Editorial
Einen Schritt vor und mindestens zwei zurück

von Karl-Heinz Schubert

09/2018

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Mit überwiegender Mehrheit hatten die meisten KPD-Mitglieder es als einen Schritt in die richtige Richtung angesehen, anstelle der alten KPD im September 1968 eine neue KP zu gründen, mit der es möglich wurde, da vorher mit dem Bundesinnenmisterium ausgelotet, wieder legal am politischen Leben Teil zu nehmen. Auf ihrem 1. Parteitag im April 1969 konnte daher auch festgestellt werden, dass die Partei nun 22.000 Mitglieder in ihren Reihen zählte. Und obgleich die Mitgliederzahl bis 1981 auf rund 50.000 anwuchs, das Parteiorgan "Unsere Zeit" mit finanzieller Unterstützung durch die DDR ab 1975 sogar als Tageszeitung herausgegeben werden konnte, blieb die DKP eine Splitterpartei. Der Schritt der Neukonstituierung erwies sich als ein Schritt, der keiner nach vorn war.

Obwohl die Verankerung in den Betrieben die Hauptlinie ihrer Klassenpolitik darstellte, gewann die DKP zu ihren besten Zeiten bundesweit nur 600 (!) von 200.000 Betriebsratsmandaten. Spiegelbildlich dazu verhielt es sich mit den Wahlerergebnissen, die  - abgesehen von kleinen örtlichen Mandatsgewinnen - sich bei bei den Bundestagswahlen zwischen 1972 und 1983 irgendwo bei 0,2 bis 0,3 Prozent einpendelten. Von da an pausierte die DKP bei den Bundestagswahlen bis 2009, wo sie dann 1.894 Stimmen erhielt.

Dass die DKP in den 1970er und 1980er Jahren nicht aus ihrem Splitterparteidasein herauskam, hing nämlich unmittelbar mit ihrer Gründung zusammen. Vier Wochen vor ihrer Gründung hatten die Warschauer Pakttruppen die sozialistische CSSR überfallen, um die dortigen wirtschaftlichen Kursänderungen und politischen Liberalisierungen zu unterbinden. Die revolutionäre Linke in der BRD und Westberlin verurteilte diesen Überfall, während die DKP sich nicht entblödete, in ihrer Erklärung zur Neukonstituierung zu schreiben:

"Wir sind der Meinung, daß in der CSSR eine ernste Gefahr, sowohl für die sozialisti­sche Gesellschafts- und Staatsordnung im Innern des Landes, wie für die Sicherheitsinteressen aller im Warschauer Vertrag vereinigten sozialistischen Länder und den Frieden in Europa entstanden war. Das militärische Eingreifen der fünf sozialistischen Länder galt ausschließlich der Beseitigung dieser Gefah­ren."

Damit hatte die DKP den strömungsübergreifenden Bündnisblock der außerparlamentarischen Opposition (APO), wie er sich im Zuge der Jugend- und Student*innenbewegung ab 1966 herausgebildet hatte und dessen gesellschaftliche Relevanz mit 80.000 Demo-Teilnehmer*innen im Frühsommer 1968 gegen die Notstandgesetze in Bonn zum Ausdruck kam, schlichtweg gespalten. Die Einheit der Klassenlinken, also derer politisch herzustellen, die in der Arbeiter*innenklasse das historische Subjekt sahen, um in Klassenkämpfen auf dieser Grundlage eine Partei der Arbeiter*innenklasse schaffen, war deutlich weniger wichtig als die Vasallentreue zu der sich sozialimperialistisch gebärdenden KPdSU.

Hervorgerufen durch den DKP-Spaltpilz folgte anstelle der Einheit der Klassenlinken in den 1970er Jahren als Reaktion darauf die sogenannte K-Gruppenbewegung, in der sich viele aus der APO in Konkurrenz zur DKP organisierten, aber deren politischer Einfluß gleich dem der DKP signifikant marginal blieb. Die Spuren der K-Gruppen verliefen sich in den 1980er Jahren mit Ausnahme der MLPD im grün-alternativen Milieu und später ab 1990 noch einmal in den sozialdemokratischen PDS-Strukturen.

Die Implosionen fast aller staatskapitalistischen Staaten nach 1989 hatte speziell für die moskautreue DKP verheerende Folgen. Sie bezahlte ihre Vasallentreue mit einem rasanten Mitgliederschwund. So ging es weitere Schritte zurück. Heute nach 50 Jahren steht die DKP - Zerfallen in drei Flügel - als Zirkel mit Parteietikett geschmückt - vor dem Ende ihrer Geschichte.

Bekanntlich machen die Menschen ihre Geschichte selbst und werden nicht von höheren Wesen dazu getrieben. Wenn es dann trotzdem an selbstkritischer Wahrnehmung mangelt, dann liegen die Ursachen dafür in letzter Instanz in den von den Menschen geschaffenen materiellen Bedingungen. Diese sind nur in ihrer Gesamtheit zu begreifen, so dass es den konkreten Individuen bisweilen schwerfällt, sich darin zu verorten.

So ein Fall stellt nicht nur die DKP dar, deren Parteivorsitzender Köbele unlängst in der "Jungen Welt" vom 11.8.2018 auf die Frage nach Fehlern in der Geschichte der DKP kopfstur antwortete: "Natürlich haben wir auch Fehler gemacht, aber eben Fehler im Rahmen des prinzipiell Richtigen." Auch der erneute Versuch in Berlin ein weiteres wohnungspolitisches Volksbegehren auf den Weg zu bringen, ist von dieser Mentalität geprägt.

Michael Prütz, einer der Protagonisten des gescheiterten Volksbegehrens "Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin" von 2015 rödelt bereits wieder - bar jeden Selbstzweifels - für eine weitere "populistische Kampagne" unter dem Titel "Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen". Und wieder wird für einen politischen "Schritt nach vorn" die Trommel gerührt, obgleich schon jetzt klar ist, dass es ein Schritt zurück werden wird, weil er den sozialpolitischen Kampf gegen die Wohnungsnot spaltet. "Das Volksbegehren bezieht sich ausschließlich auf eine mögliche Mietpreisdämpfung in einem kleinen Teil des Berliner Bestands – die Rede ist von bis zu 200.000 Wohnungen. Das Hauptproblem des Berliner Wohnungsmarkts, die Schaffung von bezahlbarem neuem Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten, wird dabei ausgeklammert."(R. Balcerowiak)

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Aufgrund der Erfahrung mit politischen Schritten, denen ein Vorwärts unterstellt wird, wenngleich sie einen Rückschritt einleiten,  wurde der  Sonderschwerpunkt "50 Jahre DKP" aufgelegt. Er soll unseren Leser*innen die DKP-Gründungsgeschichte als Inkubation des heutigen Endzustand näherbringen. Wir würden uns über sachdienliche kritische Stellungnahmen und Ergänzungen zu diesem Thema freuen.

Übrigens - nach dem wir das oben angesprochene "Junge Welt"-Interview gelesen hatten, sahen wir es als gerechtfertigt angesehen, den DKP-Schwerpunkt auf unserer Titelseite in dieser Weise grafisch zu karikieren.

Weitere Highlights dieser Ausgabe sind für uns folgende: Der Leseauszug von Max Bryms Roman "Verrat in München und Burghausen", Richard Albrechts Beschäftigung mit der destruktiven Wirtschaftspolitik der Deutschen Bahn, Christian Girschners ausführliche Besprechung von Manlio Dinucci: Die Kunst des Krieges und Bernard Schmids Exklusivbericht für TREND aus Mali.

Und noch ein wenig Statistik zum Schluss

Quelle am 3.9.2018
https://www.alexa.com/siteinfo/infopartisan.net