Gegen Wohnungsnot und Mietpreistreiberei
Fünf aktuelle Beiträge der Rosa-Luxemburg-Stiftung

vorgestellt von Karl-Heinz Schubert

04/2019

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onlinezeitung

"Das Kapital kann nur existieren als viele Kapitalien"
Karl Marx, Grundrisse S. 317

Für eine "zivilgesellschaftlich" aufgestellte Gegenwehr gegen Wohnungsnot und Mietpreistreiberei braucht es neben Aktionswissen vor allem auch Grundeinsichten in Sachverhalt und Bedingungen, die es zu bekämpfen gilt: Die kapitalistische Vernutzung von Immobilien. Zeitgleich zum medialen Aufschwung der Kampagne "Deutsche Wohnen enteignen" erschienen im Februar und März 2019 folgende, die Richtung weisende Beiträge bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung:

Knut Ungers(*) Frage, ob  Vonovias Geschäftsmodell mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums vereinbar ist, erweist sich als eine rein Rhetorische: Für Unger ist die Vonovia eine "räuberische Formation", die aus der "finanzialisierten Industrialisierung des Wohnungswesens" erwächst. Ein Geschäftsmodell, das seine Rendite durch "falsche Abrechnungen und ständige Betrugsversuche, unerträgliche Modernisierungsmieterhöhungen und entpersonalisierte Verwaltungen" steigert, widerspricht selbstverständlich dem Eigentumsbegriffs, wie er in Artikel GG 14 formuliert wird. Das Dilemma besteht nun darin, dass Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit nicht deckungsgleich sind.  Ungers Ausführungen dienen mithin dazu "Gegenperspektiven" zu formulieren, die diesem Dilemma abhelfen sollen. Adressat seiner Vorschläge ist für ihn der "Staat", der als "ideeller Gesamtkapitalist"(Engels MEW 19/222) eben diesen Widerspruch beständig hervorbringt. Dennoch erhofft sich Unger, den Staat dazu zu bringen, "die Geschäfte dieser Branche wirksam zu regulieren".

Unger hat gleich einen ganzen Strauß an Regelungen im Angebot:

  • allgemeinen Mietpreisbindung für den Wohnungsbestand
  • Abschaffung der Modernisierungsmieterhöhung nach § 559
  • Verbot der Gewinnerzielung aus Umlageabrechnungen
  • wirksame Kontrolle und Mindestanforderungen an diese Abrechnungen
  • der Besteuerung der Anteilsverkäufe («Share Deals»)
  • Verpflichtung zur Bildung von liquiden Bauerneuerungsrücklagen

Damit Vonovia und Co. - falls es zu diesen Regelungen kommt - nicht  "von der Mieterplünderung in die Gebäudeplünderung ausweichen" braucht es ein Enteignungsgesetz. Und emphatisch stellt Unger daher fest: "In Berlin wird mit der Kampagne «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» diese Konsequenz ausgedrückt und vorweggenommen."

*) Knut Unger ist Sprecher des MieterInnenvereins Witten u. Umg. e. V. im Deutschen Mieterbund Nordrhein-Westfalen.

Armin Kuhn und Caren Lay wollen mit ihrem Aufsatz aufzeigen, dass durch  Bestandsschutzvorschläge, wie Unger sie unterbreitet, der "bestehende Mangel an bezahlbaren Wohnungen nicht allein behoben werden" kann. Für sie ist die Neubaufrage eine "Klassenfrage", weil die Interessen der Reichen (vermögende Anleger*innen, Eigentümer*innen, einkommensstarke Wohnungssuchende und Bauunternehmer*innen) den Interessen von "Menschen mit niedrigen Einkommen" gegenüberstehen. Deshalb muss sich die Linke für die Interessen von "Menschen mit niedrigem Einkommen" einsetzen.

Zunächst unterstreichen Kuhn und Lay die zentrale Bedeutung des Staates für eine soziale Wohnungspolitik durch eine kursorische Auflistung staatlicher Wohnungspolitik in der BRD von 1990 bis heute.  Dass mit Hilfe des Staates eine linke Wohnungspolitik möglich ist und wie sie funktioniert, glauben sie am Beispiel Wiens aufzeigen zu können, wo seit 100 Jahren "langfristig gebundene Sozialwohnungen" mit preiswerten Mieten durch die Stadt und Genossenschaften errichtet wurden.

Sozialer Wohnungsneubau ist die Kuhn und Lay kein isoliertes Politikfeld sondern entsprechend dem Wohnungsbauprogramm der Bundesstagsfraktion der PdL von 2018, deren Sprecher*innen sie sind, wird er flankiert von "Aufkaufen" und "Vergesellschaften".

Und aus staatsbürgerlicher Verantwortung fürs große Ganze schließen sie ihr Statement mit dem Satz:

"Auf diese Weise wird sich ein öffentliches Wohnungsbauprogramm am Ende nicht nur wohnungs- und stadtentwicklungspolitisch, sondern auch haushaltspolitisch und volkswirtschaftlich als die sinnvollere Maßnahme erweisen."

Christa Luft - habilitierte 1968 in der DDR über die "dialektische Einheit ökonomischer und psychologischer Marktfaktoren" und lieferte heute mit ihrem Aufsatz über Möglichkeiten des Marktentzugs von Grundstücken ein wahres Füllhorn an Vorschlägen für eine sozialdemokratisch grundierte Wohnungspolitik der Linkspartei. Für Luft  ist die Wohnungsfrage nicht von der Bodenfrage zu trennen. Eine soziale Bodenordnung wäre daher für sie eine, wo der Boden dem Markt entzogen ist. Diese Ansicht stützt sie auf folgende Behauptungen:

  • "Bei den von Menschen hergestellten Waren führt der Markt mit seinem Gesetz von Angebot und Nachfrage zum Ausgleich von Interessen."
  • "Das Privateigentum an Grund und Boden erbringt leistungslose Einkommen."
  • "Die Georessource Boden ist keine Ware wie jede andere."
  • "Karl Polanyi ... nannte den Boden daher eine «fiktive Ware»."
  • "Mit der Bodenfrage ist das Phänomen nicht legitimierter gesellschaftlicher Macht verbunden."
In diesem Zusammenhang hebt sie mit Verweis auf Bend Senf das freiwirtschaftliche Bodenreformmodell von Silvio Gesell als richtungsweisend für einen schrittweisen Marktentzug von Grund und Boden hervor.

Unter dem Stichwort "Marktentzug" gibt Luft einen Überblick über derzeit diskutierte Reformschritte, die sie kurz vorstellt und kritisch beleuchtet:

  • Wiederherstellung der Wohnungsgemeinützigkeit z.B. durch Orientierung an "Wien"
  • Varianten der Grundsteuerreform
    • Pauschal- und Flächenmodell der Großen Koalition
    • Varianten der Bodenwertsteuer
    • Rekommunalisierung durch Rückkauf
    • Vergesellschaftung durch Enteignung gegen Entschädigung

Für Luft geht die Politik der Rekommunalisierung, die ihre Partei in Berlin betreibt, in "eine richtige Richtung". Sie muss allerdings einräumen, dass mit der ab 2020 grundgesetzlich geltenden Schuldenbremse diese Politik an ihre Grenze stößt.

Von der aktuellen  "Enteigungskampagne" gegen die "Deutsche Wohnen" ist Luft ebenfalls angetan. Sie erwartet von ihr eine abschreckende Signalwirkung auf die "schwarzen Schafe" der Branche.

An diesen Überblick schließt eine Auflistung "weiterer Wege gegen den Marktmechnismus" an:

  • "Abwehr aller politischen Versuche, Gebote des Grundgesetzes auszuhöhlen oder gar abzuschaffen, die auf Schutz von Formen der Gemeinwirtschaft hinauslaufen"
  • "ein Moratorium für die Privatisierung von ehemals volkseigenem Grund und Boden"
  • "Aufnahme von Regelungen in die Verfassungen der Bundesländer für den demokratischen Umgang mit noch im öffentlichen Eigentum befindlichen Flächen"
  • "Das primär anzustrebende Ziel sollte die Schaffung eines als Stiftung organisierten und vor künftiger Privatisierung geschützten gesellschaftlichen Bodenfonds
    sein, in den bisher noch im öffentlichen Eigentum befindliche Flächen und zum Beispiel solche von erbenlosen Eigentümern/Bewirtschaftern als Schenkung eingehen."
  • "Generelle Verpflichtung der Bundesländer, finanzschwächere Kommunen beim Kauf von Bodenflächen aus Landesbesitz zu unterstützen, um dort bezahlbaren Wohnraum entstehen zu lassen."
  • "Es sollte verhindert werden, dass Ackerland von branchenfremden Großinvestoren aufgekauft wird."
  • "Gesetzliche Unterbindung der Möglichkeit für große Investoren, Grundstücke und Gebäude zu kaufen, ohne Grunderwerbssteuer zu zahlen; zusätzlich eine Beschränkung der Größe der Flächen, die an einzelne Interessenten verkauft werden dürfen."
  • "Landfreikauf" und "Höfeordnung"
  • "Knüpfung europäischer Netzwerke, um Einfluss auf die Gemeinsame Agrarpolitik der EU zu nehmen"
Für Luft sind dies Vorschläge, "die noch nicht zu einer größeren Umwälzung führen, die über den Kapitalismus hinausweist". Offensichtlich spürt sie, dass Klassenverhältnisse nicht nur ökonomische sondern auch und gerade Machtverhältnisse sind. Woher sie dann allerdings die sozialdemokratische Gewissheit nimmt, dass ihre "Wege" in die sogenannte richtige Richtung führen und nicht zu weiteren Illusionen über einen möglichen Fair Trade im  Kapitalismus, bleibt eine offene Frage.

Werner Heinz - ehemals Planungswissenschaftler im Deutschen Institut für
Urbanistikund
Bernd Belina - Professor für Humangeographie mit dem Arbeitsschwerpunkt
marxistische (Raum-)Theorie  - erhielten von der RLS den Auftrag, den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit Grund und Boden in Deutschland historisch zu untersuchen. Damit verbunden war die Frage nach den
 heutigen rechtlichen Voraussetzungen für eine Bodenpolitik und ihre Instrumente (Bau-, Steuer-, Planungsrecht). Schließlich ging es auch darum alternative Modelle für eine soziale Bodenpolitik zu sichten.

Ihre Studie beginnt mit einer Darstellung der "maßgeblichen Triebkräfte" des Wohnungsmarktes. Hierzu zählen die Autoren das "anlagesuchende Kapital" und damit verbunden eine "zunehmend spekulative und preistreibende Nachfrage nach städtischem Boden, Gewerbeflächen und Wohnraum", beides flankiert von einer kommunalen "marktkonformen Liegenschaftspolitik" sowie von der aktuellen "Niedrigzinspolitik" und der "Kreditpolitik der Banken".

Für die Bestimmung der "maßgeblichen Triebkräfte" bildet die Feststellung: "Die Grundlage der Bodenfrage ist stets die gleiche: das kapitalistische Privateigentum an Grund und Boden und dessen profitorientierte Verwertung." den Ausgangspunkt ihrer theoretischen Bemühungen. Daher beziehen sie sich ausdrücklich auf die an Marx orientierte Theoriebildung in den 1970er Jahren, "deren Ausgangspunkt, das auf der Marx’schen Werttheorie basierende Verständnis von Boden" war. Hier wurde im Hinblick auf die Bodennutzung von verschiedenen Rentenformen gesprochen. Es wurde zwischen zwei Differentialrenten bei gewerblicher Nutzung und einer Monopolrente bei Wohnnutzung unterschieden. Ferner wurde in diesem marxistisch geprägten Diskurs herausgearbeitet, dass die Grundrente im Verkauf als Bodenpreis in Erscheinung tritt, welcher nicht der Preis das Bodens ist, sondern den Kaufpreis der Rente darstellt, die der Boden bei einer Nutzung vermutlich abwirft. Die Autoren betonen daher:

"Diese auf spekulativen Erwartungen basierende Rente kann als Zins auf ein imaginäres Kapital aufgefasst werden, dessen Höhe vom jeweils geltenden Zinssatz abhängt."

Mithilfe dieses polit-ökonomischen Rasters analysieren die Autoren nun die akuelle Lage am Wohnungsmarkt. Sie tragen vor, dass diese von einer "zunehmenden Entkoppelung von Kapitalverwertung und 'realem' Produktionsprozess" geprägt sei und infolgedessen  "Monopolrenten... in exklusiven Lagen zur bestimmenden Form der städtischen Grundrente" werden. Mit David Harvey stellen die Autoren fest, dass in Phasen der Überakkumulation von Kapital das überschüssige Kapital in urbanen Räumen langfristig angelegt wird, um einer sukzessiven Entwertung entgegen zur wirken. Als Folge davon stehen "bei der Grundstücksverwertung Ertragsmaximierung und Spekulation im Vordergrund". Das Kapital organisiert sich dafür  in offenen oder geschlossenen Immobilienfonds, Immobilien AGn oder
Real Estate Private Equity Fonds, wobei "zahlungskräftige ausländische Akteure" eine wesentliche Rolle spielen.

Um Gegenstrategien zu entwickeln werfen Heinz und Belina im 2. Kapitel ihrer Studie einen Blick auf bodenpolitische Forderungen in vergangener Zeit. Ein Schwerpunkt in diesem Rückblick bildet die Würdigung der Arbeiten der vom sozialdemokratischen Oberbürgermeister Münchens, Hans-Jochim Vogel, 1970 eingesetzten Kommission, die den Auftrag hatte, "eine Initiative der Stadt für eine Reform des Bodenrechts" vorzubereiten. 1973 lag dann auf dem SPD-Bundesparteitag ein Vorschlag vor, der darauf abzielte durch "Bodenwertzuwachssteuer,
Planungswertausgleich sowie Verfügungs- und Nutzungseigentum" Grundrenten und Grundrentenzuwächse steuerlich zu kappen. Ferner war beabsichtigt im Hinblick auf die Eigentumsfrage den Artikel 14 GG zu reformieren. Keine der Vorschläge wurde angenommen. Das Thema wurde vertagt.

Im 3. Kapitel wenden die Autoren sich aktuellen Reformvorschlägen zu und fassen die Vorschläge des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, des Deutschen Städtetags, des  Deutschen Instituts für Urbanistik, dem Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung und der Münchner Initiative für ein soziales Bodenrecht in einer Übersicht thematisch zusammen:

a) unter dem Aspekt der Liegenschaftspolitik: 
Stärkung des Vorkaufsrechts, kommunale Bodenfonds, Erpacht und Konzeptvergabe;
 
b) unter dem Aspekt Planungsrecht:
Bauleitplanung und öffentliche Infrastrukturinvestitionen, Beitragsfinanzierung, Kostenbeteiligung auf Basis von städtebaulichen Verträgen;

c) unter dem Aspekt der Steuerpolitik:

Bodenwertzuwachssteuer, Boden- oder Flächensteuer, Bodenwertsteuer, Kostenwertmodell, Ertragswertverfahren.

Nach einem internationalen Überblick im 4. Kapitel kommen die Autoren im 5., dem letzten Kapitel, auf die im 3. Kapitel referierten Reformvorschläge zurück und sichten sie gemäß des RLS- Untersuchungsauftrags im Hinblick auf ihre "Wirksamkeit". Abschließend heben Heinz und Belina die Relevanz  "der Erweiterung des öffentlichen Eigentums an Grund und Boden" hervor. Sie knüpfen bewußt an die sozialdemokratischen Reformideen der Vogel-Kommission der 1970er Jahre an und ergänzen sie um weitere Einzelvorschläge, sowie Empfehlungen des "Münchner Aufrufs für eine andere Bodenpolitik" :

  • Abkehr vom Verkauf von in öffentlicher Hand befindlichen Grundstücken zu Höchstpreisen an Private
  • befristete Nutzungsrechte für kommunale Grundstücke – mit Gemeinwohlbindungen – im Wege des Erbbaurechts
  • Erbbaurechtszinsen bilden eine dauerhafte kommunale Einnahmequelle. Mit ihrer Bemessung können die Kommunen zur Senkung von Baukosten beitragen.
  • Aufspaltung des Bodeneigentums in ein Verfügungs- und ein Nutzungseigentum
  • Konzeptverfahren und städtebaurechtliche Festsetzungen zur Sicherung stadtentwicklungspolitischer Ziele
  • ggf. Änderung des Artikels 15 GG
  • Bodenbevorratung für den Ausbau des kommunalen Grundstückspools  in Verbindung mit
    der Einrichtung revolvierend angelegter Boden- und Infrastrukturfonds
  • Enteignung gegen Entschädigung als politisches Druckmittel

In ihrem Schlusswort resümieren die Autoren:

"Für die Umsetzung dieser keineswegs revolutionären, sondern auf dem Boden des Grundgesetzes stehenden und an die bodenpolitischen Vorschläge von Hans-Jochen Vogel in den frühen 1970er anknüpfenden Forderung bedürfte es einer differenzierten Auseinandersetzung, die jedoch an dieser Stelle nicht möglich ist, sondern Gegenstand einer weiteren Studie sein sollte."

Adrian Garcia-Landa (Unternehmensberater) und Christoph Trautvetter (Public Policy Experte) haben ein Recherchehandbuch geschrieben, damit Mieter*innen zwei Fragen beantworten können:  – Wem gehört meine Wohnung? – Wer verdient an meiner Miete?" Denn - so lassen sie es ihre Leser*innen im Vorwort wissen: 

"Die Zeiten, in denen ein Mensch ein Gebäude besaß, dass er vermietete, verschwinden langsam. Immer öfter gehören Gebäude einer Firma, die wiederum einer Firma gehört, die vielleicht an der Börse notiert ist oder in einem Immobilienfonds liegt. Finanzialisierung bedeutet, dass Immobilien möglichst schnell mit möglichst hoher Wertsteigerung weiterverkauft werden können und sogar müssen – denn allein mit den Mieten lassen sich jährliche Renditeerwartungen von zehn Prozent oder mehr oft nicht erfüllen."

Bevor das Handbuch so richtig losgeht, stellen die Autoren verschiedene Formen vor, "die der Besitz von Immobilien annehmen kann". Das geschieht anhand der Zossener Straße in Berlin-Kreuzberg, weil sich dort drei Häuser(!) befinden, die Firmen "mit ganz unterschiedlichem Hintergrund" gehören:

Zossener Straße 5
Aus Mieter*innen wurden im Laufe von 40 Jahren Miteigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Dieser WEG gehört das Haus incl. Grundstück als Ganzes in Teilen gemeinsam. Als Zwischenschritt auf dem Weg zur WEG bildeten nicht alle sondern 12 Mietparteien des Hauses eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Diese GbR war "Mieter, Vermieter und Hausverwalter" zugleich. Im Zuge der Liquidierung der GbR erhielten die 12 GbRler*innen ihren Gesellschaftsanteil nicht in Geldform sondern in Warenform - dh. in Gestalt von Wohnungen zurück.

Zossener Straße 48
Nachdem der Alteigentümer sein Mietzinshaus an eine GmbH verkauft hatte, versuchte diese, das Haus ganz schnell mit Gewinn weiter zu verkaufen. Die Mieter*innen wandten sich hilfesuchend an das Bezirksamt Friedrichshain Kreuzberg, das dann 2017 ihr Vorkaufsrecht für die Zossener 48 zu gunsten der  Nord-Süd-Brücken-Stiftung ausübte, von der die Mieter*innen  zusammen mit dem Mietshäusersyndikat als gemeinsame GmbH fungierend das Haus abkauften.

Zossener Straße 16
Der ursprüngliche Besitzer war eine Privatperson, die das Mietshaus 2006 an den Investor JER Partners mit Sitz in Washington verkaufte. Infolge der Pleite von Lehman Brothers, die JER Partners finanziert hatten, wurde  2012 das Haus Teil des Immobilenfonds Taliesin. 2018 übernahm Blackstone Fonds das Haus.

Nach diesem Warmup zeigen Adrian Garcia-Landa und Christoph Trautvetter, wie mensch die "Nutznießer" findet, die an den Gebäuden(!) verdienen, und die trotz eines noch so "komplizierten Firmengeflechts" aufgespürt werden können.  Ausgangspunkt der Suche ist das Grundbuch, wo Eigentümer*innen vermerkt werden. Wenn es sich nicht um Personen sondern um Kapitalgesellschaften handelt, geht es mit dem deutschen oder ggf. mit den nichtdeutschen Handelsregistern weiter. Wer so fleißig sucht wie die beiden Autoren, der findet z.B. heraus, dass die Firmenkonstruktion von Taliesin aus 36 Gesellschaften in fünf Ländern besteht. Bei solchen Konstruktionen erscheint es unabdingbar herauszukriegen, wer in solch einer Konstruktion die führende Gesellschaft ist. Auch wäre es nach Auffassung der Autoren nicht schlecht zu wissen, welche Häuser noch zu dieser Firmenkonstruktion gehören. Da es kein öffentliches Einsichtsrecht in Grundbücher gibt, ist die Beantwortung dieser Frage für Dritte nur auf detektivischem Wege möglich.

Vorausgesetzt die Eigentumsverhältnisse der Immobilie wären nun geklärt, gelangen wir zur zweiten Frage. Vom Vergleich verschiedener Mieten als Methode zur Abklärung der zweiten Frage wird mit folgendem Hinweis abgeraten:

"Es ist auch damit nicht genug, die Höhe der von ihnen verlangten Miete zu vergleichen. Je nach Hintergrund und vor allem je nach Kaufpreis kann die gleiche Miete bei einem Eigentümer Ausbeutung und bei dem anderen ein Verlustgeschäft bedeuten. Selbst wenn hohe Mieten zu hohen Gewinnen führen, macht es einen Unterschied, ob diese Gewinne dem Haushalt der Stadt Berlin, den Investoren, die das Risiko tragen, oder den Managern, die keines tragen, zufließen."

Für die Autoren ist das Durchstöbern der Jahresabschlüsse von Immobilienbesitzern der Königwegs zur Erkenntnis. Da dieser Weg für Menschen ein steiniger sein wird,, die nicht über ein betriebswirtschaftliches Grundwissen verfügen, bieten Garcia-Landa und Trautvetter zunächst einen "Crashkurs in Buchhaltung" an, um ihre Gewinn-Dechiffrier-Formel plausibel zu machen.

Mit dieser Formel landen sie beim "Wert der Immobilie". Sie bestimmen den Wert entweder nach dem "Buchwert", der sich für sie aus den Kaufverträgen ergibt oder nach dem "Marktwert". In beiden Fällen verwechseln sie den Wert mit dem Preis.

Der Wert der Immobilie wird gebildet aus der Menge, der in ihr enthaltenen Arbeit in ihrem gesellschaftlichen Durchschnitt. Zu dem Wert des Wohn- oder Gewerbegebäudes tritt noch der Wert der Produkte, die dem Grundstück einverleibt wurden. Das Grundstück selbst hat keinen Wert, sondern ist Voraussetzung für eine in der Höhe durch die kapitalistische Konkurrenz bestimmte Rente, die dem Grundeigentümer zufällt. Wer das nicht auseinander hält und nicht entsprechend begrifflich darstellt, führt die Leute in die Irre.

Weitere Irritationen treten in den folgenden Handreichungen zur Trennung von Gewinnen und Kosten auf:

Hier fehlt als Grundvoraussetzung die ökomische Bestimmung der jeweils zu untersuchenden Immobilie. Handelt es sich um Leihkapital in Warenform, das sich durch Mietzinszahlungen verwertet? Oder hat sie die Funktion von Handelskapital, indem durch ihre Veräußerung als Ganzes oder in Teilen (Eigentumswohnungen), der in ihr enthaltene Wert mit möglichst kurzer Umschlagzeit realisiert wird? Oder ist die Immobilie überwiegend nur Beiwerk zum Grundstück mit dem Ziel der Realisierung von dessen hoher Grundrente?

Die auf Lohnarbeit beruhenden Nebenkosten für den Unterhalt der Immobilie oder jene, wo Lohnarbeit zur Modernisierung angewendet wird, müssen im Kontext der jeweiligen Kapitalfunktion der Immobilie gelesen werden. Sie sind eben nicht nur preistreibende Faktoren, zyklisch befördert von Spekulation, sondern sie verändern den Wert der Immobilie und damit die Basis des Preises.

Dass der Preis für eine Immobilie seit Jahren Konjunktur bedingt über dem Wert steht, in den frühen 2000er Jahren wurden in Marzahn noch wegen fehlender Nachfrage ganze Wohnblöcke abgerissen,  resultiert aus der Tatsache, dass die kapitalistische Produktionsweise ein Prozess ist, wo das Kapital nur als viele Kapitalien existieren kann. D.h. alle buchhalterischen Analysen von einzelnen Immobilien können nur Zahlen über die Verwertung des jeweiligen Einzelkapitals wiedergeben - selbst wenn dieses eine Monopolstellung innehat  - und mehr nicht.

Ob Mieter*innen sich dieses Buchhalterwissen aneignen oder nicht, hat für ihren Widerstand gegen die kapitalistische Vernutzung von Wohnraum in etwa die Bedeutung, als wenn in China ein Sack Reis umfällt. Das gilt allerdings nicht, wenn Mieter*innen z.B. planen in selbstausbeutender Weise nach dem Modell Mietshäusersyndikat selber Hauseigentümer*innen zu werden.

Ein kurzes Fazit

Als Thinktank der Linkspartei hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung ihren Job gut gemacht. Mit fünf Broschüren - in knapp sechs Wochen herausgegeben - munitionierte sie das politische Personal der Linkspartei für die mietenpolitischen Aktivitäten der kommenden Wochen und Monate wie z.B. die "Mietenwahnsinn Demo am 06. April 2019", wo die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren "Deutsche Wohnen und Co enteignen" beginnt.

Zweifellos liefern die Broschüren eine Reihe von Vorschlägen, die auf den ersten Blick geeignet erscheinen, einer scheinbar grenzenlosen kapitalistischen Verwertung von Wohnraum einen Riegel bzw. viele kleine vorzuschieben. Besonders die Studie von Werner Heinz und Bernd Belina liefert eine Fülle von Informationen und gibt sich dabei seriös marxistisch in ihrer Argumentation. Ausgehend von der kapitalistischen Verwertung der Immobilie als Vehikel für einen Extraprofit durch das mit ihr verbundene Grundstück, geht die Studie leider ganz schnell über diesen Zusammenhang hinweg, indem die Produktion der Immobilie durch Wert und Mehrwert schaffende Lohnarbeit einfach thematisch ignoriert wird, um stattdessen vergessene sozialdemokratische Projekte der 1970er Jahre neu aufzupolieren. Auf der gleichen Wellenlänge argumentiert Christa Luft und ist sich dabei nicht zu schade, freiwirtschaftliche Vorschläge als antikapitalistische Alternativen zu propagieren.

Knut Unger, Armin Kuhn und Caren Lay geben ein gutes Beispiel dafür ab, den Kapitalismus zu kritisieren und gleichzeitig von dem dazugehörigen Machtorgan, dem Staat, eine antikapitalistische Politik zu erhoffen, während das sogenannte "Recherchehandbuch"  nur noch als antikapitalistisches Surrogat fungiert.

Allen Autor*innen ist gemeinsam, dass die Arbeiter*innenklasse, die den gesellschaftlichen Reichtum schafft und weder im Produktions- noch im Reproduktionsbereich darüber verfügen kann, in ihren Arbeiten überhaupt nicht vorkommt. Ihnen kann deshalb auch nicht vorgehalten werden, sie hätten nicht im Interesse der Klasse versucht, wohnungspolitische Vorschläge zu entwickeln.

LESELISTE

In der nachfolgenden Linkliste sind TREND-Texte für diejenigen Leser*innen aufgeführt, die mehr über die Politische Ökonomie der Immobilienwirtschaft erfahren wollen und an der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung und ihrer wohnungspolitischen Praxis sowie an den Praxen der sogenannten neuen sozialen Bewegungen interessiert sind. Ergänzt wird die Textauswahl mit Diskussionbeiträgen u.a. zur Politik von Kotti & Co. sowie zum Mietenvolksentscheid zur Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin (2015).

Grundlagentexte

Programmatisches

Historisches

Diskussion

Mietenvolksentscheid

Editorischer Hinweis:

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.