Editorial
F
alsche Konkretheit

von Miriam Verleger

01/10

trend
onlinezeitung

2009 war für das TREND-Projekt ein erfolgreiches Jahr. Nicht nur dass wir viele lesenswerte Artikel zur Veröffentlichung erhielten - Dank von hieraus an die AutorInnen - auch konnten wir zahlreiche Veranstaltungen durchführen sowie an anderen aktiv teilnehmen. Dies wäre ohne die Unterstützung und Beratung durch den politischen Beirat in dieser Form und Häufigkeit nicht möglich gewesen. Daher auch vor hier aus der Dank an unsere Beirat-GenossInnen und diejenigen, die uns als ReferentInnen zur Verfügung standen..

Schließlich möchten wir aus gegebenem Anlass noch den Dank an die LUNTE für ihre solidarische Zusammenarbeit mit uns loswerden.

Bleibt nur noch zu berichten, dass wir die Zahl unser LeserInnen auf gleichbliebend hohem Niveau stabilisieren konnten: Trotz starker monatlicher Schwankungen zwischen 69.142 und 104.057  ergab sich eine Jahresgesamtzahl von 941.587 LeserInnen. Dies entspricht einem monatlichen Durchschnitt von 78.488 LeserInnen bzw. täglich 2.580. (Quelle: DIe Editorials 02-09 bis 01-10). Mit diesen Werten lagen wir im Ranking der deutschen Alternativen Medien wechselnd als Teil vom Infopartisan.net auf Platz 9- 13.

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Die vorliegende Ausgabe stellt nach unserer Aufassung wieder eine gelungene Mischung aus Nachrichten (z.B. Stichwort Kosova), theoretischen Beiträgen ( Dichtung und Segregation) und besonderen Dokumenten (Resolution zu den aktuellen Aufgaben in den Gewerkschaften) sowie wichtigen Reprints (Die Zwangserziehung) dar. Hierdurch bestätigt sich erneut auch im 15. Jahrgang - nicht nur durch die LeserInnenzahlen - sondern gerade auch durch die ideologische Breite der Artikel - dass das Konzept der TREND-onlinezeitung, eine strömungsübergreifende Veröffentlichungsplattform zu sein, weil diskursfördernd, richtig ist.

Nichts desto trotz hieß "strömungsübergreifend"  in den vergangenen Jahren nie, dass einzelne Redakteure oder die Herausgeber unparteiisch gegenüber den veröffentlichten Standpunkten und Ansichten wären. Auch in jüngster Vergangenheit hielten wir es  für geboten, uns zum Beispiel von den "FreundInnen der klassenlosen Gesellschaft" abzugrenzen (siehe dazu u.a. das Editorial der Nr.10-9). Auch in dieser Ausgabe findet sich ein Aufsatz, den wir von dieser Stelle aus kritisieren möchten, weil wir sowohl mit den politischen Konsequenzen des Autors als auch mit den über weite Strecken verwendeten Argumenten nicht einverstanden sind.

Klaus Remmler schickte uns wenige Tage vor Erscheinen dieser Ausgabe seinen Aufsatz  Neoliberalismus und der Macht-Wachstums- und Fortschrittswahn - eher schon ein Taschenbuch, immerhin gedruckt an die 60zig A4 Seiten. Dieser Hinweis zum Umfang ist im vorliegenden Fall wichtig, da wir Texte grundsätzlich nicht lektorieren, d..h. die LeserInnen erhalten den Text so, wie ihn der Autor verbreitet haben will - einschließlich Satzbau-, Sprach- und Tippfehler. Nun gut.

Klaus Remmler entrüstet sich in seinem Aufsatz maßlos über die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland und international. Da ist zwischen Anklagen gegen Callcenter, Jugendkriminalität, Kirchen, Monopolkapitalismus und Telenovelas sogar noch Platz für einen Blick in die Weltgeschichte von 1789 bis zur Gegenwart und ein wenig Krisentheorie. Sein Konvolut transportiert dabei beständig die Feststellung, dass wir in einer Zweiklassengesellschaft leben, welche eigentlich eine von Geldgier getriebene staatsorganisierte Verbrechergesellschaft ist, wo 15 Prozent Reiche (= Besitzende, von was?) 85 Prozent Arme (Nichtbesitzende, von was?) auspressen, verdummen und niederhalten. Dieses Gesellschaftsbild betitelt er einmal als staatmonopolistischen Imperialismus ein anderes Mal als Neoliberalismus.

Was dagegen allerdings fehlt ist jeglicher Gedanke an eine fundamentale Kritik des Lohnsystems verbunden mit der Forderung nach Aufhebung des warenproduzierenden Kapitalismus in eine freie Assoziation freier ProduzentInnen (Kommunismus). Das Proletariat existiert weder empirisch noch denklogisch im Remmlers Anklage. Kann es auch nicht. Sein Begriff von Kapital ist mechanistisch, denn er widerspiegelt kein gesellschaftliches Verhältnis in seiner Bewegung, sondern illustriert lediglich ein Ensemble von Charaktermasken jenes ökonomischen Verhältnisses. Die Leerstelle, die dadurch entsteht, wird durch den Begriff "Volk" ersetzt. Ein Begriff unter dem sich alle Alles vorstellen können und jeder sein Politsüppchen kochen kann. Kurzum es  wird nichts erklärt, sondern es herrscht die falsche Konkretheit, die sich mit politisch zweifelhaften Worthülsen behilft, wo wirkliche Konkretheit angesagt wäre: "Es wird und ist damit jede Volksherrschaft in dieser Gesellschaftsformation eines globalen Neoliberalismus, des vollendeten staatspolitischen, den Monopolkapitalismus repräsentierenden Imperialismus ausgeschlossen."

Klaus Remmlers Arbeit versteht sich aber nicht nur als Anklage, sondern will auch eine politische Alternative anbieten.  Und die heißt schlicht: Die LINKE.  - Uh. Sozialdemokratie. Nein danke!!!!!

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In der letzten Ausgabe brachten wir ein Vortragsmanuskript von Anne Seeck, das sich unter dem Titel "Die Mittelschicht" mit den gegenwärtigen  gesellschaftlichen Verhältnissen befasst. Hier sei nachgetragen, dass dieser Aufsatz dem gleichen Mangel wie Remmlers Aufsatz unterliegt, nämlich weder vom Kapital als gesellschaftlichem Verhältnis auszugehen, noch in diesem Zusammenhang das Proletariats zu nennen und die beschriebenen Phänomene in einen analytischen Zusammenhang zu stellen. Stattdessen reichen zur Erklärung Zahlen und Daten aus der bürgerlichen Soziologie. Dass dann "Böcke" entstehen, ist leider folgerichtig. Anne Seeck schreibt zum Beispiel: "Die Mittelschicht war ein Produkt des Wohlfahrtsstaates, z.B. Sozialleistungen wie Rente und Arbeitslosenversicherung, Förderung des Ausbaus privater Immobilien, Pendeln vom Stadtrand zum Arbeitsplatz, Arbeitszimmer steuerbegünstigt, Beamtenstatus wuchs." Hier werden Dinge zusammengefügt, die nicht zusammengehören, einfach um ihrer politischen Kernthese über die aktuellen Verhältnisse: "Der Sozialstaat sorgt dabei nicht für eine Lebensstandardsicherung der Mittelschicht, sondern für eine Grundsicherung der Unterschicht" eine gewissen Plausibiliät zu verleihen.

Anne Seecks Aufsatz und auch seine Auseinandersetzung mit den Positionen der "FreundInnen" haben Karl Mueller veranlasst, sich mit Grundfragen der Klassentheorie zu befassen. Wir haben seinen Aufsatz zentral gestellt, weil wir denken, dass dem, wie die Linke heute mit den Klassenverhältnissen politisch und theoretisch fahrlässig bis falsch umgeht, nur mit einer konstruktiven Kritik begegnet werden kann. Wie dringlich dies ist, zeigt ja - wie oben beschrieben - auch der Aufsatz von Klaus Remmler.

TREND(s) im Netz - hier die jüngsten Zahlen:

Die BesucherInnenzahlen vom Dezember 2009, in Klammern 2008, 2007

  • Infopartisan gesamt:  126.680  (120.606, 129.102)
  • davon TREND: 82.154 (82.580, 91.240 )

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  • 2.290 BesucherInnen verbuchte die Agit 883 Seite.
  • Es wurden 3.533 Ausgaben der Agit 883 aufgerufen.
     
  • 4.690 BesucherInnen besuchten das  Rockarchiv
  • 6.478 Seiten wurden im Rockarchiv abgerufen
  • 88 Mal wurden die Flugblätter der Haschrebellen gelesen

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