Editorial
Theorie und Praxis

von Karl Mueller

06/11

trend
onlinezeitung

Der nach dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten bei der BRD-Linken aus der Mode gekommene LENIN formulierte in seiner organisationstheoretischen Schrift "Was tun" (1902)  mit ausdrücklichem Bezug auf Friedrich Engels: "Ohne revolutionäre Theorie kann er auch keine revolutionäre Bewegung geben".  Der besonders bei AnarchistInnen, Spontis und akademischen MarxistInnen unbeliebte Engels hatte (1874)  nämlich im Hinblick auf die damalige deutsche ArbeiterInnenbewegung folgendes hervorgehoben:

"Zum erstenmal, seit eine Arbeiterbewegung besteht, wird der Kampf nach seinen drei Seiten hin - nach der theoretischen, der politischen und der praktisch-ökonomischen (Widerstand gegen die Kapitalisten) - im Einklang und Zusammenhang und planmäßig geführt." (MEW, 18, S. 516f)

Seit es in der BRD wieder klassenkämpferische Blocks bei ersten Mai-Demos gibt, ist auch zunehmend mehr von der Organisierung des Klassenkampfes die Rede - siehe dazu die Mai-Aufrufe in TREND 4/2011. Auf diesem Resonanzboden verfassten die "Schöneberger SozialistInnen" einen Beitrag zur Schaffung einer "antikapitalistischen Organisation", den wir in TREND. 3/2011 veröffentlichten.

In diesem Beitrag - ebenso wie in vielen Maiaufrufen und anderen Gründungspapieren - wie auch in dem 10-Punkte-Papier von Detlef Georgia Schulze ist viel von Kämpfen und ihrer (möglichen) Organisierung die Rede - bis hin zur Frage "Welche Organisation, Gruppe oder Strömung schließt sich mit wem zusammen?" - aber wenig bis gar nichts vom theoretischen Kampf  als einer der drei Seiten des Klassenkampfes, wie der Altmeister Engels dies zurecht hervorgehoben hat. Nehmen wir einmal zur exemplarischen Illlustration ein Zitat aus dem 10-Punkte Papier. Bei der Überlegung - wer könne sich mit wem zusammenschließen - bemerkt Detlef Georgia Schulze:

"Auch Zeitschriftenprojekte wie Gegenstandpunkt und Krisis scheinen mir für das vorgeschlagene Projekt nicht in Betracht zu kommen. Stehen deren theoretischen Positionen auch qualitativ höher als die der MLPD, so kennzeichnet sie doch eine im vorliegenden Zusammenhang unbrauchbare Politikferne und ein teilweise sektiererisches Diskussionsverhalten und ein hermetischer Schreibstil, für die insoweit das gleiche gilt: jedenfalls für politische Praxis ungeeignet."

Hier zeigt sich beispielhaft, wie die theoretische Arbeit sowohl von der praktischen- ökonomischen wie von der  politischen Seite des Klassenkampfes abgespalten wird, indem ein  mechanisches Gegenüberstellen von Theorie und Praxis erfolgt: Die theoretischen Leistungen (bzw. ggf. Fehlleistungen) von "Gegenstandpunkt" und "Krisis" sind zwar "qualitativ höher" als die der bewegungssozialistische Parteiorganisation MLPD einzuschätzen, aber dafür "unbrauchbar Politikfern". Ob sie richtig oder falsch sind, d.h. für die Entfaltung einer sozialemanzipatorischen  Praxis nützlich, ist als Frage damit schlichtweg erledigt.

Detlef Georgia Schulze hat seine 10 Disko-Punkte akribisch-fleißig und enzyklopädisch unnachahmlich aufbereitet. Dafür gehört ihm Anerkennung gezollt. Doch darf andererseits nicht übersehen werden, dass sein Papier letztlich über eine organisationstechnische Behandlung der Frage: Wie gelingt es, dass die proletarische Klasse sich selbstorganisiert und auf allen drei Seiten des Klassenkampfes das Haupt erhebt? nicht hinauskommt. Damit löst er inhaltlich nicht die eindimensionale Behandlung der Organisationsfrage auf, wie sie durch das "Schöneberger Papier" vorgegeben wird.

In den Vorbesprechungen zu der Pro & Contra-Veranstaltung mit den "Schönebergern" betonte Karl-Heinz Schubert, der das Schöneberger Papier dort kritisieren wird, dass die adäquate Behandlung des Verhältnisses von Theorie und Praxis eine der Schlüsselfragen sowohl für das revolutionäre Ziel der Aufhebung der Kapitalistischen Produktionsweise  als auch für den Tageskampf um radikale Reformen ist. Er wird diese Thematik unter der besondere Fragestellung der Schaffung einer antikapitalistischen Organisation behandeln und versuchen zu zeigen, dass im Hinblick darauf in der Organisationsfrage zwischen Parteibildungsprozess und Parteiaufbau sehr wohl unterschieden werden muss. Diesen Unterschied nicht zu beachten, führt seiner Meinung nach wie 1968/69 notwendigerweise in eine Sackgasse. Wer sich politisch mit dem Proletariat verbinden will, um dessen Selbstorganisierungprozeß voranzutreiben, und dafür eine Organisation schaffen will, der muss eine klare Vorstellung von der proletarischen Klasse und ihrer Zusammensetzung haben. Dabei handelt es sich nicht um ein statisches Abbild, sondern um die Widerspiegelung von Prozessen. Mithin wird die Untersuchung - verstanden als theoretische Arbeit  selbst zum praktischen Teil im Parteibildungsprozess (untersuchen - kämpfen -organisieren) , der (hoffentlich) immer mehr Teile des Proletariats einbezieht.

Karl-Heinz Schubert hat uns zugesagt, in den nächsten Tagen dazu einige Thesen zu liefern, zu denen er in der Veranstaltung KLASSE & PARTEI weitere Ausführungen machen wird, die wir hier veröffentlichen werden.

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