Peter Trotzig Kommentare zum Zeitgeschehen

Parteitag der Grünen
Die Wölfe fressen jetzt Kreide
11/07

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Was ist da los? Mütter und Väter der Agenda 2010 wollen wieder „soziale Themen“ besetzen. Die SPD will einen Mindestlohn und die Auszahlung von Arbeitslosengeld I an ältere „Arbeitnehmer“ verlängern. Die Grünen wollen das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) mit dem Etikett „Grundsicherung“ versehen und erhöhen, etc. Deutet sich da eine Wende in der Politik an? Absolut nicht!

Jahre lang haben diese Sozialräuber ihren WählerInnen mit ökonomischer Vernunft in den Ohren gelegen. Es müsse das getan werden, was ökonomisch sinnvoll und notwendig sei. Ein Angriff auf die Lebensbedingungen von Lohnabhängigen folgte dem nächsten. Dem Kapital wurden „unerträgliche Lasten“ genommen, damit der private Reichtum in den Händen weniger explodieren kann, usw.

Was hat sich also geändert?

Geändert hat sich nur die Ökonomie selbst, oder besser gesagt, ihr Verlaufsstadium, die Konjunktur. Ein Krisenzyklus dauert ungefähr 10 Jahre. (Krisen: Mitte der 70iger Jahre, Beginn der 80iger Jahre, Beginn der 90iger Jahre und Beginn des 21. Jahrhundert.)

Zur Zeit erleben wir eine Hochkonkunktur, wie lange nicht mehr. Ursachen dafür sind u.a. die Verbesserung der Kapitalrentabilität durch die Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Lohnabhängigen (weniger Lohn, intensiver arbeiten, länger arbeiten). Sie arbeiten mittlerweile deutlich weniger für die eigene Reproduktion und deutlich mehr für das Kapital. Unbezahlte Mehrarbeit nimmt zu, die Gewinne sprudeln. Der Weltmarkt wurde erfolgreich in die ehemals „sozialistischen“ Länder, besonders China und Russland ausgedehnt. In beiden Ländern verfügt das Kapital über eine riesiges Potential an billigsten Lohnarbeitskräften und in beiden Ländern entstehen riesige Absatzmärkte, z.B. für Investitionsgüter. Weltweit brummt der Maschinen- und Anlagenbau, allen voran Deutschland. Ein Wachstum wie seit Ende der 60iger, Anfang der 70iger Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht mehr.( vergl. die sich überschlagenden Erfolgsmeldungen in den VDMA-Nachrichten – Ausgaben 2007)

Die Hochkonjunktur lässt die Steuereinannahmen des Staates wachsen. Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung „erwirtschaften“ hohe Überschüsse usw. So entstehen Spielräume für bürgerliche Sozialpolitik. Man kann den in den letzten Jahren immer häufiger den Wahlurnen fern gebliebenen WählerInnen ein paar kleine Geschenke machen, um sie wieder an die Wahlurnen zurück zu holen. Niemand sollte sich jedoch täuschen, denn die „Konsolidierung der Staatsfinanzen“ bleibt vorrangige Aufgabe und so hat keiner etwas dagegen, dass die sprudelnden Einnahmen, etwa der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung, vor allem dafür genutzt werden sollen, das Kapital weiter zu entlasten. Die „Lohnnebenkosten“, sprich die Beiträge für Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung sollen weiter sinken. Indem die bürgerlichen Sozialpolitiker das machen, bereiten sie bereits jetzt noch schärfere Angriffe auf die Lohnabhängigen vor.

Sie schwätzen von Rückkehr auf den Wachstumspfad, schlagen sich auf die Schultern und meinen, nun ginge es – dank ihrer „Anstrengungen“ - „wieder“ nur noch aufwärts. Volksverdummung ist eben ihr Geschäft, denn die nächste Krise kommt bestimmt. Durch weltweit enorme Investitionstätigkeit wird nicht nur mehr Lohnarbeit geschaffen, sondern auch (relativ) überflüssig gemacht. Kapital einer gegebenen Größe braucht weniger Arbeitskräfte, um sich zu verwerten. (Neue Technologien kommen zum Einsatz)

Der Ölpreis klettert und klettert und klettert .... Durch diese Entwicklungen verändert sich die Wertzusammensetzung des Kapitals rapide. Das variable Kapital nimmt im Verhältnis zum konstanten ab, der Druck auf die Profitraten wächst (was in der Hochkonjunktur nicht spürbar wird) und kann nur kompensiert werden durch immer neue Wachstumsschübe. Kann dieses Wachstum von Absatzmärkten (und das damit einhergehende überproportionale Wachstum der Profitmasse) jene Faktoren nicht überlagern , die den Fall der Profitrate erzeugen, bricht die Nachfrage in Folge steigender Kosten und zu hoher Preise ein, dann ist die nächste Krise da (Das wird wohl so um das Jahr 2010 der Fall sein). Im überzyklischen Durchschnitt sinkt die Profitrate, und in der Krise tritt schlagend hervor, dass die erhöhte technische Zusammensetzung des Kapitals menschliche Arbeitskraft für die Zwecke des Kapitals überflüssig macht. Die verfestigte „Sockelarbeitslosigkeit“ wächst.

In Deutschland z.B. liegt die Arbeitslosigkeit auch jetzt – in der Hochkonjunktur, bei sprudelnden Gewinnen -  immer noch bei deutlich über 3 Millionen. Wie hoch wird ihre Zahl schnellen im nächsten Konjunktureinbruch? Auf 5 , 6 oder gar 7 Millionen? In den letzten Jahrzehnten ist die Arbeitslosigkeit immer von Zyklus zu Zyklus gestiegen. Was passiert aber, wenn die Pleitenflut wieder anschwillt und 6 Millionen auf der Straße liegen? Die Steuereinnahmen brechen ein, die Einnahmen der Arbeitslosenversicherung brechen ein, die Einnahmen der Rentenversicherung brechen ein, usw. Die Einnahmen der Sozialversicherungen werden umso schärfer einbrechen, als unsere famosen reaktionären Sozialpolitiker (Sozial sei, was Arbeit schafft) ja die Beitragssätze gesenkt haben. Werden diese Sozialpolitiker dann etwa die Beitragssätze erhöhen und vor allem das Kapital zur Kasse bitten? Mit Sicherheit nicht, denn das wäre ökonomisch ganz und gar „unvernünftig“! Sie werden den Menschen dann erneut mit der ewig gleichen Nummer kommen: es muss das getan werden, was ökonomisch sinnvoll und notwendig ist. Und das bedeutet: Der Sozialraub wird neue Orgien feiern und die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen werden sich weiter verschlechtern. Das letzte Wort bürgerlicher Sozialpolitik besteht eben immer darin, die Menschen der Verwertungslogik des Kapitals zu unterwerfen. Ihr Geschäft ist die Aufrechterhaltung sozialer Illusion bei gleichzeitig skrupelloser Gestaltung (Gesetze, Verordnungen) verbesserter Bedingungen für die Kapitalverwertung.

Man kann und muss sich gegen all das wehren! Die Lohnabhängigen müssen es wieder lernen, sich als Klasse zu verstehen und zu handeln, ganz wie ihre klassenbewussten, ganz und gar ökonomisch denkenden Gegenspieler, die ihnen im Interesse einer funktionierenden Ökonomie das Fell über die Ohren ziehen. Dem (politischen) Klassenkampf des Kapitals kann nur begegnet werden mit dem ebenso politischen Klassenkampf der LohnarbeiterInnen um ihre sozialen, nicht ökonomischen Interessen! (Dazu gibt es keine realistische, Perspektiven eröffnende Alternative! Gelingt dies nicht, machen sie uns ein!)  Perspektivisch immer drängender aber wird es werden, das ökonomische Kapitalverhältnis selbst durch ein soziales Produktionsverhältnis frei assoziierter ProduzententInnen zu überwinden.

Editorische Anmerkungen

Peter Trotzig schreibt ab der Nr. 1-05 in unregelmäßigen Abständen seine Kommentare zum Zeitgeschehen.

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