Editorial
Revolutionäre Arbeitsteilung: Am Vormittag gegen das Kapital, abends gegen den Staat

von Karl Mueller

02/10

trend
onlinezeitung

Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreise zu erfahren war,  diskutiert das MayDay-Bündnis Berlin gegenwärtig, ihre diesjährige Parade am 1. Mai nicht durchzuführen. Die Gründe dafür seien vielfältig hieß es. Anders sehen es die GenossInnen vom Klassenkampfblockbündnis. Sie wollen daran festhalten: Am 1. Mai  soll es wie im Vorjahr am Vormittag  einen oppositionellen Block bei der DGB- Demo geben und abends will man sich an der revolutionären 1. Mai-Demo (18 Uhr Demo - in Abgrenzung zu gleichnamiger von um 13 Uhr in Kreuzberg stattfindender Demo) beteiligen.

Ganz offensichtlich liegt dieser sich selbst revolutionär begreifenden Arbeitsteilung - vormittags gegen das Kapital und abends gegen den Staat - die sehr traditionelle Auffassung zugrunde, dass es einen klaren Unterschied zwischen ökonomischem und politischem Kampf gäbe. Mal abgesehen davon, dass dieser Berliner Oppo-Block im vorigen Jahr einer albernen Farce glich, als dem DGB nachtrabend vor der Hochhauskulisse am Potsdamer Platz  Touristen akkustisch mit Klassenkampfparolen traktiert wurden, die sie partout nicht hören wollten. Auch glich das Gerangel um den von DGB-Ordern zuvor abgedrängten Lautsprecherwagen - weit entfernt von inhaltlicher Vermittlung - eher einer gewöhnlichen Rummelplatzauseinandersetung. Und schließlich bedarf es drittens schon eines ungeheuren Abstraktionsvermögens bei der Kreuzberger 18 Uhr-Demo mehr als eine radikale, zum Ritual geronnene Selbstinszenierung zu sehen.

Kurzum: Die Entscheidung der Mayday-GenossInnen ihr bisheriges 1.Mai-Demo-Projekt kritisch zu hinterfragen ist ausdrücklich zu begrüßen, weil es die Chance in sich birgt, im Vorfeld des 1. Mai mit allen linken - und linksradikalen Kräften in eine solidarische Auseinandersetzung darüber zu treten, was ihre strategisch politischen Implikationen sind, wenn sie an angeblich bewährten Demoaufmärschen festhalten. 

Ihre Trennung zwischen politischem und ökonomischem Kampf -  abgesehen davon, dass es auch noch den ideologischen Kampf gibt -  ist nämlich durch die spätkapitalistischen Verhältnisse offensichtlich überholt. Im Focus einer solch schematischen Trennung werden nämlich die sozialen Kämpfe der Erwerbslosen und Prekären zu Nebenkriegsschauplatz des Klassenkampfes degradiert, während die Massenbewegungen der letzten Monate gegen Schul- und Hochschulmisere und der zunehmende Legitimationsverlust der Herrschenden auf dem Felde ihrer Kriegspolitik völlig ausgeblendet bleiben.

Für eine Politik, die am Klassenkampf und an der Aufhebung der kapitalistischen Produktionweise orientiert sein will, muss es dagegen darum gehen, alle Teilkämpfe der Klasse zusammenzuführen. Wäre nicht der 1. Mai  Anlass genug, diese Grundsatzfrage zu thematisieren?

+++++++++++++++

Seit Monaten erregt der Kampf um die Arbeitsbedingungen beim Berliner Babylon-Kino die Aufmerksamkeit des linken Spektrums. Auch diese Ausgabe des TREND wird wieder darüber ausführlich berichten.

Erwähnenswert ist hier vor allem der Bericht vom Workshop "Solidarität mit der FAU", der die Veranstaltung im wesentlichen so wiedergibt, wie sie leider verlaufen ist: Sozialdemokraten  - auch wenn sie sich als FAU labelten - bestimmten schlicht in dieser Diskussion die inhaltliche Einschätzung des Konflikts und verbrieten ihre Mythen.

Mythos1: Der DGB ist eine Einheitsgewerkschaft, Mythos 2: Basisdemokratische Organisationsstrukturen sind an sich fortschrittlich, Mythos 3: Die Aberkennung der Gewerkschaftseigenschaft durch ein Gericht ist eine besondere Repression usw. usf.

Einzig der im Bericht genannte Referent Willi Hajek stellte deutlich den Zusammenhang zwischen dem Kampf um Lohn & Leistung in seiner selbstorganisierten Form und der historischen Perspektive von Produktions- und Reproduktionsarbeit jenseits des kapitalistischen Lohnsystems her. Bemerkenswerter Weise fehlt dieser Aspekt vollständig im Bericht des "lesendenarbeiters".

So zeigt sich auch hier, dass die öffentliche und solidarische Erörterung von Grundatzfragen des Klassenkampfes zwischen widerstreitenden Positionen immer dinglicher wird, anstatt weiter von Bündnis zu Bündnis, Aktion zu Aktion zu hetzen und sich ansonsten autistisch in der selbstgewählten linksradikalen Nische ideologisch zu wärmen.

In diesem Zusammenhang müssen wir leider mitteilen, dass die TREND-Redaktion von der Gruppe „FreundInnen der klassenlosen Gesellschaft“ eine Absage auf die an sie gerichtete Aufforderung zu einem öffentlichen Disput über Grundfragen revolutionärer Theorie und Praxis erhalten hat. Bleibt zu hoffen, dass, wenn sie schon nicht mit mir diskutieren wollen, sie doch irgendwann mal einen öffentlichen Disput mit jenen wagen, die jenseits ihres ideologischen Spektrums politisch wirken.

+++++++++++++++++

Aufmerksame LeserInnen werden in dieser Ausgabe feststellen, dass wir im Hinblick auf  "Lenins Beitrag zur Kritik der Politischen Ökonomie" kein weiteres Anschauungsmaterial ab der Märzausgabe mehr veröffentlichen werden, da wir thematisch am Endpunkt angekommen sind.

Da die bürgerliche Klasse grundsätzlich nicht in der Lage ist, Krisen zu unterbinden, weil dies im Kapitalismus objektiv nicht möglich ist, muss sich diese Unfähigkeit auch in ihren ökonomischen Theorien widerspiegeln.

Wir wollen deshalb in  Zukunft diese bürgerlichen Theorien unseren LeserInnen in leichtverständlicher Form näherbingen und werden dazu auf  das nebenstehend abgebildete in der DDR 1975 erschienene Lehrbuch zurückgreifen.

++++++++++++

TREND(s) im Netz - hier die jüngsten Zahlen:

Die BesucherInnenzahlen vom Januar 2010, in Klammern 2009, 2008

  • Infopartisan gesamt:  158.480  (145.662, 148.061)
  • davon TREND: 88.500 (104.057, 103.826  )

Diese Auswertung fasste alle Seitenaufrufe eines Besuchers,  gekennzeichnet durch seine IP-Adresse und seine Browserkennung, zu einem Besuch (unique visit) zusammen. Ein Besucher wurde nur gezählt, wenn er mindestens eine Page-Impression, d.h. eine vollständig geladene Seite mit dem Rückgabewert 200 oder 304, ohne Bestandteile wie Bilder und Dateien mit den Endungen .png, .jpg, jpeg, .gif, .swf, .css, .class oder .js auslöste. Liegen mehr als 30 Minuten zwischen den einzelnen Page-Impressions, so wird der Besucher mehrfach gezählt. Ein Besuch kann maximal 30 Minuten dauern.

  • 2.401 BesucherInnen verbuchte die Agit 883 Seite.
  • Es wurden 3.860 Ausgaben der Agit 883 aufgerufen.
  • 6.170 BesucherInnen besuchten das Rockarchiv
  • 8.414 Seiten wurden im Rockarchiv abgerufen
  • 137 Mal wurden die Flugblätter der Haschrebellen gelesen

Die am meisten gelesene Seite im Januar 2010 war:
http://www.trend.infopartisan.net/inhalt.html   6.610

Der am meisten gelesene TREND-Artikel im Januar 2010:

Weitere im Januar 2010 stark nachgefragte TREND-Artikel:

Seitenzugriffe insgesamt in allen Infopartisan-Projekten:  348.704