Editorial
Sozialismus - muss sein!

von Karl Mueller

07-2013

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Der Arbeitskreis Kapitalismus aufheben (AKKA) teilte uns im Laufe des Monats Juni mit, dass er sich mit dem Genossen Helmut Dunkhase über die Durchführung einer Veranstaltung zum Thema "Planwirtschaft auf der Höhe der Zeit" im Oktober 2013 geeinigt habe. Daher haben wir uns entschieden, diese Veranstaltung mit weiterführender und ergänzender Literatur mit vorzubereiten helfen.

Die ersten diesbezüglichen Texte sind in der vorliegenden Ausgabe in der Rubrik "Texte zur Ökonomie"zu finden. In der Nr. 5 veröffentlichten wir bereits Helmut Dunkhases Basistext zur Veranstaltung Planwirtschaft – auf der Höhe der Zeit, in dem er den Zusammenhang von Planwirtschaft und Arbeitszeitrechnung darlegt. In dieser Ausgabe stellen wir auszugsweise einen Klassikertext "Prinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung" zur Verfügung, der sich bereits 1930 mit dem Verhältnis von Planwirtschaft und Arbeitszeitrechnung befasste, als an die heutigen datenelektronischen Möglichkeiten für solche umfangreichen Berechnungen noch gar nicht zu denken war. Helmut Dunkhase bezieht sich mit seinen Überlegungen stark auf das Konzept von Planwirtschaft, das von W. Paul Cockshott & Allin Cottrell 1993 entwickelt wurde. Wie der Zusammenhang zwischen der kommunalen Basis und den zentralen Planungsinstrumentarien gestaltet werden könnte, beschreibt das sogenannte "12." Kapitel "Die Kommune" von Cockshott & Cottrells Buch "Alternativen aus dem Rechner".

Damit die ökonomischen Instrumente und die sozialen Prozesse zur Lenkung und Entwicklung einer kommunistischen Wirtschaftsweise sich überhaupt herausbilden können, die dem Genossen Helmut Dunkhase vorschweben,  muss das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben sein. Diese Expropriation der Expropriateure ist somit ein den Kommunismus konstituierender historischer Akt, den allein die lohnarbeitenden Massen in der Lage sind zu vollziehen, weil sie die Repräsentanten und Macher der im Privateigentum eingeschlossenen vergesellschafteten Produktions- und Reproduktionsverhätnisse sind. Jeder historische Akt hat sozusagen seinen Vorlauf und sein Nachspiel - kurzum er ist Teil eines - in diesem Fall - revolutionären Prozesses. Wenn nun die Abschaffung des Privateigentums als Prozess in der Hand der lohnabhängigen Massen verstanden wird, dann folgt daraus notwendiger Weise eine Gesellschaft im Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus. Ich nenne sie ganz klassisch SOZIALISMUS. 

Meines Erachtens gibt es nicht den wahren oder echten oder richtigen Sozialismus als das richtungsweisende Konzept, sondern es gibt immer nur - aufgrund der vorgefundenen konkreten Klassenverhältnisse und der bisher gemachten Erfahrungen mit den sozialrevolutionären Umwälzungen und deren historischen Resultaten - die Möglichkeit, die andere, die zukünftige Gesellschaft so zu formen, wie sie aus den Kämpfen zur Aufhebung der kapitalistischen Produktionweise hervorgeht. Erst bei diesem Übergang wird sich zeigen, ob die objektiven und die subjektiven Bedingungen ausreichen, dass die Menschen ihre Geschichte selber gestalten.  Eine Garantie fürs Gelingen gibt es nicht. Die holländischen Kommunisten weisen deshalb deutlich daraufhin, welche negativen Entwicklungen im Übergang möglich sein können:

"Die proletarische Diktatur braucht in ihrer ersten Existenzperiode ungeheuer viel Geld, das sie sich wahrscheinlich auf dieselbe Weise verschaffen muß, wie die kapitalistischen Staaten in Mitteleuropa in der Nachkriegszeit durch die Banknotenpresse. Die Folge davon ist eine starke Inflation des Geldes, ein Emporklettern der Preise aller Produkte. Es handelt sich nicht darum, ob eine solche bewußte Inflation erwünscht ist; wenn es zu vermeiden wäre, würde sicher die proletarische Gewalt dem vorbeugen. Die Erscheinung der Geldentwertung tritt eben mit jeder umwälzend-revolutionären Bewegung in den Vordergrund. Wie die Revolution nun auch verläuft, ob sie zum Staatskommunismus führt oder zur Assoziation freier und gleicher Produzenten, ob es einer Partei gelingt, die Diktatur an sich zu reißen, oder daß die proletarische Klasse als solche durch ihre Räte sie ausübt, auf jeden Fall tritt die Inflation ein."

Wir ergänzen den Diskurs über Arbeitszeitrechnungen durch die Vorstellung eines von solchen Berechnungen unabhängigen Rechts auf Grundeinkommen im Sozialismus/Kommunismus. Karl Reitter vertritt diesen Ansatz, weil er in Bezug auf nachkapitalistische Gesellschaften der Meinung ist, "dass wir heute über keinerlei Modell verfügen, das wir als klares Ziel formulieren können".

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Im Juli wird der dritte "UmsGanze!-Kongress" in der Berliner TU durchgeführt. Das UmsGanze!-Bündnis labelt sich bekanntlich als ein Zusammenschluss  "linksradikaler und kommunistischer Gruppen". Für dieses Bündnis und seinen Kongress ist kennzeichnend, dass viel von "linksradikaler Gesellschaftskritik" die Rede ist, aber die große inhaltliche Leere gähnt, wo es um den Kampf für eine nichtkapitalistischen Gesellschaft und ihre sozialistisch/kommunistischen Prinzipien geht.  Stattdessen sollen beim Kongress  Begrifflichkeiten zur Krisenkritik  entwickelt und verbessert werden. Daher gilt es auch einen Begriff von "Postmarxismus" diskursiv zu elaborieren, dem "strukturale, dekonstruktive, biopolitische etc. Lesarten" zugrundeliegen. Natürlich soll auch die politische Praxis nicht zu kurz kommen. Auf dem Kongress des UmsGanze!-Bündniss will die Gruppe "AZE",  eine politische Gruppe aus Berlin, anhand der mietpolitischen  Konflikte in Berlin "antikapitalistische Interventionen und linksradikale Organisierung" reflektieren. Leider ist das, was sich hier wortradikal inszeniert, nicht mehr als ein Pausenstopp beim "Hüpfen von Kampagne zu Kampagne".

Symbolträchtige Inszenierungen auf der Straße und dazwischen Pausenstopps mit eloquent aufgemotzten Kongressen ersparen mühselige Kleinarbeit an der Seite der Lohnabhängigen entlang der Klassenlinie zwischen Proletariat und Bourgeosie und verhelfen stattdessen dem/r einen oder andern sogar zu einer guten Note beim Bachelorabschluss.

Trotz zahlreicher Differenzen in der Konkurrenz bei der Arbeit am Begriff von "A" wie Bini Adamczak bis "W" wie Frieder Otto Wolf, was alle eint: Die ideologische Trennungslinie zu einer Politik, die im Proletariat das historische Subjekt sieht und bemüht ist, die Kritik der kapitalistischen Gesellschaft in eine sozialistische Alternative praktisch zu wenden.

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Nun ist es ja nicht so, dass sich aus der Entscheidung, linke Politik als sozialistische Klassenpolitik zu betreiben, ein einfacher politischer Fahrplan ableiten ließe. Nein, es werden bisweilen nicht mal die ersten Schritte der Annonce, sich theoretisch und praktisch für die Aufhebung des Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft stark zu machen, umgesetzt.

Prädestiniert für solche gegen die Wand gefahrenen Projekte, sind jene, wo sich ihre ProtagonistInnen für "subjektive Revolutionäre" halten. Dazu zwei aktuelle Beispiele:

Nach dem offensichtlich fürs subjektiv bestimmte revolutionäre Ziel Koopangebote an Spektren jenseits des trotzkistischen Lagers - begleitet von Mitgliederschwund in den eigenen Reihen - gescheitert sind, organisiert die "Initiative für eine neue antikapitalistische Organisation" (NaO)  heute lieber plakative Veranstaltungen, z.B. solche mit trotzkistische Großkopferten als Zugpferde, und freut sich riesig, dass ihr trotzkistisches Fußvolk für einen Abend einen mittelgroßen Raum füllt. Nebenbei lügt sie sich in die Tasche, sie habe die 1.revolutionäre Mai-Demo 2013 in Berlin angeführt. Dass so eine Gschaftelhuberei Zerfall statt Überwindung von Zersplitterung befördert, wie nun das Beispiel Sozialistische Koordination zeigt, scheint für NaO-Revolutionäre dagegen keine Diskussion wert. Der revolutionär-sozialistische NaO-Tiger erweist sich in der Tat als zahnlose sozialdemokratische Hauskatze.

Das zweite traurige Beispiel ist das sogenannte Karl-Marx-Forum, mit dem für das Bochumer Programm geworben und weitere ProtagonistInnen akquiriert werden sollten. In Konkurrenz zum NaO-Projekt entstanden, erwies sich der politische Gegner als Projektklebstoff, der schnell brüchig wurde, als es mit ihm ideologisch nichts mehr zu ringen gab. Sozusagen auf sich selber zurückgeworfen, brachen die inneren Widersprüche auf, wurde das Forum vorübergehend geschlossen und als Selbsterfahrungseinrichtung mit sozialtherapeutischen Spielregeln (inclusive Schreibverbot für Unliebsame) neu eröffnet. Alles weitere dazu findet sich in den diesbezüglichen Stellungnahmen von Robert Schlosser.

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Im Rahmen unserer ständigen Rubrik "Stadtumbau & Stadtteilkämpfe" erinnern wir mit den Szenen aus der westberliner BesetzerInnenbewegung an Politikformen und -inhalte, die wären sie stylish ein wenig anders gepimpt und man würde von der Zahl der besetzten Häuser mal abgesehen, sie sich so lesen, als wäre das Geschilderte grad gestern abgelaufen. Doch das Erschreckende daran ist, dass die Vision, die Benny Härlin an Ende formuliert, sich im wesentlichen bewahrheitet hat. Deshalb sollten die "Szenen" auch als Warnung gelesen werden. Nämlich, dass für die gegenwärtige stadtpolitische Bewegung von Unten das Ende der 1981er Bewegung bald recht nahe ist, wenn sich dort nicht die Einsicht verbreitet, "dass die Mieterbewegung sich als Teil des Kampfes der Arbeiterklasse verstehen und größere Teile der Klasse dafür gewinnen muss", wie es Hannes Hohn von der Gruppe Arbeitermacht in der vorliegenden Ausgabe formuliert.

Ähnlich sieht es Klaus L. von der DKP und erweitert den klassenpolitischen Ansatz, indem  er fordert, dass im Kampf um Wohnen und Miete, das Augenmerk auch auf die Kapitalseite gelegt werden muss. Es wäre nicht ausreichend, folgert er, mit einer "mietenpolitischen Universalfloskel" wie  z.B. „Recht auf Stadt (für alle)“ antikapitalistische Politik machen zu wollen: "Das bloße „Recht auf“ führt nicht zu Eingriffen in die Profitwirtschaft. Stattdessen sind konkrete Forderungen aus der politisch-ökonomischen Analyse des Verwertungszusammenhangs abzuleiten und entlang der Konfliklinien realer Mieterkämpfe zu stellen."

In die Profitwirtschaft der Immobilienbranche einzugreifen, hieße im Sinne von Friedrich Engels "durch die allmähliche ökonomische Ausgleichung von Nachfrage und Angebot" die Wohnungsfrage zu lösen. Aber unter kapitalistischen Bedingungen ist diese Lösung nur in historischen Sonderfällen vorübergehend und vielleicht auch nur lokal möglich - daher:

Um die Wohnungsfrage dauerhaft zu lösen, kann dies  "natürlich nur durch Expropriation der heutigen Besitzer, resp. durch Bequartierung ihrer Häuser mit obdachlosen oder in ihren bisherigen Wohnungen übermäßig zusammengedrängten Arbeitern geschehen, und sobald das Proletariat die politische Macht erobert hat, wird eine solche, durch das öffentliche Wohl gebotene Maßregel ebenso leicht ausführbar sein wie andere Expropriationen und Einquartierungen durch den heutigen Staat." (MEW 18/226f)

Ergo: Der Sozialismus ist heute ein absolutes Muss.

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