Editorial
Rechtsruck

von Karl Müller

09/10

trend
onlinezeitung

Noch im April 2010 forderte der RAV den Rücktritt von Kirsten Heisig als Jugendrichterin wegen ihrer permanenten Hetze gegen Minderheiten. Kaum hatte sie gut zwei Monate später die Augen für immer geschlossen, tönte es in den Medien:

"Sie hatte eine Vision: eine Gesellschaft, in der Menschen Rücksicht aufeinander nehmen. Dafür kämpfte sie und opferte sie sich auf. Morgens als Richterin, abends als Sozialarbeiterin." (Tagesspiegel vom 4.7.2010)

Kein Wort mehr über Heisigs Rechtspopulismus, sondern nur noch Lob rundum. Selbst Rainer Balcerowiak von der Jungen Welt entblödete sich nicht, am 25.8.2010 Kirsten Heisig zur Retterin von Nord-Neukölln zu ernennen - dicht gefolgt von der Jungle World, die Heisigs Schmähschrift gegen die arabisch-muslimische Community für eine "Studie" hält. D.h. selbst von so genannten Linken wurde Kirsten Heisig posthum vom rechten Rand in die Mitte der Gesellschaft verschoben.

Oder verhält es sich nicht anders herum? Ist es nicht so, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse von Ausbeutung und Unterdrückung sich immer stärker dem annähern, was der wissenschaftliche Sozialismus als Prognose für den niedergehenden Kapitalismus ausgegeben hat? Ist es da nicht angebracht, Ängste zu schüren und diese auf Minderheiten als Sündenböcke umzuleiten? Dem politischen Pöbel und seinen Parteigängern ist es dabei gleichwohl einerlei, ob die Sündenböcke jüdisch Gläubige oder Muslime sind. Hauptsache die Klassenfrage, die Frage nach dem cui bono wird nicht gestellt. Von daher scheint es eher so zu sein, als dass die politische Mitte nach rechts gerückt ist, indem sie rechte Inhalte  - zunehmend offen rassistische  - in die eigenen kulturalistisch grundierten Argumentationsfiguren integriert hat.

Unter solchen Bedingungen schlägt die Stunde der rassistischen Brunnenvergifter. Vorne weg Thilo Sarrazin, der laut SPD-Parteifreund Heinz Buschkowsky nur ein "Sachbuch" (Berliner Abendschau vom 30.8.2010) veröffentlicht hat, das  keinesfalls von biologistischem Rassismus getränkt ist, sondern laut Necla Kelek in der FAZ vom 31.8.2010 zum "Befreiungsschlag für Sozialpolitiker" werden könnte, weil

"Dabei scheint schon der gesunde Menschenverstand nahezulegen, dass Ethnien wie zum Beispiel die Völker Anatoliens oder Ägyptens, die über Jahrhunderte von den Osmanen daran gehindert wurden, Lesen und Schreiben zu lernen, bei denen noch heute Mädchen nicht zur Schule gehen dürfen, andere Talente vererbt bekommen, als die Söhne von Johann Sebastian Bach und dass es auch bei der Intelligenz so etwas wie die Gaußsche Normalverteilung gibt."

Leider haben solche menschenverachtenden Auffassungen auch im so genannten linken Spektrum ihre Apologeten. Einer davon ist der Autor des "ça ira Verlags", Thomas Maul, der dieses Jahr mit seinem Buch "Sex, Djihad und Despotie" ein intellektuell elaboriertes Pendant zu den eher dumpfbackigen Argumenten der Heisigs, Sarrazins und Co. abgesondert hat. Sein Auftritt auf den Berliner Linken Buchtagen war ausdrücklich erwünscht, der seiner Kritiker weniger. Wir berichteten in der letzten Ausgabe.

Dieser Rechtsruck in der Linken hat uns dazu bewogen, unterstützt von der Gruppe Internationale KommmunistInnen die Veranstaltung "Warum dieser Hass? - Oder die Grenzen emanzipatorischer Islamkritik" mit unserem Autor Peter Nowak, sowie Hans vom "Heinersdorfer Bündnis" und Georg Klauda, Autor des Buches "Die Vertreibung aus dem Serail" am 5.9.2010 durchzuführen.

Dort werden wir uns sowohl mit rassistischen Akteuren und ihrem Verhältnis zu den etablierten Parteien befassen als auch aufzeigen, dass so genannte linke Kritik am Islam keine Religions- sondern Kulturkritik ist, die statt Aufklärung Rassismus befördert.

Die vorliegende Ausgabe begleitet in gewisser Weise diese Veranstaltung durch drei Artikel, als da wären "Sarrazins unappetitliche Ausführungen", Tote leben länger und Zur Aktion der Gaza-Flotte.

Aus Frankreich liegen uns zur Zeit leider keine Berichte vor, da sich Bernard Schmid im wohlverdienten Jahresurlaub befindet.

Von zentraler theoretischer Bedeutung für linke Theoriebildung und politische Praxis in Sachen Staat und Politik ist für uns der Artikel "Das Ganze und sein Gegenpart" von Lea Frische und Julian Bierwirth. Daher bleibt er trotz der aktuell notwendig gewordenen ideologischen Auseinandersetzung mit den  Rechtsentwicklungen in der Linken für uns der Aufmacher diese Ausgabe. Denn Lea Frische und Julian Bierwirth formulieren kategoriale Bestimmungen  für eine feministische Staatskritik, um daran anknüpfend festzustellen:

"Kämpfe gegen den Staat können dementsprechend nur in einer Art und Weise erfolgreich geführt werden, indem sie auch die heteronormativ-patriarchale Realität, wie sie für den Staat konstitutiv ist, praktisch wie theoretisch kritisieren."

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P.S. Ein besonderes Schmankerl stellen Karl Marxens Ausführungen über die Einwirkungen des Verbrechers auf die Entwicklung der Produktivkraft dar. Ein Muss für alle, die in Sachen Kriminalität nicht auf rechten Leim gehen wollen.

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