Editorial
Da müsste doch mehr drin sein

von
Karl Mueller

05/10

trend
onlinezeitung

In über 20 Städten der BRD gab es zum diesjährigen 1. Mai revolutionäre und sozialemanzipative Demos, an denen mehrere 10.000 Menschen teilnahmen. Während der politische Reformismus in Gestalt der DGB-Events ausschließlich sein Klientel bediente und dabei noch gewerkschaftsoppositionelle Kräfte verfolgte (siehe dazu z.B. in dieser Ausgabe den Artikel Standverbot zum 1. Mai oder in der letzten DGB diskriminiert erneut linke Gruppen), wurden die antikapitalistischen Demos jeweils von einem breiten Spektrum linker und linksradikaler Strömungen getragen.

Bündnisse an "einem Punkt" einzugehen ist unter Bewegungslinken nicht Neues. Bemerkenswert ist daran jedoch, dass die Bündnisse nicht nur strömungsmäßig breiter werden, sondern dass dabei auch solidarischer mit der jeweils anderen "Linie" umgegangen wird. Das zeigte sich in letzter Zeit z.B. bei den Soli-Aktionen in Sachen Gewerkschaftsverbot FAU, bei der Unterstützung gegen das drohende gewerkschaftliche Auschlussverfahren der "Alternative-IGM-Liste" bei Daimler Berlin-Marienfelde oder auf dem ideologisch heterogen zusammengesetzten Berliner Antikapitalistischen Ratschlag im April zur Vorbereitung der bundesweiten "Anti-Krisen-Demo" am 12. Juni.

Wir haben diese "atmosphärische" Veränderung direkt auf unseren Veranstaltungen im April bemerken können. Während der Filmabende im "kleinen Kreis" war einander Zuhören und  inhaltlich aufeinander Eingehen der Regelfall. In unserer Veranstaltung mit Robert Schlosser diskutierten gemeinsam: TrotzkistInnen, MaoIstinnen, undogmatische Linke, Anarcho-SyndikalistInnen, oppositionelle GewerkschafterInnen und internationale KommunistInnen in einer solidarischen Weise, die Robert Schlosser in der Nachbesprechung als außergewöhnlich und von ihm so nicht erwartet charakterisiert wurde.

Für die Gruppe Arbeitermacht führt dieser unübersehbare Paradigmenwechsel, wie er in den linksradikalen Maidemos sichtbar war, zu einer völlig anderen Bewertung:

"Freilich darf hier nicht verschwiegen werden, dass für diese Entwicklung das vorherrschende, autonome, „linksradikale“, d.h. oft radikal-kleinbürgerliche Bewusstsein ebenso Ausdruck von Kampfwillen wie auch ein Hindernis für eine längerfristige, revolutionär-kommunistische Politik ist, die in der Arbeiterklasse das Subjekt der revolutionären Umwälzung sieht und daher auch eine systematische Politik durchführt zur Gewinnung dieser Klasse."

Statt dieses erreichte Niveau weiter - im Sinne von Klarheit über die nächsten Aufgaben schaffen - auszubauen, legen die GAM-GenossInnen wert darauf, das Trennende zu betonen.

Wir von TREND meinen: Da müsste mehr drin sein.Oder anders: Bauen wir aus den verschiedenen Einpunkt-Bündnissen eine strömungsübergreifende verbindliche Netzstruktur, um programmatische Inhalte der Überwindung des Kapitalismus zu erörtern und eine entsprechende linksradikale Politik gemeinsam in Betrieb, Hochschule und Stadtteil zu entfalten. Durch die Verlagerung der Diskussionspunkte hin zu den Inhalten der Bündnisanlässe werden natürlich Ressourcen gebunden, die bisher im Org-Bereich der Bündnisse verbraucht wurden. Daher kann die Ablösung der bisherigen fast auschließlich additiven Bündnis- und Bewegungspolitik auch nicht ohne neue Organisationsstrukturen vollzogen werden. Jedoch wäre es ein gravierender Fehler diese Organisationsfrage auf die Parteifrage zu reduzieren.

Mögen diese Vorschläge ein wenig abgehoben erscheinen. Doch wenn die sozialen Kämpfe aufhören reine Defensivkämpfe zu sein, weil die "Klasse" aufgrund der Krisenentwicklung in die Offensive gehen muss, dann braucht sie programmatische Grundlagen für eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus. Wann will sie die erarbeiten, wenn nicht jetzt? Für die Revolutionierung der Gesellschaft  durch  das dialektische Zusammensspiel von Aktion und Aufklärung sind die passenden von der "Klasse" selbstorganisierten Strukturen unverzichtbar. Wann will sie diese schaffen - wenn nicht jetzt?

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Eine unserer Aprilveranstaltungen befasste sich mit dem "Aufstand im Kiez". Hier kam es zu einer interessanten Debatte mit GenossInnen von der Stadtteilversammlung Neukölln. Sie motivierte uns für diese Ausgabe ein "TREND-Thema" zum kapitalistischen Stadtumbau einzurichten. Hier sollen Texte, die Hintergrundinformationen liefern, der aktuellen Diskussion - speziell in unseren Zusammenhängen im Schillerkiez - zugeführt werden.

Im direkten Zusammenhang steht dazu der Artikel  mit dem etwas anstößigen Titel "Der rot-rote Senat füttert die Heuschrecken". Wir haben ihn dennoch hereingenommen, weil er deutlich illustriert, was es heißt, wenn die Wohnungswirtschaft nicht "gemeinwirtschaftlich" organisiert wird, sondern der Profitabschöpfung dient.

Übrigens über Bodenpreise und Grundrente findet sich Grundsätzliches auch in den Materialien über bürgerliche politische Ökonomie in England.

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Wir haben das Jubiläum  tatsächlich verschlafen. Im März 2010 hätte es heißen müssen: 25 Jahre TREND, denn die erste Ausgabe,d.h. die 1. Printausgabe, erschien am 20.3. 1985. Damit nun wiederum das Ende der Printausgaben im Juni 1995 nicht wieder übersehen wird, wollen wir schon mal jetzt daran erinnern und empfehlen, diese Ausgabe in Ruhe zu studieren. Bei manchen Fragen hat sie nicht an Aktualität eingebüßt. Und schließlich möchten wir, wenn wir schon bei Jahrestagen angelangt sind, daraufhin weisen, dass es im Januar 2011 heißen wird 15 Jahre TREND online. Dann werden wir feiern und diskutieren - mindestens so toll - wie es am 10. Jahrestag abging.
 

TREND(s) im Netz - hier die jüngsten Zahlen:

Die BesucherInnenzahlen vom April 2010, in Klammern 2009, 2008

  • Infopartisan gesamt:   143.207 ( 113.317, 164.738  )
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  • 5.300  BesucherInnen besuchten das Rockarchiv
  • 7.637 Seiten wurden im Rockarchiv abgerufen
  • 41 Mal wurden die Flugblätter der Haschrebellen gelesen

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