wird. Die prophetische Weltschau war geboren, die als totale Reform gedacht, die kommenden Monate bis zur Bundestagswahl - im tief verwurzelten Glauben an die Arbeitsgesellschaft - das Phantasieprodukt auf- recht erhielt. Was konnte schlimmer sein als der historische Gedächtnisverlust? Der Markt der Moderne ist nicht belehrbar, das sind die Torheiten der ver- gangenen Zeiten, das hektische Bemühen, den Glauben an ihn in der Öffent- lichkeit wach zu halten, ihn als "ersten Urheber" zu verklären, der absolute Relevanz darstellt. Zwar fing mit ihm alles an, er stieß jedoch umso mehr an seine Grenzen, je mehr Technologien und Globalisierung aufkamen, die Ausrottung der Arbeit bereits in Ansätzen sichtbar wurde, und im Übergang zum 21. Jahrhundert zu verschwinden droht.

Niemand schien sich zu fragen, was das zu bedeuten hat, was die betriebliche Verknappung der Arbeit hervorruft, was die Kette des Austauchprozesses, als deren alleiniges Bindeglied die Arbeit noch figuriert, auf Dauer ermöglicht, und ob die paradiesisch anmutende Lösung, die im "Bündnis" steckt, das Überleben der kapitalistischen Produktion überhaupt garantieren kann? Um das allgemeine Dilemma besser ertragen zu können, erschien der Refrain, das ständig sich wiederholende magisch wirkende Versprechen nach "neuen Arbeitsplätzen" , als das wichtigste Argument; denn wenn eine mögliche Lö- sung für den Arbeitsmarkt in Sicht ist, dann verschwindet auch das Problem der Arbeitsplätze. Das Hauptaugenmerk richtete sich darauf, die Situation zu verschleiern, die Dinge zu verfälschen, die Lösung mit der Lösung plausibel zu machen; den politischen Apparat zu bemühen, der die fehlende Arbeitsplätze herbeizaubert. Der Vermittler, der Held der Zwischenlösungen, war wiederum DIETER SCHULTE, der die "dynamischen Kräfte" beschwor, die fähig genug seien, den Abbau des Sozialstaates zu stoppen.

In einem Interview erklärte dieser, daß "der nächste Bundeskanzler ein Bündnis für Arbeit schließen müsse" . (71) Im gleichen Atemzug bereiteten DGB und IG Metall massiv ihr zweites Meis- terwerk vor: "Deine Stimme für Arbeit und soziale Gerechtigkeit", (72) um damit für einen Politikwechsel in Bonn einzutreten. Scheinheilig erklärte SCHULTE, daß diese Kampagne "keiner Person, keiner Partei und keiner Koalition diene" .(73) Denken ist politisch, eine Art Heilszustand; es ist nicht das naive, - sich billig dem Vorkämpfertum hinzugeben - das mit Endgültigkeit beanspruchte "solide Fundament" , daß an das abgenutzte System fesseln soll, an der Marktoberfläche dümpelt, was hier als dargereichtes Füllhorn der lebensnahen Problembewältigung auftritt, sondern das "Sozialgetriebe", daß die öffentlichen Mißstände beseitigen soll. Über die SPD - kein anderer Schluß ist zulässig - ließe sich Arbeit finden, den Kranken und Armen helfen, die sogar seelische Unterstützung durch ihre Spen- den,- Mitgliederbeiträge und Finanzierungen anderer Art bekommen könnten, man müsse sie nur wählen.

Ein verlockendes Angebot, daß die Gewerkschaften gerne annahmen, waren sie es doch, die in der politischen Arena mitspielen wollten, und keinen Zweifel im Wahljahr aufkommen ließen, daß sie die SPD als die Kulturhero- en unserer Zeit verstanden. Die IG Metall nahm den Beifall der Sozialdemokraten dankbar auf, hatten sie doch in ihren Reihen einen Mann, der schon zu Anfang des Jahres als BLÜM- Nachfolger (74) gehandelt wurde: WALTER RIESTER, seit 1966 SPD-Mitglied, galt als "Reformstratege", der mithalf die "35-Stunden Woche" unter Dach und Fach zu bringen, und als Altvorderer auf einmal die einmalige Chance erhielt, den multinationalen Konzernen und der Hochfinanz paroli zu bieten. Jener RIESTER also, der erklärte: "Ich bin zunehmend gezwungen, unternehmerisch mitzudenken auch und vor allem im Interesse der Beschäftigten... (um) oft auch für die Belegschaften unangenehme Entscheidungen mitzutragen." (75) Das Bekenntnis konnte SCHRÖDER nur freuen, der mit kindlicher Weihnachtsvorfreude die Unterwerfung der Gewerkschaften unter die Warenproduktion guthieß, ein ideales Zukunftsbild prognostizierte: " Besonders stolz und glücklich bin ich, daß WALTER RIESTER mir helfen will, ein solches Bündnis zustande zu bringen." (76)

Die Deutschen Gewerkschaftten, Teil des kapitalistischen Entwicklungsprozes- ses, teilten diesen Grundrahmen. RIESTER solle jetzt die "Bündnisrunden" ausloten, die Politik, Arbeitgeber und die Gewerkschaften an einen Tisch bringen, "um die Arbeitslosigkeit spürbar zu bekämpfen", eine "tragfähige Plattform zu erzielen" . (77) Um das zu bewerkstelligen, beschlossen DGB und IG Metall, diesen kommen- den Bundeskanzler mit einer Geldspritze in Millionenhöhe im Wahlkampf zu unterstützen. (78) Das war die Totalakzeptanz der kapitalistischen Warenwirtschaft, die hier über den Umweg einer Machart bürgerlichen Politik ("Bündnis") ein deutliches Fanal setzte: Der gewerkschaftliche Aktivismus, sofern er nicht schon in die Chimäre der abgehalfterten "Lohnkämpfe" aufgegangen war, war nur noch rein rhetorisch. Propadandistische Auswege gab es nicht mehr. In dieser Form paßten sich die Deutschen Gewerkschaften einfach den poli- tischen Machtverhältnissen in Deutschland an. BDI-Präsident HENKEL ließ zwar noch verlauten, daß mann vom "Bündnis" "keine staatlich verordnete Arbeitsplatzbeschaffung" (79) erwarten könne, aber im Grunde war klar, daß der Staat dann in den Markt eingreift, wenn er es für richtig hielt. In der Zuspitzung der Krise bot die Gewerkschaftsbürokratie die Scheinrettung der Marktwirtschaft an. Sie hatte sich stillschweigend mit den Beschwörungsformeln und dem primitiven Wortzauber abgefunden.

Die Wiederaufnahme der Gespräche am 1. 7. 1998 zeigten endgültig daß das ""Bündnis" für die Marktwirtschaft vollkommen ungefährlich war, debattierten ZWICKEL, RIESTER und STUMPFE (80) doch über die funktionierende Apparatur des Kapitalismus, und darüber, wie seine bürgerliche Form zu erhalten ist. Es konnte nicht ausbleiben, daß die Elendsdebatten zur flankierenden Wahltaktik ausuferten und die systemkonformen Absprachen ein der- maßen beschämendes Niveau erreichten, daß man sich fragen mußte, was interessanter war: Den veitstanzenden Propheten zuzuhören, oder deren politische Blindheit zu beschreiben? ENGELEN-KEFER (81) brachte die "Gegnerschaft" zum System auf den Punkt:"wir sind der Meinung, daß wir dringend ein Bündnis für Arbeit brauchen. Das ist natürlich in erster Linie Sache des Kanzlerkandidaten, aber es müssen vor allem der Wirtschaftsminister und der Arbeitsminister am gleichen Strang ziehen." (82) Der Einstieg in das Kartell der Globalisierung war für die Gewerkschaften und für das neue "Bündnis" nun perfekt, von äußerst großem Vorteil; denn bei ihren Kniefällen vor der Modernität konnte gleich der gesamte ""Sozialstaat" vertei- digt werden, und mit ihm die moderne Warenproduktion, die voraussetzt, daß im großen Maßstab reduziert und ratifiziert wird.

Jetzt ging es auf den Zieleinlauf zu, die Verhältnisse waren zurechtgerückt, die "strittigen" Punkte beseitigt, das "Bündnis" war zur Herzensangelegenheit für alle geworden. Das "Startprogramm der SPD" (83) rückte "ein Bündnis für Arbeit" in den Mittel- punkt; im "100-Tage Programm" von Bündnis 90/Die Grünen erschien es als echte Möglichkeit "zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" (84); DGB-SCHULTE verlangte nach den Bundestagswahlen eine "verbindliche Absprache zu den Arbeitsplätzen" und SCHRÖDER erklärte in BONN-Direkt, daß "Arbeitsplätze durch "eine konzertierte Aktion für Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit geschaffen werden" (85) müssen. Alles war in trockene Tücher gepackt; jetzt konnte das ""Bündnis" dem Markt- menschen in seiner endgültigen Form dargebracht werden, lücklenlos und folgerichtig abgeleitet.Ohne daß es praktische Resultate zeitigen würde, er- schien dieses postreformistische Projekt bestens geeigent, den Selbstlauf der warengesellschaftlichen Logik zu beschreiben: Das Aufbrechen des kom- pletten Sozialgefüges, das Herunterfahren der sozialen Reproduktion (wofür gerade die IG Metall bekannt ist).

Da mußte selbt DIHT-Präsident STIHL zufrieden sein, der nach der Bundestags- wahl verlangte, daß die Tarifpolitik ins "Bündnis" aufzunehmen sei, und es unver- antwortlich nennt, wenn sie ein "zu geringes Gewicht hätte". (86) ZWICKEL konterte noch kleingläubig, daß das "das Ende des Bündnisses für Arbeit bedeuten würde" (87). Doch daran war schon zu sehen, daß der blinde Wurmfortsatz daß Einverständ- nis mit der Krisenepoche hatte. Zerbrach das alte "Bündnis" vordergründig am Streit um die Lohnfortzahlung, so ging es jetzt um "die kooperative Demokratie" um einen Weg "für eine lang- fristige und konfliktfähige Zusammenarbeit" , darum, einen "neuen Politikstil zu prägen" . (88) Finanzminister LAFONTAINE umriß seine Vorstellungen mit den Worten: "wir erwarten, daß die Unternehmer zusätzliche Lehrstellen bereitstellen, unötige Überstunden abbauen und dafür neue Leute einstellen". (89) Und: "die Regierung habe mit ihren Steuerbeschlüssen Vorleistungen gebracht, jetzt ist die Wirtschaft am Zuge." (90) Am 7. Dezember 1998 fand die erste Sitzung des neuen "Bündnis" im Bonner Kanzleramt statt, auf der vereinbart wurde, " in einem Bündnis gemeinsam auf einen Abbau der Arbeitslosigkeit hinzuarbeiten und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nachhaltig zu stärken". (91)

Die Vereinbarungen vom Dezember 1998, die nichts anderes waren, als die ganze Arbeitsgesellschaft zu rechtfertigen, das warenproduzierende Gesamtsystem zu erhalten, sollten auch dazu beitragen, den Markt der Moderne zu regulieren. Aber es gibt keine Regulation des Märkte mehr; denn sie selbst sind es, die für Geld und Kredit verantwortlich sind, sie sind Orte der ökonomischen Repro- duktion, der Globalisierung der Kapitalverhältnisse. Was heute unter "Flexibilisierung" verstanden wird, dann morgen schon unflexibel bedeuten, wenn es der Markt verlangt. Die Begriffe sind austauschbar, weil es der Markt ist, der am Rande des Bankrotts steht, und nicht danach fragt, welche Sonderinteressen denn nun zuerst durchgesetzt werden sollen; er unterliegt immer der kapitalistischen Mehrwertproduktion, und es stört ihn nicht, ob die Verlierermassen zunehmen, soziale Reduktionen an der Tagesordnung sind, Kriege geführt werden, oder emanzipatorische Kämpfe stattfinden. Das hatte der Neoliberalismus der Deutschen Gewerkschaften nun gar nicht begriffen, und auch nicht, daß das "Bündnis für Arbeit" in Europa einen Pedan- ten gehabt hatte, den THATCHERismus.

Es war MARGARET THATCHER (92), die Heldin der Wirtschaftsliberalität. Was KOHL mit Bravour gelangt, machte sie als erste vor: Eine strikte monetaristische Geldpolitik ( 93), Abbau des Sozialstaates, flexible Steuersätze für die Unternehmen, Teilprivatisierung von Staatsfirmen, Lohndumping. Schlicht: Wie- derbelebung des alten dahinsiechenden Kapitalismus und seiner Akzeptanz ohne wenn und aber. Die Erben KOHLs hatten schnell begriffen, daß unter den Bedingungen der Globalisierung nur die Flucht nach vorne hilft, den eisernen Weg der Kapitalakkumulation mit behenden Schritten zu gehen. Da die Produktion immer mehr nach internationalen Maßstäben organisiert wird, müssen die Grenzen für den Zu - und Abfluß von Geldkapital und Waren offen- gehalten werden. Dazu benötigt man den IWF (94), der bei der Ausdehnung des Weltmarktes mit kräftigen Kapitalschüben nachhalf, aufgehend in die Maximen der Geldpolitik, der Schulden- und Finanzkrisen, der Verwandlung von Arbeit und Geld in die Krise der Produktion, der hohen Verschuldung der Staatshaushalte, der Überprodukt- tion von Waren.

War der THATCHERismus darauf bedacht, alle neoliberalen Ideen über Bord zu werfen, die Geldpolitik zum Maßstab zu erklären, das englische Modell zu favorisieren, wo Staatsausgaben und Steuereinnahmen davon eilten und sich Schuldenberge über Schuldenberge auftürmten, so ist der "Standort Deutschland", der mit dem neuen "Bündnis" immer in einem Atemzug genannt wird (95), von dieser Horror-Vision nicht weit entfernt. Letztlich speist der Staat die Nachfrage mit Schulden. Das prägt bis heute den IWF und die Weltbank. Die Standortfrage, die sich in England mit der Rezession 1973/74 herauszukristallisieren begann, hatte durch die Globalisierung in der Zwischenzeit den Druck auf alle anderen Binnenländer dermaßen erhöht, daß sich die Arbeitsmärkte - der am heftigsten diskutierte Punkt im neuen "Bündnis- "flexibel" gestalten mußten, so flexibel, daß sie in Deutschland z. B. einen exel- lenten Beitrag zur Kostenminierung leisten konnten. Die Herabsetzung der "Lohnnebenkosten", die Bündnisverwalter LAFONTAINE anstrebt, wäre ein solcher Gedanke, die Profite des Marktsystems über die (ren- table) Arbeit zu steigern, alles was Beine hat und laufen kann, in dieses System der Unlogik zu organisieren, um damit die kommende Geldkrise noch herauszuzögern.

Die Folgen sind für Deutschland trotz "Bündnis" und anderer Rettungsanker abzusehen: Die meisten Erwerbsbiographien werden einer limitierten Arbeit zum Opfer fallen müssen, weil die Moderne niemals mehr Vollbeschäftigung bringt; ihr Gang ist der Gang ins Abdriften der Arbeit, der Krise der Arbeit, des instabilen Geldes und der entscheidenden Wertminderungen für alle. Essenzen, so wie das angedachte "Bündnis", werden deshalb die Erscheinungsfor- men in der modernen Welt gar nicht erst zur Kenntnis nehmen. Abgesehen davon enthält es keinerlei Anhaltspunkte einer kommende Einkom- mens,- oder -Existenzsicherung. Die moderne Ware läßt die herkömmliche Bezahlung der Arbeit nicht mehr zu, da sie allein auf die Produktivitätszuwächse und der Leistungen der Menschen baut. Steigt die Schuldenlast Deutschlands bis zum Jahr 2005 tatsächlich auf "1,5 Billiarden DM" (96), wird sich auch das "Bündnis" schneller in Luft auflösen, als es mancher jetzt noch denken mag. Denn es erweist sich bereits jetzt als Selbst- gesprächsfetzen: Es solle ja die "soziale bedarfsorientierte Grundsicherung des Rentensystems bringen" .(97) Nur kann es das nicht: Es kann nur für eine armutserhöhende Verteidigungsko- alition gedacht sein, als eine Art Selbstschutz für die kommende Krise: Vermindern sich die Absatzchancen eines Betriebes, der dem Druck des Marktes unterliegt, müssen die Lohnarbeiter entlassen werden, muß der Betrieb schließen. Dann erweist sich ziemlich schnell, daß er weder durch rechtliche noch wirtschaftliche Maßnahmen aufrecherhalten werden kann.

Hier ist das "neue" Bündnis nur getreues Abbild des alten; ein politischer Stützpfei- ler der jeweiligen Regierung; diesesmal der SPD. Das ist die Grunderfahrung von der alles ausgeht: Der Staat sucht sich seine Opfer am Geldbeutel der Nation, er wird weiter massenweise Arbeitsplätze zerstören, damit seine Rechnung aufgeht, und er muß dabei viel an gesellschaft- licher Produktivität zerschlagen, Er muß Geld abschöpfen, daß er aus dem Profitkreislauf und der Warenzirkula- tion zieht, um seine Schuldenlasten zu tilgen. Übrigbleibt die marode Finanzpolitik. Selbst wenn man LAFONTAINEs sarkastische Bermerkung ernst nehmen soll- te, daß sich bis zum Jahre 2003 "die Arbeitslosigkeit in Deutschland bei 3 Millionen stabilisiert habe" (98), dann gehört das zu den vielen Irrtümern: Die "Trendwende" sei bereits erreicht, wenn die Arbeitslosigkeit nicht weiter an- steigt. Das "Bündnis für Arbeit" hat seine eigentliche Leistung schon erbracht: Es kann sich nicht gegen den Markt durchsetzen, es wird zurückfallen in die Peinlichkeiten seiner Ausgangspositionen.

Anmerkungen:

(66) REBECCA HARMS; Grüne-Spitzenkandidatin bei der Niedersachsenwahl;Datenbank TAZ-Archiv, 10. 1. 1998.

(67) Datenbank TAZ-Archiv, 12. 2. 1998.

(68) Datenbank TAZ-Archiv, 19. 2. 1998.

(69) Datenbank TAZ-Archiv, 7. 3. 1998.

(70) Datenbank TAZ-Archiv, 9. 3. 1998.

(71) Datenbank TAZ-Archiv, 14. 4. 1998.

(72) Datenbank TAZ-Archiv, 15. 4. 1998

(73) Datenbank TAZ-Archiv, 14. 4. 1998

(74) NORBERT BLÜM; CDU; EX-Arbeitsminister im Kabinett KOHL. WALTER RIESTER; SPD; wurde bereits Anfang des Jahres als möglicher Nachfolger BLÜMs in einem Kabinett SCHRÖDER genannt.

(75) Zitiert nach KRISIS 18/1996, S. 34

(76) Datenbank TAZ-Archiv, 8. 6. 1998.

(77) Datenbank TAZ-Archiv; 12, 6. 1998; 2. 7. 1998; 6. 7. 1998; 28. 7.1998.

(78) Datenbank TAZ-Archiv, 12. 6. 1998.

(79) Datenbank TAZ-Archiv, 16. 6. 1998.

(80) Datenbank TAZ-Archiv, 2, 7. 1998.

(81) ENGELEN-KEFER: Stellvertretende DGB Vorsitzende.

(82) Datenbank TAZ-Archiv, 6. 7. 1998

(83) Datenbank TAZ-Archiv, 17. 8. 1998.

(84) Datenbank TAZ-Archiv, 27. 8. 1998. Vgl. auch Bündnis 90/Die Grünen: "Einstieg in ein grüne Reformpolitik" (Programm), Bonn 1998. Datenbank TAZ-Archiv, 26. 8. 1998. In diesem Zusammenhang erklärte HERBERT HAX ("Wirtschaftsweise"), daß "konkrete Absprachen über Neueinstellungen, Investitionen, Lohn- verzicht oder Berufsausbildung nicht zu erwarten seien." (Datenbank TAZ-Archiv, 21. 7.1998.

(85) Datenbank TAZ-Archiv, 17. 8. 1998.

(86) Vgl. WAZ vom 20. November 1998.

(87) Vgl. WAZ, 7. 12. 998

(88) Vgl. WAZ, 20. November 1998 und  Süddeutsche Zeitung, 8. Dezember 1998.

(89) Vgl. WAZ , 7. Dezember 1998.

(90) Ebd.

(91) Vgl. Süddeutsche Zeitung, 8. Dezember und 9. Dezember 1998; WAZ 8. Dezember 1998; DIE ZEIT, 10. Dezember 1998. SCHULTE und Arbeitgeberpräsident HUNDT einigten sich auf die Formulierung der "sehr guten Gespräche" , vor allem das "Sofortprogramm gegen die Jugendarbeitlosigkeit" wurde lobend erwähnt. Die strittigen Punkte blieben: Rente mit 60, Tarifpoliik, Bergrenzung der Überstun- den, Frage der Tariffonds (durch RIESTER ins Spiel gebracht), Lebensarbeitszeit, Teilzeitarbeit, Steuerpolitik, Reform des Sozialsystems und andere Punkte. Der DEUTSCHE BANK Sprecher und Volkswirt WALTER nannt die Zielsetzung "unverbindlich und nutzlos", man greife nur "auf alte Trick zurück, Arbeitszeitver-kürzungen zu erreichen und damit Arbeitsplätze zu schaffen" (vgl. WAZ, 9. Dezember 1998).

(92) MARGARET THATCHER: Britische Politikerin; 1959/92 Abg. der Konservativen im Unterhaus, 1970/74 Min. für Erziehung und Wiss., 1975/79 Oppositionsführerin; 1979/90 als erste Frau in der brit. Gesch. Premiermin.; T. (»Eiserne Lady« gen.) betrieb eine monetarist. Wirtschaftspolitik (Thatcheris- mus) und behauptete sich gegen den Widerstand v.a. der Gewerkschaften. Außenpolitisch fielen in ihre Amtszeit 1982 der militär. Erfolg im Krieg mit Argentinien um die Falklandinseln und 1984 der Vertrag mit China über die Rückgabe der Kronkolonie Hongkong. Ihre konzessionslose Innen- und Europapolitik (u.a. Ablehnung einer weitgehenden Integration Großbritanniens in die EU) sowie ihr autokrat. Führungsstil stießen gegen Ende der 80er-Jahre auf zunehmende Kritik, auch aus der eigenen Partei. T. verfehlte bei den Wahlen für den Parteivorsitz im Nov. 1990 die Mehrheit und trat zurück. Alle Daten: BROCKHAUS MULTIMEDIAL, Mannheim 1998, Artikel: MARGARET THACHTER.

(93) MONETARISMUS: Wirtschaftstheorie, die aus der nationalökonomischen Neoklassik hervorgegangen ist und sich gegen die staatliche Nachfragesteuerung des Keynesianismus wendet. Einer der Hauptvertreter ist MILTON FRIEDMANN; Nobelpreisträger für Wirt- schaft (1976). Vor allem in "Studies in Quantity Theory of Money" (1956) und "A Theory of the Consumption Function" (1957) begründete er den Monetarismus. Einen guten Einblick in seine Vorstellungen gibt sein Buch: "Kapitalismus und Freiheit", Stuttgart 1976. Mit dem Monetarismus ist eben auch der "THATCHERismus" der 80er Jahre in England verbunden.

(94) IWF: Internationaler Währungs Fonds.

(95) Vgl. Zeit 51/1998; Artikel: "Bündnis in Arbeit. Wann legt Schröder wirklich los?"

(96) Zitiert nach: DIETMAR KESTEN: Deutsche und internationale Dämmerzustände 1997. Zum Schluß kommt der Trommelwirbel, Gelsenkirchen 1998, S. 38.

(97) Zitiert nach Süddeutsche Zeitung, 8. Dezember 1998, Interview mit RIESTER.

(98) ZDF-Nachrichtensendung Heute, 14. 12. 1998

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