Spricht Bände: Windkraftbranche für viel längere AKW-Laufzeiten
Warum verhindern Grüne und Umweltverbände darüber eine öffentliche Diskussion?
von Klaus Hart

11/03
 
 
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Wer in schöne, fast unberührte Naturlandschaften oder in die Feldflur riesige Industriemaschinen stellt, an denen vorhersehbar ungezählte Adler, Rotmilane, Falken, Fledermäuse und andere streng geschützte, sogar vom Aussterben bedrohte Tiere elend verrecken, begeht, logisch, ein Umweltverbrechen. Und wer als Bauträger die Tötung geschützter Arten billigend in Kauf nimmt, kann selbstverständlich verklagt werden. So will es das Bundesnaturschutzgesetz. Bezeichnend, daß Rot-Grün de facto nicht nur strenge Umweltvorschriften außer Kraft gesetzt hat, sondern sogar EU-Regelungen übergeht, um beim Windkraft-Deal Banken, Atom-und Rüstungskonzernen, Spekulanten die Taschen zu füllen. Ein in der deutschen Nachkriegsgeschichte nahezu einmaliger Vorgang; nur erklärbar durch den unter Rot-Grün stark forcierten Kulturverlust, ganz oben, bei den Funktionseliten, am deutlichsten sichtbar. Besonders kurios, daß der Deal propagandistisch mit dem Argument verschleiert wird, durch immer mehr Windkraftwerke grabe man der bösen Atomindustrie, den Betreibern konventioneller Großkraftwerke das Wasser ab, tue also ein gutes Werk. Selbst in Umweltblättchen wird zornig bestritten, daß just die Rüstungsindustrie, der Atomkraftwerksbauer Siemens-KWU und alle mit ihnen verquickten Großbanken von Anfang an mit dabei sind - als Produzenten, Planer, Vermarkter hohe Profite erwirtschaften. Es reicht, die entsprechenden Firmen-Websites anzuklicken. Und folgerichtig, daß sich nach dem jüngsten Energiegipfel beim Kanzler gerade die Windkraftbranche für noch längere AKW-Laufzeiten stark macht. Fritz Vahrenholt, Boß des Windenergieunternehmens Repower, ehemaliger Hamburger Umweltsenator, regte laut "Tagesspiegel" an, die Atommeiler bis 2025 oder 2030, statt wie bisher vereinbart, nur bis 2021 zu nutzen. Das gleiche gelte für die Steinkohle.

Wieso auch nicht - nur für die Straße, fürs tumbe Wählervolk wird der Atomausstieg als beschlossene Sache hingestellt, ein Gegensatz schlimme Atommeiler - gute Windräder konstruiert. Doch hinter den Kulissen, auf internationalem Parkett läufts anders: Im Abschlußdokument der letzten New Yorker Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnete Rot-Grün, ohne durchaus mögliche Gegenvoten Joseph Fischers, immerhin folgendes:"Die Konferenz erkennt die Vorteile der friedlichen Atomenergie-Nutzung und nuklearer Techniken an", heißt es da, "und ihren Beitrag, um in den Entwicklungsländern nachhaltige Entwicklung zu erreichen sowie um generell das Wohlergehen und die Lebensqualität der Menschheit zu verbessern." Atomenergie sei daher überall auf dem Erdball zu fördern. Hick! Trittin hat sich davon nie distanziert. Und deshalb wird der große Windkraft-Ausrüstungshersteller Siemens-KWU in Brasilien bei Rio de Janeiro zusammen mit dem neuen französischen Partner Framatome ja auch das AKW "Angra III" fertigstellen. Und was 2021, 2030 ist, wer will das vorhersagen? Trittin genießt dann längst seine Superpension.

Repower-Chef Vahrenholt weiß, daß Windkraft-und Atomkraftwerke "Schwestern im Netz" sind. Den Begriff prägten schließlich zwei norddeutsche Energieexperten - Gustav Sauer aus dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium, und Lothar Schedereit, Geschäftsführer des Hamburger Energieberatungsunternehmens RENORGA. Die unzuverlässige Windkraft, betonen sie, sei nur Zusatzenergie, garantiere keine Versorgungssicherheit. Derzeit würden die Schwankungen von den großen Atomkraftwerken "glattgebügelt" - die Atommeiler und die Windkraftwerke seien daher jene "Schwestern im Netz". Umso besser, meint wohl Windkraft-Boß Vahrenholt, wenn sich seine Branche möglichst lange auf die AKWs verlassen kann. 

Für Sauer und Schedereit sind die hochgejubelten Offshore-Anlagen "Investitionsruinen auf See". Wenn sie mit ihrer hohen Leistungsabgabe ans deutsche Netz gingen, entstünden wegen des sehr instabilen Seewindes zwangsläufig weit größere Spannungsschwankungen als bei den Land-Anlagen. Also brauche man zum Ausgleichen viel stärkere konventionelle Generatoren. Derzeit tuns die AKWs. 

Im extrem heißen Sommer merkten die Deutschen erstmals, daß Windkraftwerke meist stillstehen, oder nur vor sich hindösen, dabei keine oder kaum Leistung abgeben. Erstmals roch für viele nach Betrug, daß Windkraft von Trittin & Co. immer als umweltfreundliche Lösung unserer Energieprobleme gepriesen wurde. Denn die Rotoren drehen sich nur etwa 1530 von insgesamt 8760 Jahresstunden. Die Windkraftbranche schlitterte auch wegen "unvorhersehbarer Projektverzögerungen", sprich: lokalen Widerstands der Bevölkerung, in eine schwere Krise, große Hersteller wie Nordex stehen auf der Kippe, stürzten an der Börse ab. Denn mit Steuergelder-Milliarden, die beispielsweise im Bildungs-und Gesundheitsbereich fehlen, wurde der Aufbau von unnützen Überkapazitäten finanziert. Weil das Wählervolk aufzubegehren beginnt, wechseln Amtsträger sicherheitshalber auf die Seite der Windkraftkritiker: Wirtschaftsminister Clement, Brandenburgs Umweltminister Wolfgang Birthler(SPD), seine sachsen-anhaltinische Kollegin Petra Wernicke(CDU), Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel(CDU), die ganze FDP-Spitze. Und sogar die ganze Dienstleistungsgewerkschaft verdi:"Windkraft wurde für die Betreiber zur Gelddruckmaschine". Das Einstreichen hoher Subventionen, der Zwangs-Einspeisevergütung, so Clement, sei "Abzocke". Logisch - Energieversorger kaufen von konventionellen Kraftwerken die Kilowattstunde für etwa drei Cent, müssen Windkraftunternehmern aber das Drei-bis Vierfache zahlen, wälzen das auf den doofen Verbraucher ab. Denn nur so kommen die Windbosse - und alle mitbeteiligten Anwälte, Ärzte, sonstigen Spekulanten - auf ihre Traumrenditen - dank Trittin.
Deutschlands windkraftkritische Umweltbewegung, mit inzwischen über 650 Bürgerinitiativen, sagt seit den achtziger Jahren, was das MDR-Magazin "Fakt" jetzt als Analyse-Fazit herausstellte:"Windenergie sorgt in Deutschland vor allem dafür, daß die Reichen reicher werden und Arbeitsplätze wegen der hohen Kosten verlorengehen. Öko-Nutzen - Null!" 

Kanzlerfreund Schmoldt will neue AKW

Nach Windkraftunternehmer Vahrenholt rüttelt laut "Financial Times Deutschland" nun auch "SPD-Mitglied und Kanzler-Freund Schmoldt", Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie am Atomausstieg . "Wir werden uns damit befassen müssen, ob der Ausstieg aus der Kernenergie so unverrückbar ist, wie einige glauben", sagte er dem Blatt. "Die von Trittin geplante Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien ist illusionär. Herr Trittin hat bisher nicht beantwortet, wie er das finanzieren will." Wind und Fotovoltaik würden mit hohen Belastungen der Verbraucher und der Industrie subventioniert. "Auch Fonds funktionieren nur über Steuerabschreibungsmodelle. Wenn man das alles zusammenrechnet, ist das teurer als die Subventionen in der Steinkohle." Kanzler-Freund Schmoldt macht einen interessanten Vorschlag:"Man kann Kernkraftwerke auch küstennah bauen, das würde das Problem Kühlung lösen." Oder noch ganz andere Probleme - siehe oben - Offshore-Windkraftwerke und Atommeiler wären erst recht jene "Schwestern im Netz". Da träfen sich Vahrenholt und Schmoldt auf wundersamste Weise - eine öffentliche Diskussion darüber wird indessen ganz offensichtlich vermieden.

Trittin contra Artenschutzexperten - was stimmt denn nun?

"Heimische Vögel lassen sich von Windrädern nicht stören", steht in einer neuen Argumentationshilfe des Umweltministeriums. Jene, die nachgewiesen etwas von der Sache verstehen, betonten jetzt auf einer Fachtagung in einem süddeutschen Naturschutzzentrum genau das Gegenteil. Windkraftanlagen, die in Vogelzugkorridoren installiert werden, bedeuten eine "erhebliche Gefährdung, weil sie Vögel regelrecht zerschreddern können.". Klaus-Michael Exo vom Wilhelmshavener Institut für Vogelforschung wiederholte auf der Fachtagung laut "Stuttgarter Zeitung" seine seit Jahren natürlich auch Trittin geläufige Erkenntnis: Die Zahl der an Landstandorten getöteten Vögel beläuft sich pro Jahr auf fünfzig pro Windkraftwerk! Bislang stehen in Deutschland weit über 14000 Windanlagen - die, sofern Exos Angaben stimmen, also jährlich bis zu 700000 Vögel jeder Größenordnung, dazu Fledermäuse vernichten. Ergo - ein Umweltverbrechen erster Güte, das nach dem Bundesnaturschutzgesetz eigentlich geahndet werden müßte. Wer hat also Recht - Trittin("Heimische Vögel lassen sich von Windrädern nicht stören.") oder Artenexperte Exo? Und warum dementiert der Umweltminister nicht längst Exos alarmierende Feststellungen?

Editorische Anmerkungen:

Klaus Hart stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Ansonsten schreibt der Autor regelmäßig Berichte aus Brasilien, die er auch dem Trend zur Verfügung stellt. So. z.B.: