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GELSENKIRCHEN, im Mai 1999

Aspekte der endzeitlichen Krisenphilosophie
Naht das Millennium? Teil V
DER IRRATIONALISMUS HAT VIELE GESICHTER 
IN WEM STECKT DIE BÖSE SEELE?
DIE "UNERKLÄRLICHEN" PHÄNOMENE DER "AKTE-X"  UND ANDERER MYSTISCHER FERNSEHWELTEN

von DIETMAR KESTEN

05/99
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Laut einer Forsa-Umfrage glauben über 80 Prozent der Deutschen an Übersinnliches, Seelenwanderungen, Kontakte mit dem Jenseits, Zukunftsvisionen, Zeitverschiebungen. Da mag es nicht verwundern, wenn vor diesem Hintergrund Mysterie-Serien im Fernsehen Hochkonjunktur haben, auf ein Massenpublikum zurückgreifen können. Die Höllenfahrt in das Land hinter dem Regenbogen begann mit der berühmten Saga des DAVID LYNCH, (1) der seit Mitte der 80er Jahre in Amerika an einer Fernsehserie strickte, die geheimnisvoll jenen mephistophelischen "Normalen" auferstehen ließ, der zu den Horrorvorstellungen der Moderne gehört.

LYNCH, der später vor allem mit WILD AT HEART (2) bekannt wurde, stellte für die amerikanische Fernsehgesellschaft ABC eine Mysterie-Serie zusammen, die zunächst in 7 Folgen gesendet wurde, und den geheimnisvollen Namen TWIN PEAKS trug. Der Mythos der Serie, die zu Beginn der 90er Jahre auch erfolgreich in Deutschland lief, ist simpel: Symptome der gesellschaftlichen Wirklichkeit werden funktionalisiert, bis sie nur noch aus Mythen ungebundener Denkstruktion dieser Triebkräfte bestehen, die die "dunkle Seite" der Seele beleuchten, Zukunftslosigkeit, Verwirrung der Zeit und des räumlichen Universums, das Kontradiktorische daß sich als kurzer Spot hinter die Erinnerung zurückschleicht.

Das, was aus DANTEs "Göttlicher Komödie" bekannt ist, dürfte für TWIN PEAKS eine Vorreiterrolle gehabt haben: Dinge "sehen", die noch kein Mensch vorher "gesehen" hat, Weltuntergangsvisionen auf einer symbolhaften Ebene. Wenn man hart am Stoff bleibt, und die Suche nach Artefakten nicht in vorgefertige Szenarien hineininterpretiert, dann ist TWIN PEAKS das Ende des Triebverzichts und die Vorbereitung auf die Höllenangst. Dort lauert der MYSTERY MAN hinter einem roten Vorhang, in einem schalldichten, luftleeren Jenseits und zieht verborgen die Fäden, hält mit den Schädelmessern und Zuchtbuchprüfern nach wehrhaften Propheten und Gesandten Ausschau wenn es um die Bestimmung des Wahren und des Edlen, der ästhetischen Vorlieben, und der Abneigung gegen reflektierendes Denken jeder Art geht.

Die Serie, als sie in den USA anlief, konnte natürlich auf unzählige andere filmische Variationen zurückgreifen, in denen das verkapselte Ende über die Bühne ging. (3) Das kulturelle Erbe dieser dunklen Wolken wurde dort nur noch von einer Fernsehserie übertrumpft, die ebenfalls zu Beginn der 90er Jahre startete und regelmäßig mehr als ca. 20 Millionen Amerikaner/innen pro Folge in den Bann zieht. Gemeint ist THE X-FILES, die in der Zwischenzeit auch in Deutschland unter AKTE-X (4) ca. 4 bis 5 Millionen Zuschauer pro Sendung hat. Die Moderne hat zum ausgehenden 20. Jahrhundert nicht nur Cyberspace, New-Age-Bewegung, Telepathie für die Wissenschaft, Astrologie, Pendeln, Stuhlrücken, Kartenlegen, Geisterheiler, Bachblütentherapie etc. hervorgebracht, sondern auch eine pseudokulturwissenschafliche Theorie, mit der der "Untergang des Abendlandes" eingeläutet werden soll.

Dazu führt MANFRED SCHNEIDER aus: "Die Apokalypsendiskurse nehmen offenbar proportional mit der Lebenserwartung zu. Die Endzeit kann endgültig ausgerufen, sie kann aber auch als Auftakt zu einer neuen Neuzeit angekündigt werden. Jede Vergangenheit sinkt als ein gewesenes Weltende in die Archive. Nicht nur die großen Bücher wie OSWALD SPRENGLERs "Der Untergang des Abendlandes" markieren in unserem Jahrhundert dieses unaufhörliche Endzeitgerede, aus der sich Politiker ihre Gründe holen, ganze Bücherschränke sind voll davon." (5) Diese Apokalyptik, in der immer Endzeit vorherrscht, in der es immer um ein kurz bevorstehendes Weltenende, herannahendes oder herbeigesehntes geht, ist die Zerrissenheit des Menschen unserer Tage, "nämlich der Zerrissenheit zwischen Fortschrittsglauben und Dekadenzbewußtsein". (6) Als Ersatzreligiosität drückt sie in verzerrter Weise ein unbewußtes Bedürfnis unserer Zeit aus; denn das mystische Erbe ist ein typisches Produkt des 20. Jahrhunderts, der Moderne, des Atomzeitalters; und seine Erfindungen rumpeln wie ein unverdauter Brocken im Magen der Menschheit. Elektronengehirne, die Wahlresultate voraussagen, Lügendetektoren, die einen die Wahrheit gestehen lassen, Drogen, die einen Lügen bezeugen lassen, Strahlungen, die biologische Ungeheuer hervorbringen all diese Entwicklungen innerhalb des warenproduzierenden Systems der letzten fünfzig Jahre haben neue Aussichten und aktuelle Schreckgespenster hervorgebracht, und auf diese grobschlächtige und zugleich tastende Weise versucht das gesamte Mysterie-Erbe diese Lücke zu füllen. Von gelegentlichen Rückfällen einmal abgesehen, ist es der Kulturpessimismus, der einen Antagonismus von "Natur"zuständen und "Kultur"erkenntnis aufbaut, die in der Überzeugung gipfeln, daß es eine Harmonie dieser mit dem Menschen in der "organischen Staatsharmonie" des Kapitalismus nicht mehr gibt, oder nicht mehr geben kann. Er ist in diesem bereits extrem gefährdet, oder gilt schon als permanent verloren. Die Widersprüche der industriellen Produktion werden als unlösbare Widersprüche zwischen Mensch und Maschine, ja zwischen Mensch und gesellschaftlicher Organisation überhaupt interpretiert. Diese falsche Kultur-Diagnose gipfelt daher in dem fatalen Plan, sich den Mythen, den Märchen, den Mysterien und der Science-Fiction zuzuwenden. Über Raum und Zeitfahrten, (7) Roboterzivilisationen und Supermenschen jenseits der Milchstraße zu lesen, zu berichten, zu erfahren, wird in vielen gesellschaftlichen Bereichen leider zur Gewohnheit. Vermutlich wird das ganze Ausmaß dieser Hysterie erst dann klar, wenn sie merkwürdige Symptome in den sozialen Systemen, den zwischenmenschlichen Beziehungen, der Kommunikation untereinander, zeigen, und wenn die Heftigkeit dieser Sucht aus den Seltsamkeiten und Verdrängungen heraus ans Tageslicht tritt.

Eines dieser merkwürdigen Symptome ist gerade in den letzten Jahren zu beobachten: Mysterie-Serien, Romane (und irgendwo auch immer Science-Fiction!), Filme, Illustrierte, haben einen enormen Zulauf bekommen. In den USA werden jeden Monat weit mehr als 10 neue Romane dieser Art verlegt, also etwa fünfzig Prozent mehr als etwa Wissenschaftsbücher. Einige große Verlagshäuser haben sich allein darauf spezialisiert, sich mit den Mysterien der kosmischen "Elementargewalten" zu beschäftigen, und zwar auf komerzielle Art, die einem den Atem nimmt: Die "Süchtigen" treffen sich in Klubs, halten Konferenzen ab, sprechen einen "kosmischen Slang", sind ausgerüstet mit "Strahlengewehren", schwören "beim Raum", "bei den sieben Ringen des Saturn", tragen plastische Hauben über dem Kopf, und während man ihnen ansieht, daß sie im schwerelosen Interstellarraum "schweben" wollen, wird in den Warenhäusern dieser ganze Schund, und der, der damit zu tun hat, verkauft, und Mysterie-Helden wie TOM CORBETT haben eine ganz eigenartige apokalyptische Identifikation als Zeichen des Heraufdämmerns einer neuen Vision und das Erscheinen einer neuen Kunst geschaffen: Die schrankenlose Phantasie, die Kunstwerke des Flachen, die Fabel der Vorstellung, die Versuche, das schlechte Karma zu absorbieren, und die Reinigung der Erde durch hochentwickelte Außerirdische zu erreichen -die Sakramente des Milleniums!

Das ist das "Irgendwo da draußen", die da waren, und um die sich tausende Legenden ranken, irgendwann müssen SIE also auf die Erde gekommen sein, die Außerirdischen; und es spricht für ihre Einmaligkeit, für ihre höchste Intelligenz, die keinen Messungen standhalten, keiner klinischen Methode der Diagnose, daß sie sich in die paranoiden Züge unseres Heimatplaneten einnisten, und damit beginnen, ihren Entrismus der "unmittelbare Berührung mit dem Unendlichen" zu praktizieren: Die "geistige Katalyse", die Zusammenfüllung der Einflüsse der vielfältigen kosmischen Invasion beginnt dort, wo das gegenwärtige System Macht über den Geist der Menschen gewinnt, und die Grundlage dieser Prozedur, die weder Moral noch Ethik kennt, ist die soziale Manipulation mittels Verhaltenskontrolle, es ist eine ausgezeichnete Methode von allen sozialen und ökologischen Katastrophen auf diesem Planeten abzulenken, die Neurose zu züchten, die in all ihren Schattierungen von einer durch die Massenmedien manipulierten Gesellschaft tumber Jasager bis zum totalitären Staat beherrscht wird. Das Imperium schlägt daher zurück!!

Nicht, weil das Paradoxe in den traditionellen Methoden der Schadensbegrenzung, der Flurreinigung, oder bestimmter Einsichten zu gipfeln hätte, sondern weil die "Rätsel", die aufgegeben werden, gelöst werden müssen; denn die Lösung von Problemen bringt den Nervenkitzel hervor und reduziert das Abenteuer der Menschen zu einem staubigen Haufen von Theoremen, die in einer Urne auf dem Dachboden zu finden sind. Die Kunst der Mysterie-Serien ist eine Form der "Kommunikation" mit Echo. Ihre Stippvisiten (als Alien oder Wurmfragmente) sollen dieses Echo sichern, bis die zivilisierte Gesellschaft ihr Leben anderswo fortsetzen kann, und bei der Eroberung ihres Wisses schließlich zum ebenbürtigen Mitglied des präevolutionären Weltbildes werden kann. Der Mensch aber kann die Vergangenheit nicht erben, er muß sie neu erstehen lassen, oder: Wenn das Imperium losschlägt, dann muß erst recht die Unterhaltungsindustie zurückschlagen. Da dämmert es einem, wenn, wenn die "Reise zu Mond" mit extraterristiischen "Bildungsreisen" einhergehen soll, verglichen wird mit einem beliebigen Urlaub in der Südsee. Der menschliche Geist ist eben "erfindungssüchtig". Jeder will ein Captain KIRK sein, und mit der RAUMPATROUILLE ORION die Weiten des Universums erkunden, und nebenbei noch etwas dazu beizutragen, daß die "natürliche Auslese" der Spezies auf ein kontolliebares Minimum herabgesenkt wird. Menschen in der Selbsterfahrungsmaschine, abgeschottet von den Problemen der Evolution, die scheinbar gelöst sind, der "materialistische Faktor" mutiert zum Zufallsgebilde, der solide Fels, auf dem das Universum errichtet wurde, wird durch den Treibsand des Anhalter-Bahnhofs, des unberechenbaren Zickzacks eines Rauchpartikels ersetzt.

Der Kult des Zufälligen verschreibt sich der Ziellosikgeit. WIR landen bei ihnen, SIE landen bei uns. Alteisenteile setzen sich zu abstrakten Gebilden oder Flitterund Flusenkram zusammen; und immer wieder ist es diese eigenartige "Befreiung", die die Schulen dieser zeitgenössischen Kunst aus den Wissenschaften des Lebens bezieht eine Primärinfektion könnte man sagen. Eine Welt, die zugepflastert ist mit Fakten über Fakten so bekommen wir zu hören ist nicht mehr in der Lage, das "wahre Erbe des Universums" zu verstehen; in ihr gibt es keinen Platz mehr für Sozialisation, für den Sinn des Lebens. So hat es auch keinen Sinn nach Werten im "Diesseits" zu suchen. Kraß ausgedrückt: Die Endzeitschau gleicht den Versuchen eines Astronomen, mit dem Teleskop nach DANTEs "himmlischen Paradies" Ausschau zu halten. Das Genre des Mystischen, des Übersinnlichen, des Paranormalen, bleibt nicht beim Auspendeln von Tomaten in einem Großmarkt stehen, sondern es setzt stillschweigend die Kommunikation mit der Fantasy, die Verschwörung in der Politik, (8) und bekommt zusätzlich mit der beispielhaften inneren Dramaturgie der Katastrophenund Horrorfilme die Verpackung, die ermöglicht, Tendenzen zur Entwertung der Werte, zur Eliminierung von Sinn aus der Welt als aktuelle Grundstimmung zu deuten.

Der zynische Schwindel entlarvt sich selbst. Wenn die FBI-Agenten FOX MULDER und DANA SCULLY, (9) in einem Vakuum gefangen, sich durch "geheime Akten" (10) des FBI kämpfen, werden wir schnell zum Spielball der Modeströmungen der Moderne, wo es gilt die "feindselige Aggressivität" zu bekämpfen, die in jedem Menschen zu stecken hat. Selbst im vertrauten Kreise ist man/frau sich nicht mehr sicherdas Stasi-Syndrom.

Überall wimmelt es von diesen Zwielichtzonen, der magische Welt, der Fernwirkungen des "weißen Lichts". Diesen flüchtigen "paranormalen Phänomenen" gilt der Kampf, der Kampf in den Fernsehwelten, im alltäglichen Leben, in den US-Mysterie-Serien: PRETENDER, in PROFILER, (11) in der OPERATION PHOENIX, (12) in OUTER LIMITS, (13) in MILLENIUM, (14) AMERICAN GOTHIC/PROTECTOR/X-FAKTOR, (15), PSI-FAKTOR/POLTERGEIT, (16) und eben in jener AKTE-X, (17) wo Serienmörder a la HANNIBAL LECTER (18) munter eine Wiederauferstehung nach der anderen feiern, geklonte außerirdische Schurken ein galaktisches Monster nach dem anderen reproduzieren, prähistorische Larven "geschickt" mit Impulsen der Hochfrequenzströmungen in die Gehirnströme der Probanden gelangen, in das White House eindringen, verschlüsselte Botschaften in das limbische System schicken, in Nervenbahnen und Körperorganen ihr Unwesen treiben, um dann die Menschen in die eigene Oneirolyse (19) zu schicken. Wenn dann noch Entführungen an der Tagesordnung sind, die ihre Genese in der hohen Rerpäsentation der jeweiligen Staaten haben (meist der US-Regierung!), dann liegt diesem "Spektrum der Entdeckung" die Ränke der Oligarchie zugrunde. Alle "dunklen" Zwischenspiele, die in den Serien in den sog. Inkubationszeiten (die Zeit, in der die "plötzliche Erleuchtung" zum kreativen Denkprozeß ansetzt) stattfinden, kombinieren geschickt DARWINs Evolution mit MALTHUS" Abhandlungen über menschliche und andere Populationen, machen Anleihen bei der MAXWELLschen (20) Hydrodynamik, um so ihre Modelle für die Fortpflanzung der Außerirdischen mittels elektromagnetischer Wellen zu schaffen. Dieser Akt der Querbefruchtung , oder vielmehr Selbstbefruchtung, scheint mit den Wesen der "schöpferischen Bisoziation" (die Erdentsprechung dürften vielleicht die Selbsterfahrungsgruppen sein!) zu kulminieren, die von einem unveränderlichen Kodex von Spielregeln beherrscht wird, die ihr Kohärenz und Stabilität verleihen, jedoch gleichzeitig soviel an Variabilität beherbergen, daß sich ohne Mühe der Umwelt-Input in die Kontexte der Geschichte der Außerirdischen, ihrer Gedankengebäude und Denkbereiche einpassen läßt. Die reizvolle Mehrdeutigkeit des Wortes Kodex ist zudem ein Hinweis darauf, daß mit den herkömmlichen Methoden die "Schwingungen des Raums", die die Außerirdischen benutzen, um ihre UFOs in die galaktischen Bahnen zu lenken, nicht zu erklären sind: Kodierte Nachrichten stellen uns im Leben oder im Labor auf die Prüfung, und ist die Periode des Vorbereitens an den Endpunkt angelangt, dann sind die Erdbewohner ganz beiläufig von "den Gegenständen" durchdrungen. Somit leisten sie ob sie wollen oder nicht einen Beitrag zur Geistestätigkeit der Alien-Geheimnisse. Der "Nowhere Man" als nützlicher Informationsfetzen, der eine wahllose Vermischung von allerlei Ideen mit allen Rezeptoren im Gehirn vereinigt, und dann als Kuppler fungiert, um den Dämon als verborgene Analogie zwischen Kohlköpfen und Königen wahzunehmen. "Traue niemandem" ist die Quintessenz der "Enemies". Selbst ihre Sprache hat sich bereits eingenistet, die nur als simple Trennwand zwischen dem Denken und dem Kristall, oder einer Flüssigkeit fungiert. Der Trick, auf den jede/r hereinfällt: Subjektivierung von Zeit und Raum, Regression von physikalischer Kausalität zu magischer Kausalität und Animismus; Symbolisierung der Gedächtnisprozesse; Verklärung der prävervbalen Stufen; Dramatisierung von abstakten Begriffen, und weil es so ist, die "verborgenen Verführer" selbst in der Grammatik und Syntax stecken, muß der Geist von der Tyrannei "befreit" werden, bis die Unschuld des Blicks (katabolischer Aspekt) ein vertrautes Ereignis unter einem überraschenden Blickwinkel, in einem neuen Licht erscheinen läßt. WOLFGANG PETERSENs OUTBREAK, (21) ROLAND EMMERICHs INDEPENDENCE DAY, (22) oder der im Ansatz interessante Film FRÄULEIN SMILLAS GESPÜR FÜR SCHNEE, (23) haben bezüglich der Alien-Phobie neue Maßstäbe gesetzt; die sich im übrigen nahtlos in den Mysteries der Fernsehwelten fortsetzen. Tatsächlich ist schwer zu begreifen, warum die "Bedrohung" als MetaAdaption gedeutet die traumatisierenden Herausforderungen, den Menschen auf diesem Planeten im kommenden Jahrhundert in irgendeiner Weise verändern sollte, und warum gerade galaktische Invasoren darauf hoffen, daß ein neues Schamanentum mit dem Glauben an die "puzzlebox" entsteht? Paranoia hat Kultur, sie ist Kultur. Der verschlungene Verschwörungspfad muß die "Selbstreparatur" des Individuums verlassen, die "Veränderung" des Genotyps ist angesagt, um das Gleichgewicht in einer sich wandelnden Umwelt wiederherzustellen. Das ist das Erfolgsgeheimnis, frei nach GOETHE "Stirb und werde"! Es sind die Aliens, die diese Vorgänge steuern, den Vorgang des Auflösens, der Neuzusammenfügung, des Wahrnehmungsgefüges. Die "Neuerung" liegt im Schädel derjenigen, die es verstehen, die Qual ihres Lebens ein Sekundenbruchteil lang in einer Spielkarte mit einer schwarzen Herzkönigin "zu sehen". Aliens sind eben "gesegnete" Zufallsmutanten, die für uns das degenerierte ökonomische und sozial zerfallende System wieder zusammenbasteln, eine koordinierte Tätigkeit des eigenen Systems in Gang setzen, und die Fluchtwege aus Sackgassen als Auswege beschreiben. Man könnte das eine Art negativer Affinität nennen, in der sich in gewisser Weise eine nachmaterialistische Physik widerspiegelt. Zumindest will man das "Ende der Wissenschaftsgläubigkeit" einläuten und die Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI (SEARCH FOR EXTRATERRISTIAL INTELLIGENCE) macht keinen Hehl daraus, daß sie sich der Suche nach diesen Aliens verschrieben hat. So halten die Finalisten Einzug. Denkwürdig treten sie in die nach-spiritualistische Phase der Parapsychologie ein, und wollen den "Damm der Dogmen" brechen. (24) Die "Mysterien der Welt" aus dem "allgegenwärtigen Geisterstoff" herauszufilten wollen sie alle. Wenn das Ergebnis mager und enttäuschend ausfällt, dann liegt das etwa nicht daran, daß ein Fahrgast in die Hölle geschickt wurde, oder der funkelnde Stern das Pendel von FOCAULT von 1851 neu rotieren läßt, sondern einfach daran, daß der Heureka-Ruf nicht reicht, um das warenproduzierende System vor dem Absturz zu bewahren. Aber wenn dann die Ideologien der Moderne der Verknüpfung mit den "früheren Kulturen" nicht entschieden entgegentreten, dann sind sie, wie auch das System, daß sie beherbergen, tatsächlich an ein finales Ende angelangt.

(1) DAVID LYNCH: Filmregisseur; Debütfilm: EASERHEAD, BLUE VELVET (1986); WILD AT HEART (1990); TWIN PEAKS (ab 1991); LOST HIGHWAY (1996).

(2) WILD AT HEART THE STORY OF SAILOR UND LULU: LYNCH begann im Frühjahr 1989 mit den Vorarbeiten zu dem Film; den er 1990 abschloß. Die wesentlichsten Züge seiner Fimstoffe gleichen sich, und erreichten sicher mit WILD AT HEART einen gewissen Höhepunkt. Es ist das ewige Drama des "nicht zu Ende geborenen Mannes" (KLAUS THELEWEIT), der eingesperrt im Labyrinth seiner pubertären Obsessionen gefangen bleibt; schamanenhaft an "beseelte" Objekte glaubt, und im Mimenspielt mit der Maskenhaftigkeit der Menschen seine Bilder strickt, mal malerisch als dramatischer Bilderbogen, mal mit zeitlichen Auflösungserscheinungen nicht durchkomponiert -, jedoch mit dem zwanghaften Blick auf alle Formen körperlicher und seelischer Zerstörungen; Wahnsinn, Gewalt, Sex, Mysterien, Tod, kurz: Ein psychoanalytisches Ess-und Sehbesteckt; postmodernes Konfetti in Bildern und Worten. Der MYSTERIE MAN verwandelt sich bei LYNCH immer die Welt in der Verwandlung; in LOST HIGWAY mit Hilfe eines Geistes, ein Gewirr, ein Gebräu aus Licht und Wüstensand; denn: Wer hinter den Vorhang schaut, ist schon verloren; eine Art Jenseits macht ihn mit magnetischer Kraft besessen. Der letzte dunkle Highway ist irgendwo im Sog "des Wiedererkennes" gespeichert.

(3) Vgl. z. B. BLAD RUNNER (1982); BRAZIL, (1984); ANGEL HEART (1986).

(4) AKTE-X kam als Film im August 1998 in die deutschen Kinos. Regie: CHRIS CARTER. Darsteller: DAVID DUCHOVNY (Mulder), GILLIAN ANDERSEN (Scully), WILLIAM B. DAVIS, ARMIN MUELLER-STAHL, MARTIN LANDAU.

(5) Zitiert nach INGOLF AHLERS: "Der Westen in Not. Planetarische Politik und globale Kulturkämpfe im Zeitaler des Neokulturalismus", in KRISIS Nr. 20/1998, S. 33.

(6) Ebd. S. 33.

(7) Vgl. mein Artikel in "trend": "Naht das Millenium? Aspekte endzeitlicher Krisenphilosophie, Teil III: Der "UfO"-Papst JOHANNES von BUTTLAR", der eine sehr extreme Variante des Irrationalismus vertritt.

(8) Vgl. z. B. die politischen Verschwörungstheorien in "23". Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit, und beschreibt Aufstieg und Fall des Computerhackers KARL KOCH, der sich in den 80er Jahren vom KGB anwerben ließ und unter mysteriösen Umständen in einem Berliner Waldstück tot aufgefunden wurde. KOCHs "Verschwörungstheorie" (die in "23" politisch verbrämt wird) basiert u. a. auf mystische Geheimdienstverbindung der "Illuminaten" (vgl. auch Illuminatenorden der freimaurerischen-geheimen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts), die entführen, rauben, zum Absturz bringen, morden etc. Alles würde irgendwie mit der mysteriösen Zahl "23" zusammenhängen: Geburtsund Todestage von Politikern, Zugfahrpläne, Jahreszahlen, Hausnummern usw. Auf der Suche nach diesen Verschwörern (Vgl. auch ROBERT ANTON WILSON: "Iluminatus") verstrickt sich KARL KOCH immer tiefer in die Absurdität. Zwischen Brokdorf und KGB, zwischen Ost-Berlin und dem Netz von Datenbanken, der Esoterik und Katastrophen spielt der sicher fesselnde HackerFilm. Der fade Nachgeschmack: Die Weltverschwörung wird von den "Iluminaten" in Szene gesetzt. Ihre Machtmaschine und die totalitären Tendenzen breiten sich unvermindert fort, bis die Gleichschaltung der Menschen erreicht ist. Mysterie-Kult des deutschen Kinos. Regie: HANS-CHRISTIAN SCHMID (Januar 1999).

(9) Schauspieler in der Serie AKTE-X.

(10) Die "Geheimen Akten" des FBI geistern in der AKTE-X ebenso herum, wie z. B. auch in BUTTLARs "Adams Planet" (1991). Dort wird davon ausgegangen, daß die amerikanische Regierung seit 1947 Berichte über "Unbekannte Flugobjekte" strengstens geheimhält. Auslöser dafür soll der sog. "Roswell-Zwischenfall" gewesen sein. Danach soll in der Wüste von Neu-Mexiko eines dieser UFO-Objekte "abgestürzt" sein. Daraufhin soll TRUMAN sog. "Geheimkommissionen" ins Leben gerufen haben, die diesen Vorfall untersuchen sollten. Die Amerikaner sollen bis heute im "Besitz von Wrackteilen eines außerirdischen Raumschiffes" sein (vgl. BUTTLAR: Adams Planet, S. 226).

(11) Die Serien laufen auf VOX.

(12) Läuft auf RTL; ist meiner Kenntnis nach aber bereits schon wieder abgesetzt.

(13) Läuft auf Pro 7.

(14) Läuft auf Pro 7.

(15) Laufen auf RTL 2

(16) Laufen auf VOX

(17) Läuft auf Pro 7

(18) Psychopathischer Serienmörder aus DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER (Regie: JONATHAN DEMMES (1991), mit JODIE FOSTER, ANTHONY HOPKINS, TED LEVINE.

(19) ONEIROLYSE: Traumauflösung

(20) JAMES CLERK MAXWELL: Schottischer Physiker (1831-1879); entwickelte u. a. die Theorie des elektromagnetischen Feldes (Elektrizität) durch Mathematisierung der von FARADAY in die Physik eingeführten Feldbegriffs.

(21) OUTBREAK: Apokalyptischer Filmstoff; beginnend mit Viren-Killern: Ein Totenkopf-Affe überträgt als Wirtskörper das Moraba-Virus, das befallene Opfer ausbluten läßt und in 24 Stunden zum Tod führt. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt; DUSTIN HOFFMANN jagt den Affen (Schock the Monkey) und kämpft für die Zivilisten und gegen uniformierte Apokalyptiker. Regie: JOE JOHNSTON/MAURICE HUNT (1992).

(22) INDEPENDENCE DAY: Alien-Spektakle aus dem Weltall. Außerirdische greifen unseren Heimatplaneten an, um die Menschheit auszurotten, und die überlebenden Eindringle raffen sich unter der Führung der Vereinigten Staaten zum verzweifelten Gegenschlag auf. Regie: ROLAND EMMERICH (1996).

(23) FRÄULEIN SMILLAS GESPÜR FÜR SCHNEE: Ein kleiner Junge stürzt vom Dach tragischer, tödlicher Unfall? SMILLA, eine junge Mathematikerin sagt etwas anderes, und hat ein "sicheres Gespür" dafür, was wirklich geschehen ist. Eine Suche beginnt, undurchsichtige Existenzen kreuzen ihre Wege, bis sie in die Eiswüste der Antarktis verschlagen wird. Die "gefährlichen außerirdischen Parasiten" sind es, die die gnadenlosen Verfolger waren. Regie: BILLE AUGUST (1996).

(24) Sicherlich dürfte der UFO-Kongress, der im Juni d.. J. in Gelsenkirchen stattfindet, von einer gewissen Bedeutung sein; denn es treffen sich nahmhafte UFO-Forscher wie: MASAAKI KIMURA (Tokio), DAVID McKAY (NASA); GIBERT LEVIN. ROBERTO PINOTTI aus Italien will auf "mysteriöse Kontaktüberlieferungen" referieren, und HERMANN BURGARD will "Texte von Landungen Außerirdischer im alten Sumer" darlegen. (Zitate: WAZ -Gelsenkirchener Ortsteil30. 01. 1999). Und natürlich darf auch ERICH von DÄNIKEN nicht fehlen, der über sein Projekt "Mysterien der Welt" berichten will.

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