Öffentliche Private versus Bürgerrechte

von
Ralf Hering

01/11

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Die Privatisierung der kommunalen Sicherheit und Ordnung wird mittels "public private partnership" (ppp) stetig vorangetrieben. Die Konsequenzen bekommen vor allem Jugendliche zu spüren, welche häufig auch als Einsatz- und Beauftragungsgrundlage für private Sicherheitsdienste herhalten müssen. Kritiker meinen, der Einsatz der Privaten im öffentlichen Raum sei nicht durch das Gesetz gedeckt; die Aufsichtsbehörden schweigen meistens zum "Wildwuchs" in diesem Bereich.

Im Nachbarland Österreich regt sich nun diesbezüglich Widerstand. Die Bürgerinnen und Bürger haben es satt, für ihre öffentliche Kontrolle und Überwachung durch Unternehmen zu bezahlen.

"Jugendliche fühlten sich gar an ihrem Treffpunkt von den Kötter-Angestellten überwacht und belästigt: ‚Die gehen hier entlang, kennen uns nicht einmal und wollen uns anmeckern', äußerte sich ein Jugendlicher über Bergheims private Ordnungshüter" (Kölner Stadt-Anzeiger, Bergheim 03.10.2000)

"Sicherheitsaufgaben vs. Gewaltmonopol: Dabei liegt das Gewaltmonopol beim Staat und das ist richtig so. Private Sicherheitsdienstleister haben keine Befugnisse, die über das Jedermannsrecht hinausgehen. Für die Aufgabenerfüllung und auch im Sinne des polizeilichen Präventionsgedankens ist das ausreichend. Schützen durch Präsenz und Deeskalation lautet das Motto. Das Prinzip ist: 'Rausgehen und nach dem Rechten schauen.'" (Position des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsdienste e.V.)

(Öfftl.) Private Sicherheit vs. Bürgerrechte

Die Sicherheitswirtschaft kommt mit den Kommunen immer stärker ins Geschäft. In Städten und Gemeinden ist "public private partnership" im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu einem gängigen Modell geworden. Dieses "ppp-Modell" - die schleichende Privatisierung der kommunalen Sicherheit und Ordnung - ist sehr umstritten und gibt auch sonst reichlich Anlass zur Kritik. Grundsätzlich sieht das deutsche Rechtssystem keine Übertragung öffentlicher Sicherheits- und Ordnungsaufgaben - die damit verbundenen hoheitlichen Befugnisse - auf private Sicherheitsdienste vor; der Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz und das Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland stehen dem entgegen. Häufig wird deshalb von beauftragenden Kommunalverwaltungen erklärt, dass "ihre" Sicherheitsfirmen lediglich den öffentlichen Raum bestreifen und ihnen dafür nur die sogenannten "Jedermannsrechte" (Notwehr, Nothilfe u. vorläufige Festnahme n. § 127 Abs. 1 StPO) sowie das Hausrecht für kommunale Einrichtungen und Liegenschaften zustehen. Die offizielle Devise der öffentlich-privaten Sicherheitsakteuren lautet: "beobachten, erkennen und melden" und somit lediglich das "Auge und Ohr" der Sicherheitsbehörden (Polizei & Ordnungsämter) zu sein.


MTK diskutiert Aufgaben und Befugnisse privater Sicherheitsdienste

Im südhessischen Main-Taunus-Kreis (MTK) war im Februar 2010 eine Diskussion über den kommunalen Einsatz privater Sicherheitsdienstleister entbrannt. Landrat Berthold Gall und der Leiter der Polizeidirektion Main-Taunus, Jürgen Moog, halten private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum für rechtswidrig und empfehlen diese durch städtische Hilfspolizisten zu ersetzen. Laut Polizeidirektor Moog benötigen private Sicherheitsdienste auch für ihre bloße Anwesenheit auf öffentlichen Straßen und Plätzen eine rechtliche Grundlage - diese gebe es jedoch nicht. Streifengänge seien laut Gesetz "hoheitliches Handeln", das alleine der Polizei und den Ordnungsbehörden vorbehalten bleibe. Bereits mehrfach habe das Hessische Innenministerium diese Auffassung in Schreiben an Städte und Gemeinden klar vertreten.

Sogenannte "Schwarze-Sheriffs" waren im gesamten MTK in die Kritik geraten, weil u.a. bekannt wurde, dass sie noch nicht einmal um die Vorlage des Ausweises bitten dürfen. (Frankfurter Rundschau, 05.02.10, 06.02.10 u. 03.05.10)

Die Situation in Österreich und der Schweiz

Glaubt man Medienberichten so ist die Privatisierung der kommunalen Sicherheit und Ordnung in der Schweiz und in Österreich weiter fortgeschritten als in Deutschland. In den Alpenstaaten werden bereits hoheitliche Befugnisse auf Sicherheitsfirmen übertragen ohne das deren Mitarbeiter zu "Amtsträgern" ernannt werden. Mit der Ausweitung dieser ppp-Modelle wird in beiden Ländern die Kritik hieran lauter. Denn: Auch in der Schweiz und in Österreich existiert das Gewaltmonopol des Staates. Während die Österreicher diesbezüglich über das Staatsmonopol diskutieren will die Schweiz lediglich die Zulassungsregeln für Sicherheitsfirmen verschärfen.

Die Schweiz gilt als Mutterland privater Sicherheit. Unternehmen wie Securitas AG (Schweizerische Bewachungsgesellschaft) gelten im Land als Institution, deren Angestellte nicht selten - fälschlicher Weise - als "Securitas-Beamte" bezeichnet werden; das Ansehen des privaten Sicherheitsdienstes in der Bevölkerung ist sehr hoch. Längst haben sich die Schweizer Bürgerinnen und Bürger an Personalienfeststellungen und Platzverweise durch Securitas-Angestellte gewöhnt.

Um so erstaunlicher ist der Protest den ein privater Sicherheitsdienst im September 2010 in der Gemeinde Bauma (Bezirk Pfäffikon) auslöste: An einem Samstagabend stand eine Gruppe Jugendlicher in der Nähe des Gemeindehauses beisammen und plauderte. Kurz nach 22 Uhr traten Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Alpha Protect auf den Plan. Sie kontrollierten die jungen Leute und schickten sie anschließend nach Hause. Gruppen von mehr als drei Jugendlichen hätten nach 21 Uhr auf öffentlichem Grund nichts mehr zu suchen, ließen die Security-Leute die Jugendlichen wissen. Zudem hätten sie sich viel zu laut unterhalten. Im Wiederholungsfall würden sie die Polizei einschalten.

Einige Eltern der betroffenen Jugendlichen empfanden das Verhalten des Sicherheitsdienstes als einen ungeheuerlichen Vorgang. "Gegen eine Ausweiskontrolle habe ich nichts", sagte ein Vater einer nach Hause gescheuchten Tochter. "Aber die Wegweisung gleicht einem Versammlungsverbot, wie wir das von Diktaturen kennen." Sicherheitsvorstand Josef Wellenzohn (SVP) bestätigte später, dass Leute von Alpha Protect Jugendliche an zwei Wochenenden kontrolliert und nach Hause geschickt haben. (Tages-Anzeiger, 15.09.10)

Schweizer Verhältnisse in Deutschland undenkbar?

Die nachfolgenden Presseberichte sollen aufzeigen, dass es auch in Deutschland nicht beim "beobachten, erkennen und melden" durch öffentlich beauftragte Sicherheitsfirmen bleibt.

Im Oktober 2001 wurde die Sicherheitsfirma "Chrisma" von der Stadtverwaltung Langen (Hessen) mit der Durchführung öffentlichen Sicherheits- und Ordnungsaufgaben betraut. Seither geht privates Sicherheitspersonal als "Citystreife der Stadt Langen" (zwei Angestellte mit Schutzhund) gegen sämtliche Ordnungsprobleme im Stadtgebiet vor.
Im März 2003 beschwerten sich ca. 80 Jugendliche öffentlich über die von der Sicherheitsfirma gegen sie verhängten zahlreichen Platzverweise: "2000 Personen - mehrheitlich Jugendliche" wurden binnen zweieinhalb Jahren von der Citystreife von Plätzen und aus Anlagen verwiesen. Die Jugendlichen berichteten davon "willkürlich" verwiesen worden zu sein (Pressemitteilung d. Stadt Langen: "Citystreife: Diskussion mit Jugendlichen", 27.03.03). Ein Vertreter der Stadt Langen rechtfertigte damals das Vorgehen der Citystreife und erklärten, das private Sicherheitspersonal sei sogar dazu berechtigt Personalien festzustellen.

Eine Anfrage an die Stadt Langen ergab, dass dem nicht so ist: Wie Manfred Weil vom "Fachdienst Öffentliche Sicherheit und Ordnung der Stadt Langen" am 03.11.04 auf Anfrage mitteilte, sind die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Chrisma für ihre öffentliche Tätigkeit als Citystreife nicht mit hoheitlichen Befugnissen beliehen worden. Zu den Personalienfeststellungen schrieb Weil: "Betroffene Personen werden gebeten ihre Personalien anzugeben." ( http://www.trend.infopartisan.net/trd1204/t021204.html  )

Seit Mai 2010 werden Jugendlichen in Friolzheim (Baden-Württemberg) an ihren Treffpunkten von der Sicherheitsfirma F & G Security intensivst überwacht. In der Pforzheimer Zeitung war dazu zu lesen: (...) "Ihr Ton ist freundlich, aber bestimmt. Korrekt, und er lässt keine Missverständnisse zu. In manchen Situationen genügt ein Blick, um dem Gegenüber klar zu machen: Verstöße gegen die Regeln lassen wir nicht durchgehen. Allerdings: Oft müssen die beiden Männer von der City-Streife am Abend dieses heißen Tages keine Diskussionen führen." Und weiter: (...) "Das beginnt schon, wenn sie an den Kontrollpunkten ihre Runden gehen, den Blick aufmerksam auf den Boden gerichtet. Jede Glasscherbe wird entdeckt, jeder eingedrückte Zaun vermerkt. Ihre Protokolle, die auch mit Bildern versehen sind, gehen an das Rathaus. So ist der Bürgermeister immer auf dem neusten Stand und kann gegebenenfalls reagieren." (...)
Auf einem Grillplatz stellt die Security dann Personalien fest: (...) "Ikert spricht die Gruppe an und möchte einen Verantwortlichen, dessen Personalien er aufnehmen kann. Auf diese Weise hat er einen Ansprechpartner, sollte der Platz später nicht sauber hinterlassen werden. Die Jugendlichen kennen das Vorgehen und ein junger Mann zückt seinen Ausweis. Ikert weist auf die Probleme in jüngster Zeit hin und macht klar: Heute Abend müssen die Feiernden das Feuer ausmachen und die Flaschen einsammeln.

Die jungen Leute zeigen sich einsichtig und kooperativ. Dennoch steht für das Team fest: Hier werden sie gleich ein zweites Mal nach dem rechten sehen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Beim zweiten Besuch zeigt sich, dass ihre Worte gewirkt haben. Zu Irritationen kommt es nur, als Ikert bei einer jungen Frau mit Zigarette das Alter kontrollieren möchte. Die 19-Jährige hält ihm vor, die Aktion sei erniedrigend. Er weist sie freundlich darauf hin, dass es nur darum gehe die Regeln einzuhalten. Und da fängt man am besten schon im Kleinen an, sind die Sicherheitsexperten überzeugt." (...) Damit ist klar, was die Hauptaufgabe der Sicherheitsleute ist: Sie sollen im Vorfeld wirken und damit größeren Ärger im Keim ersticken. Und so sind sie besonders wachsam, als sie ihren dunklen Wagen mit dem Firmenlogo vor dem Jugendhaus parken."

Scharfsinnig stellt die Zeitung fest: "Die meisten Treffpunkte der Jugendlichen in Friolzheim sind verwaist." (Pforzheimer Zeitung, Region, 05.07.10)

Ganz offensichtlich vertreibt die Sicherheitsfirma F & G Security im öffentlichen Auftrag die Jugendlichen in Friolzheim von ihren Treffpunkten. Die permanente Überwachung durch die "Citystreife", verbunden mit häufigen Personalienfeststellungen ist nicht nur schikanös; die Sicherheitsfirma verlangt von den Jugendlichen, das sie "Regeln einhalten" während ihr eigenes Verhalten als rechtswidrig einzustufen ist!

Im November 2010 wollte Stadtrat Hermann Sambeth wissen was die von der Stadt Rottenburg (Baden Württemberg) beauftragte Sicherheitsfirma Secom bei ihren öffentlichen Einsätzen als "Citystreife" im Städtchen erlebt. "Zehn Personen russischer Abstammung weggeschickt" oder "zwölf Personen auf Müllbeseitigung hingewiesen": Einträge wie diese stehen in den Schichtprotokollen der Citystreife.

Die Sicherheitsfirma soll auf "Ordnung und Sicherheit im Objekt achten" und alle auf ihrer Route liegenden städtischen Gebäude "auf Verschluss überprüfen". Dabei dürften die Security-Leute auch die Personalien von Passanten kontrollieren, ist im "Tagblatt" zu lesen. Und weiter: "Grundsätzlich hätten die Privaten allerdings 'keine Rechte, die Polizeibeamten, Hilfsbeamten oder anderen Behörden vorbehalten sind'." (Das Tagblatt, 22.11.10)
Einige Tagblatt-Leser dürften über diese widersprüchlichen Artikelaussagen doch recht irritiert gewesen sein: Ein privater Sicherheitsdienst der Personalien kontrolliert und Platzverweise ausspricht, alles ohne hoheitliche Befugnisse/Rechte!

Private "Citystreifen" sind in Baden Württemberg in rund 25 Städten und Gemeinden unterwegs.

"Kein Ort für Jugendliche", titelte die taz Anfang September 2010 über das Bahnhofsumfeld in Norderstedt-Mitte (Schleswig-Holstein). Die Stadt Norderstedt und die örtlichen Verkehrsbetriebe haben die Sicherheitsfirma Pütz-Security damit beauftragt rund um den Bahnhof für Ordnung zu sorgen. Seit dem sind zwei Pütz-Angestellte mit Schutzhündin "Danger" damit beschäftigt Jugendliche und andere "unliebsame Personen" von dort zu vertreiben. Laut Stadtverwaltung darf der private Sicherheitsdienst sogar "Platzverweise" aussprechen.

Ganz offen war hierüber im Hamburger Abendblatt zu lesen: "Verscheuchen, verdrängen, Präsenz zeigen. Das sind die Hauptaufgaben der beiden Sicherheitsleute. Nach nur einer Woche im Einsatz ist die Szene rund um den Bahnhof in Norderstedt-Mitte in Bewegung geraten. Es ist ungemütlich geworden." Ein Jugendlicher berichtete der taz: "Die schicken uns bloß weg und zwingen uns, unsere Getränke wegzuschütten, selbst wenn es nur Fanta ist". Die Sicherheitsfirma Pütz steht hier nicht nur im öffentlichen Auftrag, sondern ist auch offizieller Kooperationspartner der Polizei, die sich zum Thema nicht äußern wollte. (taz Nord, 01.09.10 u. Hamburger Abendblatt 14.08.10)

Im August 2010 hat die Stadtverwaltung im sächsischen Plauen eine Sicherheitsfirma mit der Durchsetzung ihrer "verschärften Polizeiverordnung" beauftragt. Die Security-Leute sollen die "Brennpunkte" der Stadt kontrollieren und Polizei und Ordnungsamt aktiv bei ihrer Arbeit unterstützen: "Drohende Verwarn- und Bußgelder sowie Platzverweise sollen den City-Zechern und Freiluftpinklern den Spaß verderben"; auch stellten "Punks auf Bänken und in Parks" ein Problem dar, hieß es hierzu aus dem Rathaus.

In Plauen gehen die Befugnisse der "Hilfs-Sheriffs" weit über die Jedermannsrechte hinaus. Der private Sicherheitsdienst stellt Ordnungswidrigkeiten fest und verteilt Buß- und Verwarngelder sowie Platzverweise. Dazu werden die Personalien der Betroffenen festgestellt.

Die Sicherheitsleute gingen bisweilen "aggressiv" und "wenig zimperlich" vor, mitunter hätten sie sogar Hunde an ihrer Seite, sagt Costantin Eckner (FDP). "Wir sollten uns jedoch um mehr Toleranz bemühen und versuchen, ohne die schwarzen Sheriffs auszukommen.", so der Liberale. Lars Legath von der Linkspartei sprach von einer verschärften Polizeiverordnung, mit deren Hilfe künftig vor allem Jugendliche aus der Innenstadt vertrieben werden könnten. Damit bezog er sich auf den Paragraphen acht des Papiers. Danach ist es verboten, mit Rollschuhen, Rollerskates, Skateboards, Fahrrädern oder mit anderen Spiel- oder Sportgeräten auf öffentlichen Straßen und Anlagen umherzufahren, wenn dadurch Personen gefährdet oder belästigt werden. (freiepresse.de, Plauener Zeitung, 26.08.10)
Im Herbst 2009 berichtete die Plauener Zeitung, dass die "Punks" bereits in der "Erprobungsphase der Hilfs-Sheriffs" dauerhaft aus einem Park vertrieben werden konnten.

Seit August 2010 sorgt im Kaarster Stadtpark (NRW) eine Sicherheitsfirma für "Ordnung". Laut den örtlichen Bündnisgrünen ist das nicht hinnehmbar. Jederzeit müsse der "unbescholtene Kaarster Bürger" mit dem Auftauchen von Sicherheitsleuten rechnen. "Vor allem Jugendliche werden hier kriminalisiert und pauschal als Störenfriede deklariert." Die Partei verteilte Flugblätter an die Anwohner und Besucher des Stadtparks um sie über ihre Rechte gegenüber dem privaten Sicherheitsdienst aufzuklären. (Neuß-Gravenbroicher Zeitung, 15.09.10)

Nicht nur Kommunalverwaltungen schicken Sicherheitsfirmen gegen Kinder und Jugendliche los. Mitten in der schönsten Sommerstimmung 2010 engagierte in Hattersheim (Hessen) die Hattersheimer Wohnungsbaugesellschaft (Hawobau) einen Security-Dienst um herauszufinden ob es Abends am "Platz der Begegnung" (Breslauer Straße) zu laut zuginge. Nach Angaben der Hawobau habe der private Sicherheitsdienst nicht den Auftrag gehabt dort für Ruhe sorgen. Doch ist genau dies geschehen, wie Anwohner und Eltern aufgebracht berichteten. Sie hatten kein Verständnis dafür, dass junge Menschen diszipliniert werden sollten, während der Hauptlärm durch zwei ansässige Gaststätten verursacht wird. Zitat: "Es hat ganz gehörig gegrummelt in der Siedlung. Denn die ganze Philosophie des Projektes Soziale Stadt setzt auf Kooperation mit den Bürgern, Dialog statt Druck, auf die Lösung von Problemen statt der Bearbeitung von Symptomen." (Frankfurter Neue Presse, 22.09.10)

Private erschleichen sich "Quasi-Befugnisse"

Der Einsatz privater Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum und/ oder im Auftrag von Kommunen und Stadtverwaltungen entwickelt sich zu einer Bedrohung für die verfassungsmäßigen Grundrechte: Für die Bürgerinnen und Bürger ist nicht mehr klar ersichtlich wer die Auftraggeber (privat/öffentlich) der Sicherheitsfirmen sind und wo deren "örtliche und sachliche Zuständigkeitsgrenzen" enden, weil öffentliche und private Zuständigkeiten "mit einander verschmelzen". Stets wird betont, dass privatem Sicherheitspersonal nur die "Jedermannsrechte" zustehen - egal ob in öffentlicher oder privater Beauftragung. Die Praxis sieht leider anders aus wie die beschriebenen Beispiele belegen.
Seit den 1970er Jahren wurde der Arbeits- und Aufgabenbereich der Sicherheitswirtschaft vom Hausrechtsbereich über den halböffentlichen Raum in öffentlichen Raum ausgedehnt. Heutzutage sind Sicherheitsfirmen "offizielle Kooperationspartner von Polizei/ Ordnungsämtern" und in Bund, Ländern und Kommunen "Auftragnehmer der öffentlichen Hand". Als "public private partnership" bzw. "police private partnership" (ppp) werden diese Kooperations- und Geschäftsverhältnisse im Neudeutsch bezeichnet. Und diese Verbindungen machen auch deutlich wo das Problem liegt: Durch ppp hat sich die Sicherheitswirtschaft - mit Duldung der (Aufsichts-)Behörden - "quasi Befugnisse" erschlichen.

Würden die von den Kommunalverwaltungen beauftragten private Sicherheitsdienste (Citystreifen) tatsächlich nur "beobachten, erkennen und melden" wäre ihre Arbeitsleistung ineffektiv und uneffizient. Polizei und Ordnungsämter müssten bei "jeder Kleinigkeit" selber vor Ort erscheinen und erforderlichen Maßnahmen durchführen. Da diese Verfahrensweise für Ordnungsbehörden und Sicherheitsfirmen zu aufwendig ist (und zudem den Kosten-Nutzen der "öffentlichen Privaten" in Frage stellt) wurden und werden hoheitliche Befugnisse - stillschweigend - auf Sicherheitsfirmen übertragen; falls nötig werden diese "quasi Befugnisse" sogar gegen Kritik verteidigt, wie das Beispiel der Stadt Langen zeigt. Private Sicherheitsdienste verteilen heutzutage Platzverweise und stellen Personalien und Ordnungswidrigkeiten fest, obwohl dies das Gesetz und der Datenschutz nicht vorsehen.

Während Beamte und Angestellte der Ordnungs- und Sicherheitsbehörden eine Eingriffsgrundlage bzw. Befugnisnorm benötigen um in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen, existiert diese grundgesetzliche "Schutzhürde" für die Privaten nicht: Wahlweise können die im öffentlichen Auftrag agierenden Sicherheitsfirmen "geltendes Recht" (z.B. Kommunalsatzungen) durchsetzen oder auch "unterschwellig" agieren. In zahlreichen (privaten) Einsatzprotokollen findet sich deshalb der Eintrag: "Jugendliche vertrieben" - ohne Angabe von Gründen; und nicht selten wird von privaten Sicherheitspersonal der Konsum von alkoholischen Getränken außerhalb von Gaststätten untersagt, auch wenn kein öffentliches Alkoholverbot existiert.

Kommen jedoch Betroffene den "privaten Weisungen" im öffentlichen Raum nicht nach, so wird mit dem "Freund und Helfer" - der Polizei - gedroht. Kritiker sprechen hier bereits von einer "privaten Hausordnung" für den öffentlichen Raum, welche sich mehr an wirtschaftlichen Interessen als am Grundgesetz orientiert.

Widerspruch gegen Grundrechtseingriffe (z.B. Platzverweise) durch privates Sicherheitspersonal ist übrigens nicht möglich, da es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt handelt; "Private Ordnungsmaßnahmen im öffentlichen Raum" existieren nämlich im öffentlichen Recht gar nicht!

Kontrolle der öffentlich-privaten Sicherheitsdienstleister?

Somit stellt sich die Frage nach einer (öffentlichen) Kontrolle privater Sicherheitsdienste: Wer schützt die Bürgerinnen und Bürger vor "Willkür-Maßnahmen" der "Security"?

Generell werden Sicherheitsfirmen durch die zuständigen Ordnungs- und Gewerbeaufsichtsämter kontrolliert. Diese müssen auch Beschwerden bearbeiten. Bei Strafanzeigen (z.B. Körperverletzungsdelikte, Nötigung) gegen "Security-Leute" muss die örtliche Polizei ermitteln. Dumm nur, dass ausgerechnet Polizei und Ordnungsämter zur Zusammenarbeit mit öffentlich beauftragten Sicherheitsfirmen verpflichtet sind und sie als Teil dieser ppp-Modelle "ihren Hilfs-Sheriffs" dienstliche "Rückendeckung" geben müssen.

Wie bereits beschrieben hat die Polizei ihre Vorbehalte gegenüber privaten Sicherheitsdiensten aufgegeben und kooperiert heutzutage bundesweit mit diesen. Für einzelne Städte und ganze Bundesländer existieren Kooperationsverträge zwischen Polizei und Sicherheitswirtschaft, vertreten durch den Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) e.V..

Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies, dass ihnen bei Konflikten mit privaten Sicherheitspersonal hinzugezogene Polizeibeamte nicht mehr "neutral" gegenüberstehen!

Nicht selten beklagen Jugendliche und Zugehörige bestimmter Randgruppen (z.B. Obdachlose u. Stadttrinker) das provokante Auftreten privaten Sicherheitspersonals, infolge dessen sich erst Konflikte und Streitigkeiten entwickeln. Häufig müssen diese "künstlich erzeugten Konflikte" dann wiederum (öffentlich) als Beauftragungs- und Einsatzgrundlage privater Sicherheitsdienste herhalten. Auch hieran wird deutlich: Je geringer der soziale Status bzw. die Beschwerdemacht des Einzelnen ist, desto schneller überschreiten private Sicherheitsdienste ihre eigenen - eng gesteckten - Grenzen.

Als Problematisch für die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sicherheitswirtschaft erweisen sich folgende zwei Punkte:

1. Sicherheitsfirmen leben von Kriminalität und Ordnungsproblemen - je mehr desto besser für's Geschäft.
2. Private Sicherheitsdienste sind nicht auf die Verfassung vereidigt, sondern setzen Kundenwünsche und Auftragsinteressen durch; sie stehen somit in wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen und in Konkurrenz zu anderen Firmen.

Ein weiterer Kritikpunkt hierbei: In vielen Städten gehen - in Bezug auf die "allgeimene Kriminalitäts- und Ordnungslage" - die Meinungen zwischen der Polizei und der örtlichen Sicherheitswirtschaft weit auseinander. Der Sicherheitswirtschaft wird seitens der Polizei immer wieder vorgeworfen - aus durchsichtigen Gründen - die "Kriminalitätsangst" in der Bevölkerung zu schüren. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass der Einsatz kommerzieller Dienste im öffentlichen Raum nicht zwangsläufig zu mehr Sicherheit und Ordnung führen muss.

Staat reicht Gewaltmonopol weiter

Die ppp-Modelle im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind schon deshalb kritikwürdig, weil der Staat sein Gewaltmonopol an die Sicherheitswirtschaft weiterreicht, die nun relativ unkontrolliert ihr eigenes - profit- und interessenorientiertes - Ordnungsrecht durchsetzen kann; Rechtsverstöße (bis hin zu Straftaten) durch "öffentliche Private" werden dabei von den "Auftragebern" billigend in Kauf genommen.

So kommt der Betrachter nicht umher festzustellen, dass hierdurch - defakto - den Bürgerinnen und Bürgern Rechte genommen werden und im Gegenzug den privaten "Hilfs-Sheriffs" - unzulässiger Weise - Befugnisse zugesprochen werden. Damit lässt der Staat seine Bürgerinnen und Bürger "im Regen stehen", frei nach dem Motto: "Seht selber zu, wie ihr damit klar kommt!"

"police private partnerships", die den Menschen als ein "Plus" an Sicherheit "verkauft" werden entpuppen sich schnell als Mogelpackung: Statt der versprochenen öffentlichen Sicherheit gibt's "private Ordnung", Kontrolle und Vertreibung im öffentlichen Raum, wie die Beispiele Norderstedt und Plauen zeigen (siehe links im Textanhang). Statt den mittels ppp erhofften Einsparungen von öffentlichen Geldern werden die Steuerzahler doppelt zur Kasse gebeten, wie der Bund der Steuerzahler (BdSt) moniert: Sie müssen zusätzlich zu den Beamten und Angestellten der Sicherheits- und Ordnungsbehörden nun auch noch Sicherheitsfirmen finanzieren. Von einer "Win-Win-Situation" kann also keine Rede sein, wenn die Sicherheitsindustrie zunehmend "am Tropf der Steuerzahler" hängt!

Widerstand gegen ppp-Modelle in Österreich

In Österreich regt sich nun Widerstand: Von Wien bis Wels, von St. Johann im Pongau über Linz bis Schwechat - die Liste der Gemeinden, die ihre Sicherheit in die Hände privater Ordnungsdienste legen, umfasst mittlerweile ganz Österreich. In den "nachrichten.at" war in diesem Zusammenhang über die Gemeinde Pfarrkirchen zu lesen: (...) "Die Gemeinde schafft sich selbst ab: Privatdetektive und Sicherheitsfirmen bieten Dienste vom Parkwächter über Zivilstreifen bis zu Kontrollen an, ob Herrchen und Frauchen ihre Hunde auch gechipt haben. Mit Videokameras werden Abfallsammelinseln überwacht und jeder, der einen Sack neben die überquellende Tonne stellt, wird als Fahrzeughalter ausgeforscht und mit Extra-Gebühren belegt. Die privaten Securitys handeln keinen Millimeter abseits des Gesetzes. Das Ausforschen und Abkassieren ist nach der Übertragung von behördlicher Exekutivgewalt völlig legal. Dem Bürger begegnet nicht mehr die Verwaltung seiner gewählten Vertreter, sondern Wachpersonal eines Privatunternehmens, das im Auftrag der Gemeinde ein strenges Auge über die Einhaltung von Bestimmungen hat. Im Fall der Gemeinde Pfarrkirchen streift die Einkünfte der eingetriebenen "Bußgelder" zu 70 Prozent die Kontrollfirma ein, die Kommune begnügt sich vertraglich mit dem Rest. Fürwahr ein hoher Preis dafür, den direkten Umgang mit den Bürgern entsorgt zu haben." (nachrichten.at, 07.12.10)

Die Salzburger Nachrichten zum gleichen Thema: (...) "Die Kommunen wollen Recht und Ordnung haben in ihren Mauern. Das wäre eigentlich Aufgabe der Polizei...Daher also findet seit Jahren eine schleichende Entstaatlichung der Sicherheit statt, und alle sind zufrieden. Dessen ungeachtet sollte gelegentlich über die Frage nachgedacht werden, wie weit der Staat sein Gewaltmonopol aus der Hand geben darf; wie weit nichtbeamtete und nicht auf die Verfassung vereidigte Hilfssheriffs befugt sind, den Bürgern Anordnungen zu erteilen; und wie weit diese verpflichtet sind, den Anordnungen zu folgen (...) Doch alles gegen private Polizeitrupps, die staatliche Aufgaben an sich reißen. Die Politik ist aufgefordert zu definieren, was die einen eigentlich von den anderen unterscheidet. Und eine klare Grenze zu ziehen." (Salzburger Nachrichten, 07.12.10)

Offensichtlich haben in Österreich viele Bürgerinnen und Bürger keine Lust mehr für ihre öffentliche Überwachung und Kontrolle durch Unternehmen zu bezahlen!

Privater "Wildwuchs" bleibt in Deutschland meistens unbehelligt

Für Deutschland hatte hierzu kürzlich der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Norbert Witthaut, erklärt: (...) "Polizeiliche Arbeit darf nicht ausschließlich mit dem Taschenrechner bewertet werden. Pläne der Bundesländer, fehlende Polizeikräfte durch Bürgerwehren und private Sicherheitsdienste zu ersetzen, müssen gestoppt werden. Dies gefährdet das staatliche Gewaltmonopol." (DGB-EINBLICK Nr. 21, 06.12.10) Im Bundesland Brandenburg haben bereits mehrere Kommunen, wegen "mangelnder örtlicher Polizeipräsenz", private Sicherheitsdienste mit "Streifengängen" beauftragt.

Aber auch aus dem Westen gibt es Neuigkeiten zum Thema: In Münster (NRW) haben im November 2010 die Wirte der "Ausgehmeile" zusammen mit dem Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) bei der Stadtverwaltung die Übertragung von "hoheitlichen Befugnissen" auf "ihren" privaten Sicherheitsdienst beantragt. Damit soll die von den Gaststätten beauftragte Sicherheitsfirma in die Lage versetzt werden im öffentlichen Straßenraum - rund um die Kneipen - "aufzuräumen" und gegen Ordnungswidrigkeiten vorzugehen. Eine Entscheidung hierzu steht noch aus.(Ahlener Zeitung, 13.11.10)

Sollte jedoch diesem Antrag entsprochen werden, wäre dies eine neue Stufe auf dem Weg zu einer "Privatpolizei". Bisher gibt es in Deutschland noch keine "privat beauftragten Sicherheitsfirmen mit hoheitlichen Befugnissen im öffentlichen Raum" und diese darf es laut Gesetz auch nicht geben.

Auffällig ist nicht nur, dass sich der "private Wildwuchs im Bereich der kommunalen Sicherheit und Ordnung" zu einem Trend entwickelt; Stadt- und Gemeindeverwaltungen die früher noch diesbezüglich "Rechtsbedenken" hatten, übernehmen heutzutage einfach die "Wildwuchs-Modelle" anderer Kommunen, frei nach der Devise: "Was anderen Orts bereits existiert, kann bei uns nicht gesetzwidrig
sein!"

Wie beschrieben gehen derartige Entwicklungen oftmals einher mit der Untätigkeit der Aufsichtsbehörden. Häufig unterbinden die zuständige Mittelbehörden bzw. Regierungspräsidien der Länder diesen "Wildwuchs" nicht; selbst dann nicht, wenn sie Kenntnisse von Rechtsverstößen haben. Denn, wie sich jeder überzeugen kann werden die Entwicklungen im ppp-Bereich beispielsweise in der Tagespresse veröffentlicht.

Und auch das ist eine Erkenntnis in dieser Sache: In größeren Städten und Metropolen wird die "Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" viel kritischer verfolgt als in kleineren Städten und Gemeinden. In Berlin musste 1996 die Überwachung des "ruhenden Verkehrs" durch Sicherheitsfirmen gestoppt. Hier passt anscheinend eine aufmerksame Politik - und kritische Öffentlichkeit - (besser) auf, das Privatisierungsbestrebungen das Gesetz nicht unterlaufen. Sicherheit und Ordnung "um jeden Preis" ist halt nicht überall machbar!

Mehr Informationen zum Thema:

Die private Stadtpolizei (Indymedia, Mai 2010) http://de.indymedia.org/2010/05/281971.shtml

Plauen: Rechtswidriges "police private partnership" (trend onlinezeitung, 09/10) http://www.trend.infopartisan.net/trd0910/t210910.html

Norderstedt: Vertreibung durch Pütz Security (trend onlinezeitung, 09/10)
http://www.trend.infopartisan.net/trd0910/t030910.html

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten diesen Artikel vom Autor.

Zum Thema Kapitalistischer Stadtumbau erschienen bei TREND folgende Artikel

Siehe auch die Infopartisan-Linkseite:
Reaktionäres von "Rot-Rot"