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GELSENKIRCHEN, im März 1999

Aspekte der endzeitlichen Krisenphilosophie
Naht das Millenium? Teil IIIb

Die Paranoia des "Ufo"-Papstes Johannes von Buttlar

von DIETMAR KESTEN

03/99
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Den entscheidenden Test besteht BUTTLAR nicht. Die naturwissenschaftliche Forschung (Astrophysik/Kosmologie) geht ihm aus dem Wege.  Repräsentiert er doch alle Plattheiten der bizarrsten Konzepte, die im Dunstkreis von Stuhlrücken, Bleigießen und Spiritismus angesiedelt sind. Da mag ihm auch jene 'Methusalemformel' nicht weiterhelfen, die den 'ganzen Menschen' erfassen soll, das 'Gefühlsmäßige', die Wiederherstellung der 'Einheit von Leib und Seele'. Alles wird bei ihm zu einem zähen Brei von spiritistischen Moorleichen und galaktischem Grusel verarbeitet, und es verwundert nicht, daß er nicht frei von Spinnerei, sensationslüsterner Publicity und telegenen Auftritten ist. Wenn er täglich seinen Cocktail aus 'Chromhefe und Coenzym-Q10 nie- dermolekulare Peptide und Kürbisölkern' schluckt, um 'den Jahren mehr Leben zu geben', (28) dann fragt man sich, ob das die Proklamation des Wahns und des Irreseins ist?

Das BERTELSMANN oder der Münchener HERBIG-Verlag seine Leser  mit den 'Grenzen des menschlichen Verstandes', Gedankenübertragung, geistiger Telepathie, Astrologie, Erdstrahlen, Okkultismus,'UFO'-Glauben etc. konfrontieren, ist eine Seite zur Hinwendung des 'Dunkelschöpferischen' im 21. Jahrhundert. Wenn diese Art von Literatur weit größeren Absatz findet als die meisten Bücher seriöser Wissenschaftler, dann sind das Verweise darauf, daß sich auf philosopischer Ebene das flinke Verabschieden von der Vergan- genheit in einem gewissen Astroanthropologismus niederschlägt. Die andere Seite ist die viel gefährlichere, deshalb um so verwerflicher, und dieser Trend ist deutlich zunehmend: Naturwissenschaftliche und ökonomische Theorien, die ein hohes Maß an Vorhersagbarem, verknüpft mit dem Beweisbaren besitzen, stehen in der Gefahr, sich vom subjektiv- idealistisch-irrationalen den Rang ablaufen zu lassen. Da mag menschliche Leichtgläubigkeit eine Rolle spielen, der Glaube an eine Sehnsucht, die nicht aus rationalen Gründen heraus zu gestalten ist, ein geistiges Umfeld, daß sich im Gewirr von Sekten, Aberglauben, der Psychokinese, Glaubensheilung, der Wahrsagerei und/oder 'Übernatürliche' Chirurgie, den großen Religionen- immer wieder eine Basis verschafft, oder ein verkümmertes Selbstbewußtsein, daß empfänglich für 'Seelen- wanderung' ist, und sicherlich auch eine gesellschaftliche Sucht, sich sonderbare alte Kulturen vorzustellen, die den modernen Kapitalismus hinter sich lassen und die 'freie' Verwirklichung des Indiviuums propagieren. So wie bei BUTTLAR, der den Ursprung des Menschen einfach auf den 'zehnten Planeten' des Jupiter - dem 'Phaethon' - verlegt. (29)

Okkulte Sensationen oder Scharlatanerie hatten schon immer ein  Publikum. Kein geringerer als der Israeli URI GELLER, (30) zog 1974 Millionen Menschen vor die europäischen  Fernsehbildschirme, als er 'parakinetisch' Löffel verbog und Drähte knickte. Zwar stellte sich später dieses 'Geist-Seele-Volumen' , seine 'übersinn- lichen Kräfte' als großangelegter Betrug heraus, es blieb aber der fade Geschmack, daß die Tiefenschau aus der Unterwelt auf 'übernatürliche' Art eine Auferstehung feierte. Als die Wissenschaftler der Renaissance begannen, sich von metaphy- sischen Einflüssen zu befreien, wurden sie noch mit Hohn und Spott belegt, nicht selten fanden sie auf dem Scheiterhaufen ihr Ende. GALILEI (31) hatte sich nicht nur mit der Autorität der Kirche angelegt, sondern auch mit den zeitgenössischen Wissenschaftlern, die sich mehr mit ARISTOTELES beschäftigen wollten, als mit experimentellen Bestimmungen der materiellen Welt. Als jener ARISTOTELES verblaßte, waren zunächst die Konflikbereiche bemerkenswert klein geworden. Es gab aber über Jahrhunderte hinweg so manche exentrische Theorien, die sich bis heute gehalten haben und in vielen Bereichen in der Pseudowissenschaftlichkeit erstarrten; neue wurden entdeckt und/oder wiederbelebt BUTTLAR gehört ohne Zweifel zu jenen Paranormalen, die den Verstand verlassen haben, sich der Intuition ergeben, in der die Ratio machtlos geworden ist. Das Desillusionierende ist eben das 'innere Geheimnis des Universums'. Wenn diese Botschaft, der Code der 'außersinnlichen Wahrnehmungen' geknackt ist, Leben und Denken, altes und neues Wissen verschmilzt, werden 'wir wieder mit dem Herzen denken und mit dem Verstand füh- len'. (32) Zu Anbeginn eines neuen Jahrhunderts ist der Diskurs um extravagante Lebensformen neu aufgebrochen. Das Absterben der Arbeit, ihr Niedergang, kurz: Ihr kommendes Verschwinden von der Bildoberfläche, läßt Agonie erkennen, der sich niemand entziehen kann. Die Herauskristallisierung einer Art neuzeitlicher Krisenphilosophie, die mit der Postmoderne schwanger geht, ist auch ohne den zunehmenden Warencharakter der Kultur nicht zu verstehen. Der Zusammenbruch der klassischen kapitalistischen Geselllschaft, das Verschwinden alter Subjektideologien, findet sich womöglich im grobge- sponnenen Konglomerat von Mythen, Sektenglauben, Psychotherapie, oder der 'historischen Wahrheiten des Alten Testaments' (33) wieder. Hat wieder eine Geschichtslosigkeit eingesetzt, die mit ins nächste Jahr- hundert hinübergenommen wird? Das mystifizierende 'Ganzheits'-Denken ist nicht nur auf dem politischen Gebiet auf dem Vormarsch, auf den Gebieten vieler gesellschaftlicher Theorien, oder philosophischer Teilaspekte: Es 'verbirgt' sich leider auch immer öfter hinter sog. 'seriösen' Populär- oder Naturwissenschaflern, die in der 'kulturellen Spiritualität' des nächsten Jahrtausend ihre Chancen erblicken. Es bleibt abzuwarten, ob es den verschiedenen Spielarten des Irrationa- lismus gelingt, eine zentrale Rolle im nächsten Jahrhundert einzunehmen? Das warenproduzierende System jedenfalls wird nicht unberührt davon bleiben; denn gerade in den gesellschaftlichen und ökonmomischen Krisen werden auch die Irrationalismen der Tempelwissenschaftler auf die Spitze getrieben, und wuchern wie ein Metastase-Geschwür weiter. (34)

Anmerkungen:

(28) Überhaupt ist BUTTLARs Interpretation des Lebens äußerst kurios, und kommt in die Nähe einer postchristlichen Missionsideologie, wenn er etwa unter dem Vorwand der biologischen Existenz auf anderen Planeten formuliert: 'Der kritische Punkt, den die Menschheit heute bedauerlicherweise erreicht hat, könnte auf der anderen Seite eine Weiterentwicklung zu einernoch höheren Ordnung einleiten - wenn der Mensch in dieser Übergangsphase nicht untergeht....Dann könnte das den Aufstieg vom Homo sapiens zum Homo superior bedeuten...In anderen Worten, die Herausforderung durch neue Umwelteinflüsse führt schließlich in den höheren Lebensformen zu größerer Flexibilität, durch psychi- sche und physische Veränderungen - Mutation der Steuerungsme- chanismen.' ('Die Einstein-Rosen-Brücke', S. 189).

(29) Vgl. BUTTLAR: 'Adams Planet' ,S. 33ff.

(30) URI GELLER: Israelischer 'Magier'; zog im Januar 1974 Millionen Menschen vor die Bildschirme, als er per 'Telekinese' Gabeln verbog und defekte Uhren zum Ticken brachte. GELLERs 'parapsychologische Fähigkeiten' stellten sich später als ausgemachter Schwindel und hausbackene Zauberei heraus. MARTIN GARDNER entlarvte in seinem Buch 'Kabarett der Täuschungen' (Frankfurt/M. 1981) GELLERs 'dunkle Kunst' und stellte fest: 'Der zentrale Punkt ist der...GELLER und die löffelbiegenden Kinder sind in der Tat Schwindler, aber die Gründe für diese Denkweise haben nichts mit der Tatsache zu tun, daß der angenommene 'Geller-Effekt' durch keine angemessene physikalische Theorie untermauert wird. Sie resultiert aus der Tatsache, daß die Darbierungstechniken für betrügeri- sches Metallbiegen nun allgemein bekannt sind, und daß sich das Metall immer dann weigert, sich zu biegen, wenn die Kontrollen der Wildheit der Behauptung angemessen sind.' (S. 86) In einem späteren Beitrag möchte ich mich speziell mit URI GELLER be- schäftigen.

(31) GALILEO GALILEI: Italien. Mathematiker, Physiker und Philosoph, *Pisa 15.2. 1564, Arcetri (heute zu Florenz) 8.1. 1642; wurde 1589 Prof. in Pisa, 1592 in Padua, 1610 Hofmathematiker und Hofphilosoph des Großherzogs von Florenz; wurde durch die Einführung des systemat. Experiments und der induktiven Methode zum Begründer der neueren Naturwissenschaft. Mit seinen Untersuchungen zur Fall- und Wurfbewegung begründete GALILEI die moderne Kinematik. Er baute 1610 das 1609 in Holland erfundene Fernrohr nach und beobachtete damit u.a. die Phasen der Venus, die Mondgebirge, die vier größten Jupitermonde (Galileische Monde), den Ring des Saturn sowie die Zusammensetzung der Milchstraße aus vielen Sternen. GALILEI trat seit 1610 öffentlich für das heliozentr. Weltsystem des N.KOPERNIKUS ein. 1613 entwickelte er seine Vorstellungen über das Verhältnis der Bibel zur Naturerkenntnis und v.a. zum heliozentr. System, die eine Neuinterpre- tation der Hl. Schrift erforderten. Dies führte zu einer ersten Auseinander- setzung mit der röm. Kirche, die 1616 mit dem Verbot dieser Lehre durch den Papst antwortete. Seine Schrift »Dialogo« (1632) führte zum Prozess gegen G.; am 22.6. 1633 musste er »seinem Irrtum« abschwören und wurde zu Hausarrest in seinem Landhaus in Arcetri verurteilt. In der Haft verfasste er trotz seiner Erblindung die »Discorsi e dimostrazioni matematiche« (Leiden 1638), in denen er physikal. Probleme wie die Fallgesetze behandelte; als einer der Ersten in Italien bediente sich GALILEI bei seinen Schriften der Muttersprache. 1992 wurde GALILEI von der röm.-kath.Kirche rehabilitiert. GALILEIs Konflikt mit der Kirche wurde wiederholt in der Literatur behandelt, so von B.BRECHT (3.Fassung 1955), M.Brod (1948) und Gertrud von LE FORT (1954). (Zitiert nach: MULTIMEDIAL BROCKHAUS, Mannheim 1998; Artikel: GALILEI, Hervorhebung des Namens durch den Verfasser).

(32) BUTTLAR: 'Adams Planet' , S. 253.  Die Nähe BUTTLARs zum Antroposophen und Theosophen RUDOLF STEINER (1861 - 1925) ist unübersehbar. STEINER, Mitbegründer der ersten WALDORFSCHULE, entfaltete seinen anthroposophischen Denkansatz in zahlreichen Schriften, und sein bis heute weiterexistierender Einfluß auf Architektur, Medizin (Ganzheitsmedizin der Heilpraktiker), Pädagogik, Philosophie, sollte nicht unterschätzt werden. Er schlägt sich in zahlreichen anthroposopischen und theosophischen Vereinigungen und Gesellschaften nieder.

(33) Ebd. S. 139ff.

(34) Der nächste Beitrag zur 'Endzeitlichen Krisenphilosophie' wird sich mit dem apokalyptischen Film befassen.

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